- Musterschutz
Musterschutz, gesetzlicher Schutz der Erfinder neuer Muster, Formen etc. gegen unbefugte Nachahmung u. Vervielfältigung derselben. Zuerst wurden für Erfindungen u. Verbesserungen im Bereich der technischen Wissenschaften u. Gewerbe Patente (s.d.) von den Regierungen ertheilt, durch welche dem Erfinder od. Verbesserer für eine Reihe von Jahren die ausschließliche Benutzung der Erfindung od. Verbesserung u. zugleich die Berechtigung zur gerichtlichen Verfolgung unbefugter Nachahmer zugesichert wird. Aber die Patente sind, gleich den Privilegien, blose Ausnahme; man mußte, um den Schutz wirksamer zu machen, die Ausnahme zur Regel erheben. Wie dies allmälig bezüglich des Schutzes der literarischen Erzeugnisse (s.u. Nachdruck) geschah, so wurden auch, zunächst in England u. Frankreich, bereits seit dem 18. Jahrh. Gesetze über den eigentlichen M. zum großen Vortheil der Industrie gegeben. Der M. macht es möglich, daß in England u. Frankreich in allen größeren Fabriken namhafte Künstler mit hohem Gehalte angestellt werden können, welche sich ausschließlich mit der Erfindung u. Entwerfung von neuen Mustern u. Modellen für die Zwecke der Industrie beschäftigen. Die Hauptgrundsätze des französischen Musterschutzgesetzes sind: a) der Schutz, welcher den neu erfundenen Mustern u. Modellen zu Theil wird, ist ein Ausfluß des geistigen Eigenthumsrechtes des Erfinders; er ist kein Privilegium, welches erst erworben werden muß. Durch die Registrirung der Muster u. Modelle wird daher nicht erst der Schutz erworben, sondern dieser wird allen neuen industriellen Erfindungen zu Theil; wohl aber verschafft die Registrirung dem Erfinder das Beweismittel für die Priorität der Erfindung u. dadurch die Möglichkeit der gerichtlichen Verfolgung der Nachahmung. Es bedarf daher keiner öffentlichen Bekanntmachung der registrirten Muster. b) Der durch die erfolgte Registrirung bewiesene Besitz des Musters ertheilt ein Eigenthumsrecht darauf, bis der Gegenbeweis geliefert wird, daß ein Anderer schon früher das Muster in den Handel gebracht hat u. also Eigenthümer desselben war. Das französische Musterschutzgesetz hat sich bewährt; die Fabrikation hat sich auf eine hohe Blüthe gehoben, der Fabrikant ist gegen Nachahmung gesichert u. kann deshalb namhafte Summen auf die Erfindung neuer Muster verwenden; gerichtliche Verfolgungen wegen Nachahmung sind äußerst selten. In Deutschland ist im letzten Jahrzehent ein Musterschutz gesetz wiederholt angeregt worden. In dem im Jahre 1853 vom Zollverein mit Österreich abgeschlossenen Vertrage war bestimmt, daß 1854 Verhandlungen wegen übereinstimmender Maßregeln bezüglich des M-es eröffnet werden sollten. Auch wurden in Preußen die Handelskammern u. kaufmännischen Corporationen aufgefordert, sich gutachtlich darüber zu äußern, ob ein Musterschutz. gesetz gewünscht werde, u. eine Denkschrift über ein für die Zollvereinsstaaten zu erlassendes Fabrikmustergesetz bekannt gemacht. Darauf wurde ein Entwurf zu einem solchen Gesetze von einer, durch die Ältesten der Berliner Kaufmannschaft berufenen Commission bearbeitet u. gedruckt (Materialien zu einem Gesetze über den Schutz von Mustern, Modellen u. Formen); ein zweiter Entwurf vom Kaufmann u. Fabrikbesitzer Leonor Reichenheim wurde ebenfalls gedruckt (Berlin 1854). Im Januar 1855 ging auf Grund einer Aufforderung von Seiten der großherzoglich badischen Regierung ein anderweiter Entwurf von mehren Fabrikanten des Wiesenthals im badischen Amtsbezirke Lörrach aus. Dennoch ist bis jetzt keiner dieser Entwürfe zur Ausführung gelangt. Dagegen hat Österreich ein solches erlassen, welches mit dem 1. März 1859 in Wirksamkeit getreten ist. Das ausschließliche Recht auf Benutzung eines selbständig erfundenen Musters od. Modelles dauert darnach 3 Jahre von der Zeit an, wo dasselbe offen od. versiegelt in der Kanzlei der Handels- od. Gewerbkammer seines Bezirkes niedergelegt worden ist, wofür 10 Fl. zu entrichten sind. Innerhalb eines Jahres nach der Hinterlegung muß der Schutzberechtigte das Muster aber auch im Inlande wirklich auf Industrieerzeugnisse angewendet u. die letztern in Verkehr gebracht haben. Jeder Eingriff in das Musterrecht begründet für den Verletzten das Recht, auf die Einstellung der ferneren Anwendung des Musters u. des ferneren Verkaufes der betreffenden Waare zu dringen. Auch kann er verlangen, daß die zur Nachbildung dienlichen Werkzeuge u. Hülfsmittel für diesen Zweck unbrauchbar gemacht werden. Die Ansprüche des Verletzten wegen Entschädigung richten sich nach den Regeln des bürgerlichen Gesetzbuches. Bei einem wissentlich begangenen Eingriff ist gegen den Schuldigen überdies eine Geldstrafe von 25–500 Fl. zu verhängen, welche beim einfachen Rückfall verdoppelt, beim zweifachen noch überdies mit Gefängnißstrafe bis zu 3 Monaten verschärft wird.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.