Capital [2]

Capital [2]

Capital, 1) im gewöhnlichen Sinne eine Summe Geldes, welche zinstragend angelegt ist; 2) im weiteren nationalökonomischen Sinne jede Masse von Gütern, Geld, Waaren od. Betriebsmitteln (Maschinen, Lagerhäuser, Verkaufslocale etc.), welche letztere zur Production der Waare od. zu ihrer Verwerthung, d.h. Verwandelung in Geld od. andere Waaren, dienen. Geld, namentlich in größeren Summen angehäuft, ist nur eine eigene Form des C-s, welche verhältnißmäßig selten, gewöhnlich nur in kritischen Zeitperioden vorzukommen pflegt; denn, indem die Besitzer solches zinstragend anlegen, wandert es sich zertheilend von einer Hand in die andere u. bildet das im Handelsperkehr umlaufende C. C. ist, wofern es nicht durch Schenkung u. Spielgewinn erworben wurde, das Product der Arbeit, deren Gewinn der Arbeiter ansammelt, indem er sich einen gegenwärtigen Genuß zu Gunsten eines zukünftigen entzieht. Diejenige Summe, welche jeder Arbeiter, um zu leben, verzehrt, also sogleich wie sie gewonnen dem Verkehr wieder übergiebt, nennt man Verbrauchscapital; diejenige, welche er zum Zwecke neuer Arbeitserzeugnisse ansammelt, Productivcapital. Die ersten wirthschaftlichen Anfänge im Volksleben beruhen auf zwei Factoren, der zeugenden Naturkraft u. der dieselbe nutzbarmachenden Arbeit des Menschen. Im weiteren Verlauf der Verkehrsentwickelung tritt das C. als dritte productive Macht zu jenen beiden, indem es die Mittel gewährt, die Naturkraft in größerem Maße u. mit geringerem Verbrauch von Arbeitskraft auszubeuten; denn C. ist jedes Instrument, welches der Arbeiter zur Production gebraucht, insofern es selbst wieder ein Erzeugniß der Arbeit ist. Je mehr der Unternehmungsgeist der Menschen zunahm, um so größer wurde die Bedeutung, welche das C. als Productionskraft in der Volkswirthschaft erhielt. Der Umstand, daß das große C., sowohl beim Einkauf der Rohproducte, wie bei Verarbeitung derselben, im Vortheil gegen das kleine C. ist, führte zu einer umfangreichen Ansammlung von C-en, welche, wo des Einzelnen Kraft nicht ausreichte, od. das Risico der Unternehmung für ihn zu groß erschien, mit Hülfe verschiedener Unternehmer in Form von Handelsgesellschaften zu Stande kam (Grundcapital, Capitalstock). Das wirthschaftliche Gedeihen eines jeden Volkes beruht auf der ununterbrochenen Ansammlung des C-s bei ununterbrochener Anspannung des Unternehmungsgeistes. Tritt zwischen beiden ein Mißverhältniß ein, so daß, wenn mißliche Zeitumstände den Credit erschüttern, od. von Staatsregierungen große Anleihen contrahirt werden, das C. an einzelnen Stellen sich sammelt, ohne verhältnißmäßig rasch abzufließen, so sieht sich der Unternehmungsgeist durch Geld mangel gehemmt, die Production wird verringert, der Gewinn der Arbeit geschmälert u. die Folge davon ist, daß schließlichauch die Capitalansammlung in Stocken geräth, bis, wenn dieser Zustand länger anhält, eine Capitalkrisis eintritt, welche eine gewaltsame Veränderung[655] in den Vermögensverhältnissen einzelner C-inhaber herbeiführt. Ähnliche Erscheinungen werden hervorgerufen in politisch ruhigen, die Hoffnung auf zukünftigen Gewinn fördernden, d.h. speculationssüchtigen Zeiten, durch übermäßige Anspannung des Unternehmungsgeistes, welcher, indem er das C. anlockt, den Producenten zur Ansammlung desselben keine Zeit läßt u. das in rentabeln Unternehmungen arbeitende, d.h. sich durch Zu- u. Abgang in fortwährender Umbildung befindliche Betriebscapital diesen entzieht, um es in ein erst rentabel zu machendes Anlagecapital zu verwandeln. Eisenbahn-, Bank- u. andere Actiengesellschaften, wenn sie in größerer Anzahl zu derselben Zeit ihre Operationen beginnen, greifen störend in den geregelten Gang der C-bewegung ein, bis die eintretende Krisis gewaltsam das natürliche Verhältniß wieder herstellt. Das große C., welches den Markt beherrscht, alle großen u. viele Arbeitskräfte absorbirenden Unternehmungen ins Leben ruft u. aufrecht erhält, ist aus dem kleinen C. hervorgegangen u. bedarf des letzteren zu seiner fortwährenden Wiedererzeugung. Der Fabrikant zertheilt sein Waarencapital, dessen einzelne Theile in die Hände der kleinen Kaufleute (Detaillisten) u. Handwerker übergehen, während diese Ansammler des kleinen C-s für den Absatz an die eigentlichen Consumenten sorgen. Es liegt in der Natur der Handelsverhältnisse, daß das große C. sich verhältnißmäßig rascher vermehren muß, als das kleine, u. es läßt sich nicht leugnen, daß das große C. eine Anziehungskraft für das kleine besitzt, welche den wirthschaftlichen Ruin der Arbeiter u. des kleinen Gewerbes zur Folge haben müßte, wenn nicht gewisse Ausgleichungen stattfänden. Das große C. ist zu seiner Verwerthung gezwungen, große, die Gefahr des Verlustes vermehrende Anstrengungen zu machen, welche die industrielle Thätigkeit des ganzen Volkes hebt, die Arbeit gesucht macht, also auch den Werth derselben u. die Fähigkeit des Arbeiters, ein C. zu sammeln, erhöht. Die C-ansammlungen der Arbeiter geben diesen die Macht, vereinigt ebenfalls als Capitalist aufzutreten u. eine Handelsunternehmung ins Leben zu rufen, welche um so gedeihlicher werden muß, als dabei eine Association der Arbeit u. des C-s zur Erreichung des gemeinsamen Zweckes der Neubildung des C-s stattfindet. Diese Art der C-bildung ist in neuerer Zeit schon oft mit Erfolg versucht worden. Als productive Kraft fordert das C. für seine Leistung eine Gegenleistung, wie der Arbeiter für seine Arbeit den Lohn verlangt. Diese Leistung ist der Capitalzins. Todte C-e nennt man solche, welche dem Inhaber keinen Zins tragen, also unproductiv angelegt sind. Die Besitzer von Capitalen, welche aus der Vermiethung derselben ein Geschäft machen, so daß sie es dem Unternehmungsgeiste u. Talente des Miethers überlassen, Gewinn daraus zu ziehen, bezeichnet man mit dem Namen Capitalisten od. Rentiers. Sie nützen der Gesellschaft nicht nur dadurch, daß sie indirect die Productionskraft des Volkes vermehren, sondern in vielen Fällen auch dadurch, daß sie ihre eigne Thätigkeit einem rein geistigen Gebiete zuwenden u. ihre Muße mit wissenschaftlichen u. künstlerischen Bestrebungen ausfüllen, Das productiv angelegte C. muß außer einem Äquivalent für die aufgewandte Arbeit dem producirenden Inhaber auch den Zins abwerfen, den er als Capitalist, d.h. als sein eigner Gläubiger, zu beanspruchen hat. In diesem Falle heißt der Zins Capitalgewinn od. Ca, pitalrente. Naturgemäß strömt das C. solchen Unternehmungen zu, welche eine hohe Rente versprechen, bis Concurrenz od. andere Verhältnisse die Rente herabdrücken u. der Strom eine andere Richtung einschlägt. So entzieht die Aussicht auf eine hohe Rente bei industriellen Unternehmungen dem Feldbau das C., bis dieser, durch höhere. Preisnormirung seiner Producte rentabler geworden, die Rentner von Neuem anlockt. Die höhere od. geringere Verwerthung der C-e wird häufig auch durch das größere od. geringere Risico bedingt, da sichere C-anlagen naturgemäß gesuchter sind, als solche von zweifelhafter Sicherheit, Angebot u. Nachfrage aber über den Werth jeder Waare, als welche hier auch das C. zu betrachten ist, entscheidet. Im Allgemeinen wird der C-zins sich desto niedriger stellen, je größer der Wohlstand eines Volkes, da um so viel weniger Bedarf an C. vorhanden ist. – Jedes Geschäft, sobald es eine mechanische Fertigkeit od. geistige Kenntnisse voraussetzt, bedarf eines Vorbereitungscapitals, d.h. einer Summe, welche verzehrt wird, ehe die producirende Kraft Gewinn bringt. Das C. hat sich dabei in einen geistigen Besitz verwandelt u. wird aus diesem wieder erzeugt. In jedem Geschäfte erscheint das angesammelte C. in der Form des Anlage od. stehenden C-s u. in der des umlaufenden od. Betriebscapitals (s.d.). Die Idee einer Capitalsteuer, mit welcher neuere Finanzpolitiker aufgetreten sind, indem sie darin eine gerechtere Vertheilung der Steuerlast erblicken wollten, erscheint, abgesehen von der Schwierigkeit der Schätzung, wenn man dabei nicht tief in private Verhältnisse eingreifen will, deshalb unzweckmäßig, weil jede Besteuerung auf den Preis der Waare influirt, mit welcher der davon Betroffene handelt, indem dieser dem Consumenten, wenigstens theilweise, die Steuerlast aufbürdet. So würde eine Besteuerung des C-s eine Erhöhung des Zinsfußes zur Folge haben, namentlich wenn ein Theil des besteuerten C-s nach anderen Staaten auswanderte, wo es der Steuer nicht unterworfen wäre, u. so eine Geldtheuerung herbeigeführt würde.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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