Wachsbildnerei

Wachsbildnerei

Wachsbildnerei (Keroplastik), die Kunst plastische Gegenstände aus Wachs zu bilden. Es geschieht dies entweder durch das Bossiren (Wachsabdrücke, Wachsbossiren), od. durch den Guß. Am häufigsten wird diese Kunst angewendet zur Nachbildung von Früchten, Copien anatomischer Präparate, Puppengesichtern u. Puppenköpfen u. sogen. Wachsfiguren, d.h. Figuren von menschlichen Körpern, wobei jedoch nur die nackten Fleischtheile von Wachs sind, während die mit Kleidern bedeckten Theile ausgestopft sind. Meist stellen solche Figuren merkwürdige [724] Personen, Gruppen etc. dar; eine Sammlung derselben heißt ein Wachsfigurencabinet, mit welchem der Besitzer häufig umherreist u. dasselbe für Geld sehen läßt; doch gibt es auch stehende derartige Cabinete, unter denen das der Madame Tussaud in London das berühmteste ist; es wurde 1780 begründet, bis auf die neueste Zeit fortgesetzt u. enthält 300 Figuren. Das zu wächsernen Gegenständen benutzte Wachs (Bossirwachs) besteht bei dem eigentlichen Bossiren aus 4 Theilen Wachs, 3 Theilen weißem Terpentin, etwas Baumöl od. Schweinefett u. wird bei seiner Benutzung zu Modellen für kleinere Kunstgegenstände gewöhnlich mit Mennige, Zinnober od. Bolus roth gefärbt, um ihm die störende Durchsichtigkeit zu benehmen. Bossirwachs zu Wachsabgüssen wird dagegen mit Colophonium versetzt u. erhält, soll es roth werden, etwas Zinnober, soll es weiß bleiben, etwas Mastix u. Schieferweiß. Grünes färbt man mit etwas Grünspan (Grünes Bossirwachs). Beim Guß wächserner Gegenstände (Wachsabgüsse) hat man Wachsformen von Holz od. Gyps. Bei Herstellung der Gypsform für einen halb erhabenen Gegenstand legt man diesen auf ein glattes Bret, umgibt ihn ringsum mit einem Thonrande, welcher einen halben Zoll höher ist als der Gegenstand, u. gießt den so eingeschlossenen Raum mit Gyps aus, welchen man vorher mit Leim- od. gewöhnlichem Wasser zu einem dünnen Brei angemacht hat. Sobald der Gyps gebunden hat (erhärtet ist), kann man die Form leicht abnehmen. Will man hingegen einen vollen Gegenstand (Figur u. dgl.) abgießen, so muß die Form aus zwei Hälften bestehen; man umschließt daher zuerst den Gegenstand bis zur Hälfte seiner Dicke mit weichem Thon, macht eine Einfassung darum u. übergießt ihn mit Gyps; ist diese erste Form fest u. abgenommen, so schneidet man sie am Rande glatt, macht aber einige Einschnitte in den Rand, damit an der andern Hälfte der Form Zapfen entstehen, bestreicht dann den Rand mit Baumöl u. gießt nun auch über die andere Seite des Gegenstandes Gyps. Ist der Gegenstand aus der Form genommen, so setzt man beide Hälften wieder zusammen u. schneidet wonöthig ein Gießloch hinein, durch welches das Wachs warm eingegossen wird. Soll die Wachsfigur massiv werden, so gießt man die im Innern mit Baumöl ausgestrichene Form mit Wachs voll u. läßt dieses darin erkalten; soll sie aber hohl werden, so gießt man die Form nicht ganz voll u. schwenkt das Wachs in ihr einige Male herum, indem man dabei das Gießloch mit dem Finger zuhält, u. wenn man vermuthet, daß eine Wachsschicht von der gewünschten Stärke erkaltet ist, so gießt man das übrige noch flüssige Wachs durch das Gießloch Hat der Gegenstand, welcher nachgebildet werden soll, sehr vorspringende od. untergreifende Theile, so müssen diese zuerst bes. (durch sogenannte Keile) geformt werden, worauf die Keile u. die noch freiliegenden Theile der Figur durch die allgemeine Form (den Mantel) in zwei od. mehr Theilen umschlossen werden; od. die Figur muß in mehren Stücken gegossen u. zu jedem Stücke eine besondere Form verfertigt werden, worauf die einzelnen Stücke der Figur zusammengelöthet, d.h. am Rande glatt beschnitten, an einander gesetzt, ein Streifen Wachs von gleicher Farbe darauf gelegt u. dieser mit einem herzförmigen, erwärmten Löthkolben glatt gestrichen wird. Kleine Fehler, welche beim Guß entstanden sind, müssen durch Bossiren verbessert werden. Dem zum Guß verwendeten Wachs gibt man meist die Grundfarbe des Gegenstandes, u. die übrigen Farben werden als Wasserfarben mit dem Pinsel od. mittelst gefärbten Wachses aufgetragen.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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