Cortes [1]

Cortes [1]

Cortes (span., von Curia, Hof). I. In Spanien die Versammlung, aus dem König u. den Ständen gebildet. A) Die ältesten C. bestanden seit der Einwanderung der Gothen in Spanien. Sie gingen aus einer Art Kriegsrath, dessen Präses der König war u. dem auch die Geistlichen beiwohnten, hervor. Später bestanden sie in Aragonien aus der Geistlichkeit, dem hohen u. niederen Adel u. den Städten, in Castilien aus der Geistlichkeit, Adel u. Städten. In den übrigen Provinzen bestanden die C. weniger ausgebildet u. mit weniger Freiheit. Sie entschieden über Gesetze u. Auflagen, welche nur, wenn sie dieselben billigten, gültig waren; man wendete sich, als höhere Instanz, an die C., die deshalb einen eignen Ausschuß (El iusticia) bildeten, u. erst wenn der König geschworen hatte, die Gesetze des Landes zu halten, leisteten die C. den Eid des Gehorsams.[469] Bei der Vereinigung von Castilien u. Aragonien 1479 wurde das Ansehen der C. unter Ferdinand u. Isabelle durch den Cardinal Ximenez sehr geschwächt, u. Karl V. ob die Castilischen C., welche sich weigerten, eine außerordentliche Steuer zu genehmigen, zu Toledo 1538 auf. Es wurden in Castilien weder Geistlichkeit noch Adel, sondern nur die Abgeordneten von 18 Städten als C. berufen, u. auch diese nur, um neue Auflagen zu billigen. Die Aragonischen C. schränkte Philipp II. 1591 ein; doch dauerten sie bis spät ins 17. Jahrh. Noch mehr wuchs diese Beschränkung der C., als das Bourbonische Haus nach dem Spanischen Erbfolgekriege den Thron bestieg. Zwar vereinte Philipp V. die C., welche nur durch Huldigungen bei Thronbesteigungen, ohnmächtige Vorschläge u. Erhebung der Steuern durch einen Ausschuß ihr Dasein bekundeten, aber 1713 wurden die C. zum letzten Male berufen, um das neue Erbfolgegesetz zu bestätigen; aufgehoben, nur noch bei Huldigungen, zuletzt 1789 bei Karls IV. Thronbesteigung. B) Als Napoleon Ferdinand VII. entthronte, ließ er das neue Grundgesetz von einer eiligst zusammenberufenen Junta von C. zu Bayonne annehmen. In der Constitutionsacte der neuen Dynastie war von C. die Rede, die aus 25 Erzbischöfen, 25 vornehmen Adeligen u. 122 aus dem Volke bestehen u. etwa nach Art des Senats von Paris handeln sollten. Sie traten aber nie in Wirksamkeit, eben so wenig die C., welche Napoleon später, um Adel u. Volk zu gewinnen, nach Art der älteren C. zu berufen sich erbot. Dagegen hatte Ferdinand VII. vor seiner Abreise nach Frankreich der organisirten Regentschaft das Recht gegeben, die C. zu berufen. Daher berief die Insurrectionsjunta zu Sevilla, als sie das Vertrauen der Nation verloren hatte, 18. Octbr. 1809 die C. u. ernannte im März 1810 eine Regentschaft. Jedes Kirchspiel ernannte einen Wähler u. diese wieder aus jeden 50,000 Seelen einen Abgeordneten, wozu noch ein Deputirter aus jeder Provinzialjunta u. einer von den Städten kam, die 1789 einen solchen zu den damaligen C. gesendet hatten. Die Wahlen gingen unter den Augen der Franzosen vor sich u. die C. wurden den 24. Septbr. eröffnet. Sie bestanden aus 182 Mitgliedern u. gaben Spanien die Verfassung vom 18. März 1812, welche mit der französischen von 1791 die größte Ähnlichkeit hatte, s. Spanisch-portugiesischer Befreiungskrieg u. Spanien (Gesch.). Diese außerordentlichen C. schlossen den 14. Septbr. 1813 ihre Sitzungen, eröffneten die ordentlichen C. u. verlegten deren Sitz Anfangs 1814 nach Madrid. Als Ferdinand VII. zurückkehrte, verwarf er die Constitution u. löste die C. auf (s. Spanien). Durch die Revolution von 1820 gezwungen, berief Ferdinand VII. am 7. März 1820 die C. nach der Constitution von 1812 (s. u. Spanien [Gesch.]). Diese traten am 9. Juni 1820 zusammen, aber durch politische Parteiungen, welche zum Bürgerkrieg führten u. auswärtigen Einfluß, bes. von Seiten Frankreichs, gehindert, vermochten sie nicht den Frieden u. die Ruhe im Lande wieder herzustellen; die Invasion der Franzosen im Sinne der Absoluten trieb die C. von Madrid nach Sevilla u., nachdem sie den König suspendirt hatten, nach Cadix, wo sie sich, von den Franzosen belagert, am 27. Septbr. auflösten u. den König freigaben, der nun den entschiedensten Absolutismus u. Ächtung der Cortesmitglieder eintreten ließ, s. u. Spanien (Gesch.). Als 1833 Ferdinand VII. starb u. ihm, der den 29. März 1830 geschehenen Aufhebung des Salischen Gesetzes zu Folge, seine Tochter Isabella unter Vormundschaft ihrer Mutter Marie Christine succedirte, mußte diese Unterstützung bei der liberalen Partei suchen, um dem Prätendenten Don Carlos die Spitze bieten zu können. Einer ihrer ersten Regierungsacte war daher die Berufung der C. am 20. Juni 1833, jedoch mit einiger Beschränkung der ihnen früher gewährten Befugnisse. Seitdem ist zwar die spanische Verfassung wieder mehreremal umgestoßen u. verändert, doch das Institut der C., bisher erhalten, ist seit dem Wiedereintritt des Ministeriums Narvaez 1856 zu einer völligen Bedeutungslosigkeit herabgesunken.

II. Die Portugiesischen C. haben mit den spanischen viele Ähnlichkeit; auch dort gab es A) im 13. Jahrh. alte C., jedoch mit weit geringeren Rechten als in Spanien. Sie gingen zu Ende des 15. Jahrh. gänzlich ein u. wurden erst B) 1640 bei der Thronbesteigung des Hauses Braganza bestätigt u. erhielten ihr Ansehen bis 1683, wo die Regierung unabhängig zu handeln begann u. seit 1697 keine C. mehr berief. C) Am 24. Aug. 1820 erhoben sich indeß die Behörden zu Oporto u. setzten die C. wieder ein. Am 15. Sept. traten diesen die Truppen in Lissabon bei, u. am 1. Oct. wurde in Lissabon eine Provisorische Junta zur Vorbereitung der Berufung der C. niedergesetzt. Diese aus 100 Gliedern zusammengesetzt, eröffneten den 26. Jan. 1821 ihre Sitzungen. Der König Johann VI. hatte den 27. Octbr. 1820 von Rio Janeiro aus die C. bestätigt u. willigte im Januar 1821 in die neu zu entwerfende Constitution. Diese wurde den 9. März 1821 in Lissabon publicirt. Der König beschwor die Constitution in Brasilien den 24. Febr. u. reiste bald darauf (26. April) nach Europa ab, wo er den 3. Juli anlangte u. seinen Schwur am 4. Juli wiederholte, s. Portugal (Gesch.). Ihre Wirksamkeit wurde durch eine Militärrevolution, welche den König den 30. Mai 1823 gewaltsam von Lissabon entführte, geschlossen. Englische Truppen vertrieben indeß bald darauf die Absolutisten u. stellten die C. wieder her. Don Miguel, Bruder des rechtmäßigen Erben Don Pedro u. Oheim von dessen Tochter, der zur Königin u. ihm zur Gemahlin bestimmten Donna Maria da Gloria, langte im Februar 1828 in Portugal an, berief die C. nicht wieder, u. erst, als derselbe seinem Bruder u. dessen Anhängern unterlag u. Portugal 1834 räumen mußte, wurden die C. von Don Pedro im Namen seiner Tochter wieder hergestellt; s. Portugal (Geogr.).


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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