Delos

Delos

Delos, 1) (a. Geogr.), die mittelste u. kleinste der Kykladen des Archipelagus; ein Eiland vom Gebirg Kynthos (jetzt Castro) von Norden nach Süden durchzogen u. von dem Bach Inopos bewässert; die Delier züchteten Hühner, verfertigten schöne Triclinien, bereiteten Bronce u. trieben mit daraus gefertigten Gefäßen starken Handel. Seit der Reinigung der Insel von allen Leichnamen, 422 v. Chr. durch die Athener, wurden die Leichen nach der benachbarten größeren, mit D. politisch verbundenen Insel Rhenea gebracht, u. hier enstand mit der Zeit eine Stadt; 2) offene Stadt auf der Ostküste, mit Hafen u. starkem Handel, bes. seit der Zerstörung Korinths; hier Tempel des Apollo, darin der Altar Keraton, der angeblich von dem jungen Apollo aus lauter rechten Bockshörnern geflochten war u. nach welchem das Delische Problem (s.d.) benannt ist. In dem Tempel, mit welchem ein Orakel verbunden war, wurde später der Bundesschatz der Griechen zur Erbauung u. Erhaltung einer gemeinschaftlichen Flotte gegen die Perser (s. Griechenland, Gesch.) niedergelegt. Alle Frühjahre kamen die Bewohner der Kykladen hierher u. feierten dem Apollo Feste u. Kampfspiele. Das große Delische Fest (Delia) wurde alle 4 Jahre gefeiert u. von allen Hellenen beschickt, bes. von den Athenern, von Theseus herab bis auf Demetrios Phalereus; die Gesandten, welche die Theoria (s.d.) dahin führten, hießen Deliastä; das Schiff, auf welchem sie fuhren, hieß Delias u. war dasselbe, auf welchem einst Theseus (s.d.) nach Kreta gefahren war; 3) (Dili od. Dhiles, n. Geogr.), Insel im Gouvernement Syros (Griechenland), 17/10 QM., ist das alte D., jetzt unbewohnt, voller Ruinen, Schlangen u. Scorpionen; die durch eine schmale Meerenge getrennte Insel Groß-D. (Rhenea, Rhene) hat einen Hafen (besucht von Seeräubern), ist auch unbewohnt, bringt aber viel Mastix u. Terpentin. 4) (Gesch.). D., Anfangs Ortygia genannt, war zuerst von Karern u. Phönikern bewohnt; nach der Sage ließ sie Zeus od. Poseidon durch einen Stoß mit dem Dreizack aus den Fluthen auftauchen, um der, von Zeus geliebten u. von Here umhergetriebenen Leto eine Stelle, wo sie gebären könnte, zu bereiten; nach Anderen aber wurde D., vorher im Meere umhergetrieben, erst im Meeresgrunde befestigt, nachdem Leto sie betreten hatte. Auf dem Berge Kynthos gebar sie dann den Apollo u. die Artemis, u. die Insel blieb dem Apollo fortan heilig. Den Tempel auf D. gründeten Dorer, welche sich hernach auf Kreta niederließen; daher auch in der Folge die Kreter hier eine Art Oberherrschaft übten.[822] wenigstens wird der Priester Anios, Sohn Apollons u. der Rhöo, ein Statthalter des Rhadamanthys auf D. genannt; seinen Sohn Thasos zerrissen seine eigenen Hunde, weshalb verboten wurde, Hunde auf der Insel zu halten. Aus dem Hyperboräerlande kamen dann die Jungfrauen Arge u. Opis, darauf Hyperoche u. Laodike u. mit den Letzteren fünf Männer (Perpherces, od. Amallophoroi od. Utophoroi), die in Weizenstroh gewickelte Heiligthümer mitbrachten. Die durch die Jungfrauen von den Hyperboräern nach D. gebrachten Gaben galten als Tribut für Eileithyia, welche der Leto im Kreisen beigestanden hatte, u. jene Tribute dauerten fort. Als Mittelpunkt der Kykladen wurde D. später Sitz des Amphiktyonenbundes (s.d.). Unter den Söhnen des Kodros ließen sich Ioner aus Athen auf D. nieder, zu denen ebendaher 506 v. Chr. neue Colonisten zogen. Die Perser auf ihrem Zuge gegen Griechenland schonten D. wegen seiner Heiligkeit. Bis 460 v. Chr. wurde der hellenische Bundesschatz in D. aufbewahrt u. hier die Bundesversammlungen gehalten. 422 wurde, nachdem schon Pisistratos einmal die Insel gereinigt hatte, eine zweite Reinigung vorgenommen u. alle Leichname von hier entfernt u. fortan keine Leiche mehr hier begraben. Eben so wurden damals alle schwangeren Weiber bis nach ihrer Niederkunft von der Insel verwiesen. Wenn auch nach u. nach sich die Heiligkeit der Insel minderte, so nahm doch der Handel daselbst einen immer größeren Aufschwung, bes. seitdem die Römer den Hafen von T. zum Freihafen gemacht hatten, u. (146 v. Chr.) nach der Zerstörung Korinths zog sich der Haupthandel Griechenlands hierher, bes. bedeutend war der Sklavenhandel. In dem Mithridatischen Kriege (89–94 v. Chr.) schickte der athenische Tyrann Athenion den Apelliko nach D., um sich des Tempelschatzes zu bemächtigen, doch wurde er von dem römischen Prätor Orbius noch vor der Landung geschlagen. Darauf kam der pontische Feldherr Menophanes (Metrophanes), entvölkerte die Insel, zerstörte die Stadt D. mit dem Heiligthum u. führte den Tempelschatz fort. Nun besetzten die Römer die Insel, u. noch Dolabella machte hier eine reiche Beute an Kunstschätzen aus den Tempeltrümmern. Später kam D. wieder an Athen, konnte aber seine frühere Blüthe nicht wieder erlangen, sondern verfiel mehr u. mehr. Auch die Colonie, welche Kaiser Hadrian hinschickte u. welche die Stadt Olympiäon baute, hatte keine Fortschritte, u. die Insel blieb mit Rhene von da wüst u. menschenleer. Vgl. Schwenck, Deliaca, Frankf. 1845; Schläger, Pauca q uaedam de rebus Deli, Mitau 1840.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Delos — Ruinen auf Delos Gewässer Mittelmeer Inselgruppe …   Deutsch Wikipedia

  • Délos — Delos Ruinen auf Delos Gewässer Mittelmeer Inselgruppe Kykladen …   Deutsch Wikipedia

  • Delos — Délos  Ne doit pas être confondu avec Delos (entreprise). Délos Δήλος (el) Géographie Pays …   Wikipédia en Français

  • DÉLOS — Petite île aride de l’archipel des Cyclades, Délos porte encore les traces d’un habitat du DÉLOS IIIe millénaire, mais rien n’indique qu’il s’agisse d’une implantation carienne comme le pensait Thucydide (I, VIII). On connaît fort peu la période… …   Encyclopédie Universelle

  • Délos — Δήλος (el) Panorama Géographie Pays …   Wikipédia en Français

  • DELOS — is a Network of Excellence (NoE) on Digital Libraries partially funded until the end of 2007 by the European Commission Sixth Framework Programme within the Information Society Technologies Programme (IST). As a matter of fact, the activities of… …   Wikipedia

  • DELOS — DELOS, a small island in the Cyclades, measuring just 3 miles (5 km.) north to south and nearly 1 mile (1.3 km.) east to west. Its earliest occupation dates to the third millennium B.C.E. The mythological birthplace of Apollo and Artemis, it had… …   Encyclopedia of Judaism

  • DELOS — Ins. maris Aegaei, Cycladum omnium clarissima, in quâ Latona Apollinem ac Dianam dicitur enixa, unde Diis illis sacrata putatur, tantumque religionis ei semper fuit, ut ne Persae quidem, quevum bellum toti Graeciae, Diis hominibusque indixissent …   Hofmann J. Lexicon universale

  • Delos — Delos, estable y visible, isla del mar Egeo también llamada Lagia, isla de las liebres; Ortigia, isla de las codornices; Cintera o Pelasgia. En la mitología clásica se dice que había sido una isla flotante, pero Zeus la fijó para establecer en… …   Enciclopedia Universal

  • Dēlos — (jetzt Mikra Dili, »Klein D.«), eine der Kykladen im Ägäischen Meer, ein schmaler, flacher, 5 qkm großer Granitrücken mit dem Berg Kynthos (106 m), jetzt verödet, war im Altertum blühend als Sklavenmarkt und durch sein Nationalheiligtum der… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Delos — Nom porté dans les Pyrénées Orientales, en Vallespir (Prats de Mollo). Sa signification est incertaine. On peut penser à celui qui est originaire d une localité appelée Alos, nom d une commune de l Ariège (également 81, 64) et de deux villages de …   Noms de famille

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”