Feuerbach [2]

Feuerbach [2]

Feuerbach, 1) Johann Peter v. F., geboren 1761 in Wetzlar, Sohn eines Strumpfwirkers, studirte seit 1782 in Göttingen die Rechte, wurde 1789 Consulent in dem schwäbischen Rittercanton Kocher, 1806 Occupationscommissär in Ehingen, 1808 geheimer Legationsrath bei dem württembergischen Cabinetsministerium, saß 1815 mit auf dem Wiener Congreß, wurde in demselben Jahre Gesandter am Bundestage, 1820 wirklicher Ministerialdirector im Departement der Auswärtigen Angelegenheiten u. 1821 Mitglied des Geheimen Rathes; er st. 18 Jan. 1825. 2) Paul Joseph Anselm Ritter v. F., geb. 4. November 1775 in Frankfurt a. M., studirte seit 1794 Rechtsphilosophie in Jena u. begann daselbst als Privatdocent Vortesungen zu halten, wurde Mitarbeiter am Spruchcollegium u. 1801 Professor des Lehnrechts; 1802 folgte er einem Rufe nach Kiel u. 1804 nach Landshut, wo er Professor des Civil- u. Criminalrechts wurde. Hier in unfriedliche Verhältnisse mit einem seiner Collegen gerathen, gab er seine Professur auf u. fand 1808 einen neuen Wirkungskreis als geheimer Referendar des baierischen Justizministeriums, welches ihn mit der Bearbeitung eines neuen Strafgesetzbuches für Baiern betraute. 1808 Geheimer Rath geworden erhielt er den Auftrag auch ein Civilgesetzbuch für Baiern zu entwerfen u. nahm seit 1810 Theil an der Ausarbeitung der Constitution. Indessen wurde ihm auch diese Stellung durch den Neid seiner Gegner verbittert, welche 1813 Veranlassung nahmen, ihn wegen einer gegen Napoleon gerichteten Schrift bei dem Ministerium u. dem Könige in Mißcredit zu bringen. Infolge dessen wurde er nach Bamberg als Vicepräsident des dortigen Appellationsgerichts versetzt u. bald darauf erhielt er seine Ernennung zum Präsidenten des Appellationsgerichts zu Ansbach. Im Jahre 1821 bereiste er den Rhein, Belgien u. Frankreich, um das französische Recht aus der Praxis kennen zu lernen. Im Interesse des Rechts nahm er sich auch der Sache Kaspar Hausers an, ließ sich aber dabei zu manchen unvorsichtigen Äußerungen hinreißen. Schon lange kränkelnd starb er 29. Mai 1833 in Frankfurt a. M. Er üble durch seine Schriften u. seine Wirksamkeit einen bedeutenden Einfluß auf die Entwickelung des Rechts, namentlich des Strafrechts. Von seinen ursprünglich lebhaft vertheidigten Theorien, welche das freie Ermessen der Richter zur Feststellung des Strafmaßes beeinträchtigten u. eine rigoristische Anwendung der Strafe bedingten (die sogenannte Abschreckungstheorie) kam er in späteren Jahren, durch die Praxis belehrt, zurück u. arbeitete deshalb eine Reihe von Verbesserungen zu seinem Strafrecht aus. Sein großes Unternehmen einer Darstellung der Universalgeschichte des Rechts blieb unvollendet. Er schrieb: Über die einzig möglichen Beweisgründe gegen das Dasein u. die Thätigkeit des natürlichen Rechts, Lpz. 1795; Kritik des nat. Rechts, Altenb. 1796; Antihobbes, od. über die Grenzen der bürgerlihen Gewalt u. das Zwangsrecht der Unterthanen gegen ihre Oberherrn, Erf. 1798; Über das Verbrechen des Hochverraths, ebd. 1799; Über die Strafe als Sicherungsmittel vor künftigen Beleidigungen des Verbrechers, Chemnitz 1799; Revision der Grundsätze des positiven peinlichen Rechts, Jena 1799, 2 Bde.: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, Gieß. 1801, 14. Aufl. herausgegeben von E. I. A. Mittermaier, ebd. 1847; Civilistische Versuche, ebd. 1803; Kritik des Kleinschrodschen Entwurfs eines peinlichen Gesetzbuches für die baierischen Staaten ebd. 1804, 3 Bde.; Über Philosophie u. Empirie in ihrem Verhältnisse zur positiven Rechtswissenschaft, Landsh. 1804; Merkwürdige Criminalrechtsfälle, Jena 1808, 2 Bde., 3. Aufl. ebd. 1839; Strafgesetzbuch für das Königreich Baiern, Münch. 1813 Betrachtungen über das Geschwornengericht, Landsh. 1813; Über Öffentlichkeit u. Mündlichkeit gerichtlicher Verhandlungen, Gießen 1821–25, 2 Bde.; Actenmäßige Darstellung merkwürdiger Verbrechen, ebd. 1828 f., 2 Bde., 3. Aufl. Frankf. 1849; Kleine Schriften vermischten Inhalts, Nürnb. 1832, 2 Abth. Gab auch mit Harscher von Almendingen u. Grolmann heraus: Bibliothek der peinlichen Rechtswissenschaft u. Gesetzkunde, Gött 1800 ff. Sein Leben beschrieb sein Sohn Ludwig F., Lpz. 1852, 2 Bde. 3) Fr. Anselm, ältester Sohn des Vor., geb. 1798 in Jena, studirte seit 1817 in München, dann in Heidelberg Theologie u. Philologie, wurde 1825 Lehrer am Gymnasium in Speier, wo er seine schriftstellerische Thätigkeit auf dem Gebiete der Ästhetik u. Archäologie begann. Von hier ging er 1836 gis Professor der Philologie nach Freiburg i. Br., wo er 7. Sept. 1851 st. Er schr. u.a.: Der Vaticanische Apollo, Nürnb. 1833, 2. Aufl. Stuttg 1855; seine Nachgelassenen Werke gab seine zweite Gattin, Henriette F. u. H. Hettner, Braunschw. 1853, 4 Bde., heraus (1. Bd. enthaltend: Lebensbeschreibung, Briefe u. Gedichte; 2. u. 3. Bd.: Geschichte der griechischen Plastik; 4. Bd.: Kunstgeschichtliche Abhandlungen). 4) Ludwig, Bruder des Vorigen, geb. 1804 in Ansbach, studirte seit 1822 in Heidelberg Theologie, seit 1825 in Berlin Philosophie, wurde 1828 Privatdocent in Erlangen, zog sich aber nach einigen Jahren ins Privatleben zurück, um ganz seinen schriftstellerischen Arbeiten zu leben. Nur kurze Zeit docirte er 1844 öffentlich an der Universität in Heidelberg. Er ist einer der Hauptvertreter der Junghegelschen Schule. Er schr.: Gedanken über Tod u. Unsterblichkeit aus den Papieren eines Denkers, Nürnb. 1830: Abälard u. Heloise, Ansb. 1833; Über Philosophie u. Christenthum, in Beziehung auf den der Hegelschen Philosophie gemachten Vorwurf der Unchristlichkeit, ebd. 1839; Geschichte der neueren Philosophie, ebd. 1833–37, 2 Thle.: Pierre Bayle, ebd. 1838; Kritiken auf dem Gebiete der Philosophie, ebd. 1835, Das Wesen des Christenthums, Lpz. 1841, 2. Aufl. 1843; Das Wesen der Religion, 2. Aufl. 1849; Theogonie, Lpz. 1857; Sämmtliche Werke, 1846–57, 9 Bde.; Anselm von F-s Leben u. Wirken, ebd. 1852, 2 Bde.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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