Livorno [1]

Livorno [1]

Livorno, Stadt in der toscanischen Provinz Pisa am Mittelländischen Meere, der Felseninsel Meloria gegenüber; hat nach dem Lande zu einige Befestigung, Citadelle, Festungswerke gegen das Meer zu, mehrere Plätze, auf deren einem Denkmal Ferdinands I. von Medici steht, auf der Piazzi dei Granduchi die Marmorstatue des Großherzogs Leopold II.; mehre Kanäle durchschneiden es (weßhalb es auch Kleinvenedig genannt wird), großherzoglicher Palast, Kathedrale, mehrere Kirchen, Protestantische u. Griechische Capelle, Synagoge, türkische Privatmoschee, da in L. durchaus Religionsfreiheit herrscht, Bethäuser vieler christlicher Parteien, Waisen-, Zeughaus, Lazareth, Ölmagazin, Wasserbehälter nebst Aquäduct, 3 Theater (darunter Rossini u. Carlo Ludovico), Casino. Der Hafen (Freihafen) hat guten Ankergrund, aber einen durch Sandbänke schwierigen Eingang, er besteht aus einem nicht sehr tiefen äußern Becken mit Molo u. Leuchtthurm (1304 von den Pisanern erbaut, an dessen Theile la Bocca die geringeren Fahrzeuge landen, u. wo in der Maletta in drei Häusern Quarantaine gehalten wird) u. einem innern am Arsenal (Darsena), unter Ferdinand I. ausgegraben, wo die Magazine u. Schiffswerfte stehen, u. wird durch ein Fort (Fortezza vecchia) u. mehrere Thürme geschützt. L. hat Bischof, bischöfliches Seminar, Collegium, wissenschaftliche u. Kunstanstalten (Gemäldesammlung des Lambruschini, Bibliothek des Poggioli); Società Labronica (eine literärische Gesellschaft), Seeassecuranz, Fabriken in Korallen, Meubles, Glaswaaren, Spielsachen, Tabak, Rosoglio, Seidenzeuge, Leder, Seife, Alabaster; man appretirt Strausfedern, fertigt Elfenbeinwaaren, Cremor tartari, Talglichter, Stärke etc. Bedeutend ist der Handel (man rechnet jährlich 6000 einlaufende [448] Schiffe); er begreift vorzüglich Banmöl, Wolle, Talg, Holz, Papier u. Lumpen, Getreide, Korallen- u. Strohwaaren u. mehrere Erzeugnisse des Fabrikfleißes Italiens. Durch eine Eisenbahn ist L. mit Pisa, Lucca u. Florenz verbunden. Hauptspaziergang: L'Ardenza. Einw. 91,300 (worunter 22,000 Juden, welche den größten Reichthum L-s u. selbst Stellen im Rathe besitzen, aber in einem besondern Stadttheile [Ghetto], doch uneingeschlossen leben), außerdem Individuen von allen um das Mittelmeer wohnenden Nationen, so wie deren Consuln. Die Luft um die Stadt ist nicht ganz gesund, bes. herrschen im Frühjahre wegen der sumpfigen Gegend bösartige Fieber; das Trinkwasser kommt 5 italienische Meilen weit durch eine Wasserleitung aus der Gegend von Pisa vom Gebirge Cologneli. In der Nähe ist der Montenero, mit vielen Lusthäusern, zwischen Olivenhügeln u. Gärten reizend gelegen.

Bei den Römern hieß L. ad Herculem u. der Ort soll derselbe sein, welchen Cicero Labro nennt. Indessen blieb L. bis ins 13. Jahrh. ein bloßer Flecken, welcher im Mittelalter den Pisanern gehörte, 1299 von den Genuesern weggenommen wurde, dann wieder an Pisa kam, 1392 seine ersten Mauern erhielt, 1421 aber vorübergehend u. 1495 definitiv an Florenz kam. Cosmo I. tauschte es nämlich, der Trefflichkeit des dortigen Hafens halber, gegen Sarzana ein, legte nun sogleich das sumpfige Terrain durch Kanäle trocken, verbesserte den Hafen, erklärte ihn zu einem Freihafen, baute Quais u. Paläste u. machte L. zu einer der schönsten Städte Europas. Alexander von Medici baute die Wälle u. Cidatelle, Cosmo II. brachte bes. den Handel in L. empor. Im Juni 1434 flüchtete der vertriebene Papst Eugen IV. hierher. 1490 belagerte es Maximilian I. vergebens. 1733 wurde es den Spaniern u. 1793 den Engländern eingeräumt. 1742 litt es sehr durch starke Erderschütterungen (Einsturz der Augustinerkirche); seit 1796 theilte es ganz die Schicksale Toscana's u. war zur Zeit der französischen Herrschaft Hauptstadt des Departements Mittelmeer; im Aug. 1846 litt es abermals durch eine heftige Erderschütterung. Im Sept. 1847 begannenbei der Feier eines nationalen Bruderfestes diepolitischen Demonstrationen u. Unruhen, welche sich bis Jan. 1848 steigerten, Tumult u. revolutionäre Kundgebungen beunruhigten die Stadt; im August neuer Tumult wegen Verhaftung Alessandro Gavazzi's; Straßengefechte zwischen Volk u. Linientruppen; Errichtung von Barricaden; den 3. Sept. Kartätschenfeuer in den Straßen; neuer Volksaufstand am 3. October; am 20. Febr. 1849 wurde hier die Republik proclamirt; am 10. Mai wurde die Stadt von den Österreichern unter d'Aspre beschossen u. am 11. von ihnen besetzt. Am 1. Jan. 1855 wurde L. von den Österreichern geräumt u. großherzogliche Truppen nahmen Besitz. Am 7. Juni 1857 Brand im Theater degli Acquidotte.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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