Infanterie

Infanterie

Infanterie kommt nach Einigen aus dem Romanischen, namentlich dem Spanischen, indem in alter Zeit in Spanien Infanciones die Kinder der Soldaten (Ritter) hießen, welche noch nicht selbst Ritter waren od. den Gegensatz zu den Rittern (Cavalleros) bildeten; nach Andern aus dem Germanischen, wo fant, vent einen jungen unverheiratheten Menschen, einen Burschen, im Kriegswesen den Knecht eines Ritters bedeutete), diejenige Abtheilung eines Kriegsheeres, welche zu Fuß ficht (daher Fußvolk, früher Fußzeug). Diese Waffengattung besitzt das günstigste Verhältniß ihrer Vorzüge zu ihren Mängeln, weshalb sie in der Gegenwart auch die Hauptmasse aller Armeen bildet. Sie kann den Kampf in der Nähe, wie in der Ferne, in geschlossener Masse, wie in aufgelöster Linie führen; sie ist gegen jede andere Waffe am meisten widerstandsfähig, fast zu jeder kriegerischen Verwendung geeignet, in jedem Terrain zu gebrauchen, am schnellsten auszubilden, am wohlfeilsten auszurüsten u. hat die wenigsten Bedürfnisse. Zwar ist ihre Schnelligkeit viel geringer, ihr Massenangriff nicht so ungestüm u. gewaltig, als bei der Cavallerie; ihre Waffenwirkung reicht nicht so weit, als die der Artillerie,[902] noch hat sie deren Percussionskraft: aber sie ist auf die Dauer u. sehr große Entfernungen schneller als Cavallerie, u. Geschütz, wenn es nicht unangreifbar aufgestellt od. durch andere Truppen gesichert ist, vermag sich gegen die Schützen der I. nicht zu behaupten. Zudem endlich können feste Posten (künstliche wie natürliche) meist nur durch einen geschlossenen Infanterieangriff genommen werden. In der freien Ebene ist die Cavallerie, u. da wo sie sich in dichten Massen bewegen muß, die Artillerie ihr gefährlichster Feind. Die Kleidung der Infanteristen ist gegenwärtig in den meisten Armeen der Waffenrock u. Pantalons; die frackähnliche Uniform, sowie die enganschließenden Beinkleider sind ihrer Unzweckmäßigkeit halber fast allerwärts beseitigt worden. Die Kopfbedeckung besteht meist aus einem Helm (Pickelhaube) od. Käppi; seit dem Dreißigjährigen Kriege hatte der Hut den Helm verdrängt, zuerst auf einer, dann auf zwei, zuletzt auf drei Seiten in die Höhe gekrämpt; an Stelle des Hutes war dann der Czako getreten. Die Fußbekleidung sind Stiefeln od. Schuhe, letztere meist mit Kamaschen. Die Hauptwaffe der I. ist jetzt das Bayonnetgewehr, fast allgemein mit gezogenem Lauf; die Jäger u. Schützen führen Büchsen, an welchen die Hirschfänger zum Aufstecken eingerichtet sind. Die Vorschläge, die man gemacht hat, das erste Glied mit Piken zu bewaffnen, haben bis jetzt nirgends Eingang gefunden. Außerdem führt der Infanterist in den meisten Armeen als Seitengewehr ein Faschinenmesser, nur selten noch den weniger zweckmäßigen Säbel. Schutzwaffen hat die I. gegenwärtig nicht mehr; einigen Schutz verleiht nur der Mantel, wenn er en bandelier getragen wird, sowie das Riemenzeug, an welchem der Tornister, die Patrontasche u. das Seitengewehr getragen werden. Patrontasche u. Seitengewehr werden jetzt meist an einem ledernen Kuppel um den Leib getragen, da das früher übliche Bandelier nicht nur die Bewegung hemmte, sondern auch die Brust beengte Die Lebensmittel führt der Infanterist in einem leinenen Brodbeutel mit sich, od. in dem am Tornister befestigten Kochgeschirr, wo ein solches dem einzelnen Manne gegeben ist; zum Mitführen von Getränken dient die Feldflasche. Selbstverständlich hat sich zu allen Zeiten die Ausrüstung der I. nach der Art der Kriegführung richten müssen. Obgleich nun die dermalige Ausrüstung der I. mit den gesteigerten Ansprüchen der heutigen Kriegführung Schritt zu halten versucht hat, indem man namentlich im Gegensatz zum vorigen Jahrh. das Princip der Zweckmäßigkeit meistens voranstellte, so haben doch die jüngsten Kriege wiederum Veranlassung geboten, neue Veränderungen in Aussicht zu stellen. Namentlich verlangt man eine bedeutende Erleichterung des Gepäcks des Infanteristen u. an Stelle der Helme eine leichtere Kopfbedeckung. Als allgemeine Anforderungen an eine gute I. kann man bezeichnen: Übung im Manövriren, Sicherheit im Schießen, Vertrauen zum Gebrauche des Bayonnets u. namentlich auch Ausdauer im Marschiren. Man theilt die I. in Linieninfanterie, die Hauptmasse der I., welche in der Linie zu fechten, durch Angriffe mit dem Bayonnet zu entscheiden u. Stürme zu unternehmen bestimmt ist, u. welche wieder in Grenadiere u. Musketiere (s. b.) getheilt wird; u. in Leichte I., die mehr zu den Vorpostendiensten, dem Patrouiliren, Tirailliren bestimmt ist, u. zu welcher Füseliere u. die Schützen u. Jäger (s.d. a.) gehören. Indessen muß jetzt eine geübte Linieninfanterie eben sowohl zum Tirailliren geübt u. zum Vorpostendienst zu gebrauchen sein, als leichte I. in der Linie zu fechten verstehen u. Bayonnetangriffe, Stürme etc. auszuführen wissen muß. Nur die mit Büchsen bewaffneten Jäger werden nie in der Linie, sondern nur in zerstreuter Ordnung gebraucht. Die I. ist jetzt überall in Bataillons (s.d.) getheilt, u. diese zerfallen in Compagnien u. diese in Züge (Pelotons). Mehrere (2–3, ja zuweilen wohl 4 u. 5) Bataillons bilden ein Regiment, mehrere Regimenter eine Brigade (s.d., vgl. Division). Die Taktik der I. läßt drei Stellungsarten zu: in Linie, wo die I. eine Linie von drei (zwei) Gliedern bildet; in Colonne, wo mehrere aus drei Gliedern bestehende Linien dicht hinter einander stehen u. die bes. bei Bayonnetangriffen zum Schutze gegen Cavallerie anwendbar ist (s. Colonne u. Quarré); u. in zerstreuter Ordnung (s. Tirailliren).

Die I. ist die älteste Truppengattung. Die ersten Streiter kämpften zu Fuß u. waren mit Spießen u. Schwertern od. mit Schleudern, Bogen u. Pfeilen bewehrt. Der Gebrauch dieser Fernwaffen veranlaßte die Einführung von Schutzwaffen, welche Anfangs nur Schilde (s.d.) waren, aus Flechtwerk mit Thierhäuten überzogen, später Schilden. Helme, wohl auch Brustharnische von Metall. Die in solcher Weise schwer Gewappneten suchten der Natur der Sache nach mit der blanken Waffe das Nahgefecht, die Ungewappneten führten das Ferngefecht, so entstand schon im frühen Alterthume schwere u. leichte I. Bei den Griechen bildeten die schwere I. die Hopliten (s.d.), auch Phalangiten genannt, weil sie in der geschlossenen Phalanx kämpften; die leichte I., die Gymneten od. Pfilen, welche sich wieder theilten in Akontisten (Speerschützen), Peltasten (mit einem kleinen Schild), Sphendoneten (Schleuderer) u. Taxoten (Bogenschützen). Bei den Römern waren die Schwerbewaffneten die Triarier, die Hastaten u. die Principen, die Ersteren mit dem Spieß, die beiden Letzteren mit einem schweren Wurfspieß (Pilum) bewaffnet; u. die Veliten bildeten die. leichte I., bewaffnet mit leichten Wurfspießen. Ähnlich stellt sich auch bei andern Völkern des Alterthums das Verhältniß dar, selbst bei den Orientalen u. Germanen. Dabei tritt hier u. da jedoch auch das Bestreben auf, die beiden Gattungen I. in einer einzigen, gleich geschickt zum Nah- u. Fernkampf, zu vereinen, so die geworbenen Peltasten des Iphikrates u. noch mehr, als Marius die gesammte römische I. mit dem schweren Wurfspieß ausrüstete. Unter den späteren römischen Kaisern verfiel die I. vollständig; in der Berührung mit den asiatischen Völkern hatte man allmälig den Bogen als Hauptwaffe angenommen. Da zu derselben Zeit auch größere Kriegsmaschinen in allgemeine Anwendung kamen, waren die ehemaligen dichten Schlachthaufen in lange, dünne Linien umgeändert worden, welche durch künstliche Annäherungshindernisse sich gegen die Angriffe der immer gefährlicher werdenden Cavallerie deckten. Während der ersten Jahrhunderte des Mittelalters sank sodann das Fußvolk in den Kämpfen zu immer geringerer Bedeutung herab, bis es nach dem Tode Karls des Großen gänzlich verschwand, u. nur noch durch die abgesessene Rei[903] terei ersetzt wurde. Erst nach den großen Erfolgen, welche die Schweizer gegen die geharnischten Reiter Österreichs u. Burgunds errungen hatten, gelangte die I. wieder zu Ehren. In Deutschland entstanden Landsknechte (s.d.), von deren Errichtung an man die Geschichte des neueren Fußvolks datiren muß. Die absoluten Monarchien, welche sich nach dem Verschwinden des Lehns- u. Ritterwesens erhoben, nahmen meist Landsknechte als stehende Truppen in Sold, u. so wurde mehr u. mehr Sorgfalt auf die Ausbildung der I. verwendet. Während der kleinere Theil, Schützen mit Feuergewehren (Arkebusiere), als Tirailleurs zur Einleitung der Gefechte verwendet wurde, fiel den mit einem Spieß bewaffneten Pikenieren, die in dichte Haufen formirt die Hauptmasse der I. bildeten, der Entscheidungskampf anheim. Wie im Alterthum, hatte sich so die I. wieder in eine leichte u. schwere gesondert Als nun die Zahl der Schützen sich im Verhältnisse zu den Pikenieren zu sehr vermehrte, stellten die Führer die Schützen auf die Ecken der Pikeniere, wodurch jedoch das offensive Element der I. wesentlich gelähmt wurde. In Folge dessen wurde nun vorzugsweise wiederum die Reiterei, welche bedeutend vermehrt worden war, zur Offensive verwendet. Erst als man gelernt hatte, die Feuerwaffe leichter u. besser herzustellen, so daß sie sich zu einer brauchbareren Waffe für das Fußvolk eignete, änderte sich dieses Verhältniß wieder zu Gunsten der I. Die Arkebusiere verschwanden, an ihre Stelle traten die Musketiere u. zu diesen kamen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. noch die Grenadiere hinzu, Musketiere, welche außer der Muskete noch eine Anzahl Handgranaten führten, um dieselben namentlich bei Vertheidigung u. Belagerung der Festungen in den Feind zu schleudern. Während sich bei der allgemeineren Annahme der Feuergewehre nach u. nach die tiefen Stellungen der I. von 12 auf 6, sodann auf 3 Glieder vermindert hatten, war durch die Einrichtung des Bayonnets an den Gewehren die Pike überflüssig geworden, u. die Pikeniere verschwanden gegen Ende des 17. Jahrh. aus den Armeen. Da auch die Grenadiere allmälig ihre Granaten verloren, wegen des geringen Nutzens, den sie brachten, so gab es nach dem ersten Viertel des 18. Jahrh. thatsächlich nur noch eine Gattung I., nämlich mit Bayonnetflinten (Fusils) bewaffnete Füsiliere, obgleich einzelne Regimenter derselben, meist äußerer Abzeichen halber, die Namen Musketiere u. Grenadiere führten. Die Grenadiere waren allerdings meist auserlesene Mannschaften, wovon bis heute der Name Grenadier gleichbedeutend mit Elite-Infanterist geblieben ist. Insofern die Füsiliere des 18. Jahrh. durch die Bayonnetslinie gleich geeignet zum Nah- wie zum Ferngefecht u. ohne alle Schutzwaffen waren, bildeten dieselben eine wahre Mittelinfanterie u. hätten bald als schwere, bald als leichte I. verwendet werden können; aber die geschlossene Ordnung in Linien war jetzt die einzig gebräuchliche. Sehr bald stellte sich im Kriege jedoch das Bedürfniß heraus, eine I. zu besitzen, welche zu dem sogenannten kleinen Kriege geeignet sei, u. so entstanden die Legionen der Franzosen, sowie die Freibataillone, später Freiregimenter Friedrichs des Großen, die man im Gegensatze zu der (schweren) Linieninfanterie nun leichte I. nannte, ohne daß aber dafür ein anderer Grund als die Verwendung vorhanden gewesen wäre.

Noch mehr trat diese Art der Unterscheidung hervor, als durch die Amerikanischen Freiheitskriege, sowie die Kriege Frankreichs zu Ende des 18. Jahrh., das Tirailleurgefecht in ausgedehnter Weise zur Anwendung gekommen war. Obgleich alle I. gleich schwer od. gleich leicht bewaffnet u. ausgerüstet war, nannte man doch diejenige leicht, welche vorzugsweise in zerstreuter, diejenige schwer, welche bes. in geschlossener Ordnung zu kämpfen bestimmt war, höchstens daß theilweise in der Auswahl der Leute für die beiden Gattungen der I. ein Unterschied gemacht wurde, indem man die gewandtesten Mannschaften, namentlich Bergbewohner etc. der leichten I. zuwies. Jedoch schon in den Napoleonischen Kriegen hatte sich selbst dieser Unterschied der Verwendung verwischt, die Franzosen, wie alle andern Mächte, verwandten ihre leichten Truppen ebensowohl geschlossen, als zerstreut. Nur die in einigen Armeen errichteten Scharfschützen, mit Büchsen bewaffnet, machten hiervon eine Ausnahme. Übrigens waren diese Scharfschützen allerwärts verhältnißmäßig gering an Zahl, u. man konnte daher trotz ihres Bestehens sagen, daß es nur eine Gattung I. gäbe, wenn dieselbe auch bald als Tirailleurs, bald in tiefen Colonnen verwendet wurde. Die Erfindung u. Einführung des Percussionsgewehres brachte darin keine Änderung hervor. Erst vom Jahre 1840 an, als die Franzosen ihre Jägerbataillone (Chasseurs à pied) zu errichten begonnen hatten u. gleichzeitig das Streben auftrat, ein Infanteriegewehr zu erfinden, welches sich als Muskete laden u. als Büchse abschießen ließ, nahmen die Dinge eine andere Gestalt an, indem nun sowohl die verschiedenen Einrichtungen der Gewehre, als die Art der verschiedenen Ausbildung der mit diesen Gewehren bewaffneten I. zu einer mehr als zweifachen Theilung hinreichende Veranlassung bot. So hat man neuestens die I. eingetheilt in Linieninfanterie, leichte I., Scharfschützen u. Reserveinfanterie. Wenn man jedoch als Ziel bei der Ausbildung im Auge behält, daß die gesammte I. der Vortheile der neuen gezogenen Gewehre theilhaftig werden soll, so dürfte anzunehmen sein, daß dennoch wiederum über kurz od. lang der Unterschied verschwinden u. man zu der einen I. gelangen wird, welche sich von der früheren nur durch die bessere Bewaffnung u. rationellere Entwickelung ihrer Bewegungsfähigkeit unterscheidet. Vgl. W. Rüstow, Geschichte der Infanterie, Gotha 1857.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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