Forstwirthschaft

Forstwirthschaft

Forstwirthschaft. Die Wirthschaftssysteme, welche bei dem Betriebe der Forstcultur in Anwendung kommen, sind theils durch die Standortsverhältnisse (Klima, Lage u. Boden), theils durch die Zwecke, welche die Besitzer bei der Verwerthung des in Wald angelegten Capitals im Auge haben, bedingt. Außerdem aber richtet sich die Betriebsweise vorzugsweise nach der Art des Holzes in Bezug auf Verjüngung des Forstes u. das Alter, welches man die einzelnen Waldbestände erreichen läßt. Man unterscheidet demnach: a) den Hochwaldbetrieb, bei welchem die Verjüngung gleichzeitig auf einer größeren, zusammenhängenden Fläche (Schlag) erfolgt, u. zwar durch Samennachwuchs; b) die Fehmelwirthschaft, welche sich von dem Hochwaldbetrieb nur dadurch unterscheidet, daß der Samennachwuchs über die ganze Waldfläche vertheilt ist. Bei diesen beiden, am meisten üblichen Betriebsarten läßt man die Bestände ein Alter von etwa 60 Jahren, bei der letzteren auch wohl ein noch höheres erreichen; c) Niederwaldbetrieb, bei welchem die Verjüngung mittels Stock- u. Wurzelausschlags erzielt wird; nur Laubholz eignet sich zu diesem Betriebe, u. da dasselbe nur bis ins 40. Jahr Stockausschläge liefert, so ist damit das Alter der Bestände auf diesen Zeitraum beschränkt; d) Kopfholzbetrieb, welcher sich von dem Niederwaldbetrieb nur dadurch unterscheidet, daß man die neuen Ausschläge am Kopfe der in einer Höhe von 6–10 Fuß entwipfelten Stämme erfolgen läßt; e) Mittelwaldbetrieb, eine Verbindung der Niederwald- u. Hochwaldwirthschaft, so daß das Oberholz sich durch Samennachwuchs vereinzelt zwischen dem Unterholze verjüngt u. nach Umständen ein sehr hohes Alter erreicht.

Die Holzproduction beruht auf wesentlich andern Bedingungen, als die übrigen Zweige der Urproduction. Zunächst findet sich Waldboden fast nur noch da, wo der Boden keine einträglichere Nutzung erfahren kann, also für die übrige Landwirthschaft von sehr geringem od. gar keinem Werthe ist. Das Grundcapital ist bei der F. ein sehr unbedeutendes; ungleich höher aber stellt sich das Betriebscapital heraus, denn die F. bedingt namentlich bei großen Umtriebszeiten einen verhältnißmäßig sehr starken Holzvorrath, da stufenweise vom ältesten haubaren Bestand alle jüngeren Jahrgänge des Holzes vertreten sein müssen. Je länger aber die Umtriebszeit ist, desto geringer verzinst sich das Betriebscapital, indem z.B. bei einem 100jährigen Umtriebe der Vorrath den jährlichen Ertrag mehr als 30 Mal, bei den 120jährigen mehr als 35 Mal übertrifft. Zwar liefert die längere Umtriebszeit eine größere u. werthvollere Masse an Nutzholz, aber die Unsicherheit der Speculation auf mehrere Generationen hinaus wiegt diesen Vortheil wieder auf u. nöthigt den Privatmann, dem es um Capitalverwerthung zu thun ist, die Umtriebszeit so viel wie möglich abzukürzen u. die vorhandenen Vorräthe zu versilbere.

Ein zweiter wesentlicher Unterschied der F. von der übrigen Urproduction ist der, daß das Holz namentlich bei kurzen Umtriebszeiten, wofern es nicht geflößt werden kann, keinen weiten Transport, der dadurch entstehenden Vertheuerung wegen, verträgt, daß sich Waldungen nicht zur Verpachtung eignen u. nur, wenn sie ein großes Areal einnehmen, so daß sie vom Winde keinen Schaden leiden u. einem Angestellten vollauf Beschäftigung gewähren, sich mit Vortheil bewirthschaften lassen. Je weniger vortheilhaft sich die Capitalanlage in Forsten aber für den Privatmann herausstellt (die Sicherheit des Gewinnes, welchen weder Mißwachs noch Hagelschlag, höchstens ein Waldbrand gefährden kann, bietet kein Äquivalent für die erwähnten Nachtheile), desto größer erscheint der Vortheil einer rationellen Forstcultur für das öffentliche Wohl. Sowohl zur Verhütung von Überschwemmungen, zum Schutz gegen verheerende Stürme, als auch für die Fruchtbarkeit des Landes u. für den Gesundheitszustand seiner Bewohner ist die Erhaltung der Wälder von der größten Wichtigkeit, abgesehen von dem Nutzen, den die Erzeugnisse des Waldbodens den ärmeren Volksklassen gewähren, ohne dem Besitzer Gewinn bringen zu können (vgl. Wald). Dieses eigenthümliche Verhältniß der F. zur nationalen Wohlfahrt bedingt den Einfluß, welchen der Staat namentlich, seitdem die Lichtung der Wälder in neuerer Zeit überhand genommen hat, auf den Betrieb der Forstcultur für sich in Anspruch nimmt. Das Interesse des Staates tritt bei der Erhaltung der Wälder dem Interesse des rechnenden Capitalisten gegenüber. Der Staat muß deshalb durch Gesetze die freie Disposition des Waldeigenthümers über sein Eigenthum beschränken u. so viel wie möglich selbst die F. ausüben (vgl. Domainen II).

Die Forstpolizei begreift deshalb nicht nur die Anordnungen zum Schutze der Wälder vor Forstfrevel (s.d.), sondern auch die Maßregeln zur Erhaltung u. Herstellung der erforderlichen Bewaldung des Landes, gegenüber den privaten Besitzern von Forsten od. Waldboden. Die nächste forstpolizeiliche Sorge betrifft den absoluten Waldboden, d.h. den Boden, welcher sich zu keinem anderen landwirthschaftlichen Betriebe eignet, so vorzugsweise steile Gebirgsabhänge, namentlich in Flußthälern. Hier müssen die Waldungen unter allen Umständen erhalten u. die Besitzer zu einer rationellen Bewirthschaftung gezwungen werden. Relativer Waldboden pflegt nur dann unter strenge Oberaufsicht des Staates gestellt zu werden, wenn der absolute Waldboden nicht ausreichend erscheint, um den ökonomischen u. gesundheitlichen Anforderungen des Landes zu genügen; im Allgemeinen können Rodungen u. Kahlhiebe auf demselben nur mit Bewilligung der Regierung vorgenommen werden. Literatur s.u. Forstwissenschaft.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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