Ephĕsos

Ephĕsos

Ephĕsos, eine der Zwölfstädte in Ionien (Kleinasien), lag am schiffbaren Kaystros, unweit des Meeres; mit vielen Prachtgebäuden, Citadelle auf einem Felsen u. einem geräumigen Hafen (Panormos), welcher E. zum Mittelpunkt des Handels für Kleinasien innerhalb des Taurus machte. Zwischen der Stadt u. dem Hafen lag das berühmte, unter die Wunderwerke der Welt gerechnete Artemision (Tempel der Diana); es war aus weißem Marmor mit 60 Fuß hohen monolithen ionischen Säulen; der Bau begann im 6. Jahrh. v. Chr durch Chersiphron von Knossos u. seinen Sohn Metagenes;[791] wurde aber erst um 400, nachdem er schon von anderen Architekten erweitert worden war, von Demetrios u. Päonios aus E. vollendet u. von allen Bildhauern Griechenlands ausgeschmückt; 356 v. Chr. von Herostratos, in derselben Nacht, wo Alexander der Große geboren wurde, angezündet, von den Ephesern durch Dinokrates erneuert u. erst, nachdem er von Barbaren wiederholt verbrannt worden war, unter Constantin dem Großen völlig zerstört (Hirt, Tempel der Diana von E., Berl. 1809) Die bei dem Tempel angestellten Priester waren Verschnittene; sie hießen Megabyzi u. ihr Oberpriester Essen (Bienenkönig, da ursprünglich die Götterstatue eine Biene als Symbol hatte), u. außerdem waren Priesterinnen in demselben, welche Jungfrauen sein mußten. Zu Ehren der Artemis wurden hier die Ephesĭa gefeiert, an welchem Feste keine Verheiratheten den Tempel betreten durften; außerdem das Fest Euangelia, angeblich zum Gedächtniß der frohen Botschaft, welche ein Hirt von der Auffindung eines Marmorbruchs zum Tempelbau gebracht hatte. E. war die Geburtsstadt des Philosophen Heraklit u. des Bildners Agasias. – Meist werden die Amazonen als Gründer von E genannt; wenigstens war es schon in uralter Zeit ein heiliger Ort mit einem Heiligthum u. hieß Ptelea. Die Sage kennt auch einen Lydier Ephesios, der hier in alter Zeit Handel getrieben u. von dem die Stadt den Namen erhalten haben soll. Die unter Neleus im 11. Jahrh. v. Chr. nach Kleinasien aus Attika auswandernden Ionier fanden den Cultus der Artemis schon vor, u. durch sie, namentlich durch Androklos, Sohn des Kodros, entstand od. erweiterte sich die Stadt. E. war eine der asiatischen Zwölfstädte mit eigner Verfassung u. Regierung, welche sie auch nach der Eroberung durch König Krösos von Lydien, 560 v. Chr., behielt. 408 v. Ch. hier Niederlage der Athener unter Thrasyllos durch die von den Persern unter Tissaphernes unterstützten Spartauer. Nach der Schlacht am Granikos kam Alexander der Große nach E. u. gab der Stadt ihre Freiheit wieder. In dem Kampfe der Nachfolger Alexanders wurde E. erst von Lysimachos, dann von Antigonos erobert; es blieb dann bei Syrien. Unter der römischen Herrschaft war E. die Hauptstadt eines der 9 Gerichtssprengel (Conventus ephesinus) in der Provinz Asien. Der Apostel Paulus verweilte u. predigte hier drei Mal, bei welcher Gelegenheit der Goldschmied Demetrios eine Empörung gegen ihn u. seine Begleiter erregte. Ebenso lebte auch der Evangelist Johannes hier lange Zeit u. starb auch hier; auch für den Sterbeort der Jungfrau Maria wird E. von Einigen angegeben. Der Kaiser Tiberius that viel zur Verschönerung der Stadt. Im 3. Jahrh. wurde E. von den Skythen geplündert; auch die Gothen nahmen E.; im 4. Jahrh. wurde der Tempel unter Constantin dem Großen zerstört. Hier wurden mehrere Concilien gehalten: 431 n.Chr. das dritte Ökumenische, wo durch Cyrills Umtriebe Nestorius verdammt u. verwiesen wurde; dann 449, wo Eutyches für rechtgläubig erklärt u. wieder in sein Amt eingesetzt, während sein Gegner Flavian abgesetzt wurde; da die Partei des Eutyches, Dioskoros an der Spitze, ihre Ansichten mit Gewalt durchsetzte u. Flavian wenige Tage darauf an den empfangenen Mißhandlungen starb, so wurde es auf dem Concil zu Chalcedon 451 die Räubersynode genannt. Im 11. Jahrh. eroberten es die Türken, die aber von Michael Dukas bei E. geschlagen wurden; 1206 wurde es von den Byzantinern unter Theodoros Laskaris wieder genommen. Unter Andronikos Paläologos eroberten es 1288 die Türken wieder u. hieben die Einw. alle nieder. 1391 wurde es dem Osmanischen Reiche einverleibt. Von den Trümmern von E. bei dem Dorfe Ajaslug (im türkischen Ejalet Aidin, 1 Stunde vom Busen von Scalanova entfernt) sind bes. bemerkenswerth die Ruinen einer großen Wasserleitung, einer Brücke, der von den Türken noch benutzten u. reparirten Akropolis, wo man noch das Gefängniß des Apostels Paulus zeigt, ein Theaterplatz (auf welchem wahrscheinlich der Tempel der Diana gestanden hat) u. eine Kirche, die nachmals in eine Moschee umgewandelt worden war, u. in der sich zwei Granitmonolithen von etwa 20 Fuß Höhe u. 31/2 Fuß Dicke, sowie viele andere interessante Baustücke befinden. Etwa 1/2 Stunde von Ajaslug, in der Richtung nach dem Meere zu, finden sich die Ruinen einer Arena. Vgl. Perry, De rebus Ephesiorum, Gött. 1837; Guhl, Ephesiaca, Berl. 1843.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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