Heiliger Geist

Heiliger Geist

Heiliger Geist (Spiritus sanctus), bedeutet im A. T. (als göttlicher Geist, Geist Gottes, Geist des Herrn) überhaupt Sinn u. Geist, dann den bildenden u. belebenden Hauch Gottes in der Natur u. Geisterwelt (bes. in der Schöpfungsgeschichte), daher auch das Leben, als von Gott geschenkt, ohne daß hierbei immer an ein besonderes Subject außer Gott gedacht wird; im N. T. ist er überhaupt mehr das tiefere, innere Leben; in Bezug auf Jesus die höhere Gotteskraft, welche ihn für seine Lehre u. seine Wunderwerke unterstützt, u. dann die Geistesfülle, die mittheilbar an Andere ist u. bes. Geneigtheit zur Annahme u. zum unerschütterlichen Bekenntniß des Christenthums u. sittlich gutes Leben wirkt, wobei das Πνεῦμα als besonderes Subject bezeichnet u. als ein Wesen hingestellt wird, welches mit Gott auf das Genaueste verbunden u. göttlicher Natur ist. Seinen Aposteln verhieß Jesus die Sendung des H-n G-es nach seinem Weggang von ihnen, damit sie derselbe in dem Bekenntniß seiner Lehre erhalte u. in der Ausbreitung derselben leite u. kräftige u. damit er sie, wenn er selbst nicht mehr bei ihnen wäre, in alle Wahrheit zu dem führen sollte, was er ihnen bei seinem eigenen Umgang mit ihnen noch nicht gesagt habe. In dieser Beziehung heißt der H. G. im N. T. Parakletos, d.i. (nicht, wie es Luther übersetzt, Tröster, sondern) Beistand, Helfer, Berather. Die Mittheilung des H-n G-es an die Jünger (Ausgießung des H-en G-es) geschah unter wunderbaren äußeren Zeichen am Pfingstfeste nach der Himmelfahrt Jesu, s.u. Pfingsten. In der Kirche wurde unter Bezugnahme auf die Taufformel, auf die Verkündigung an die Maria, der H. G. werde über sie kommen, u. auf Niederlassen des H-n G-es auf Jesus bei der Taufe in Gestalt einer Taube, die Persönlichkeit des H-n G-es gelehrt. Dies geschah bes. von der Zeit an, als man ihn zur dritten Person der Trinität (s.d.) erhob, u. es war die anerkannte öffentliche Lehre der ganzen ältesten Kirche, daß der H. G. eine Person sei. Ein heftiger Streit entstand aber später über das Verhältniß des H-n G-es zu den beiden anderen Personen der Trinität, dem Vater u. dem Sohne. Nach der Meinung der alten Kirche war der H. G. dem Vater u. dem Sohne untergeordnet, u. was das Ausgehen des H-n G-es anlangt, so lehrte die Formel des Nicäno-Constantinopolitanischen Symbolums, daß er vom Vater (a patre) ausgehe, aber 589 wurde auf dem dritten Toledanischen Concil in der Spanischen Kirche der Zusatz und vom Sohne (filioque) gemacht u. auf Karls des Großen Anordnung seit dem Ende des 8. Jahrh. in der ganzen Abendländischen Kirche angenommen. Die Griechische Kirche erklärte sich bes. wegen Joh. 15,26 entschieden gegen diesen Zusatz, u. so wurde dieser Punkt einer der Hauptgründe der gänzlichen Scheidung der Orientalischen von der Occidentalischen Kirche. Man dachte sich übrigens das Ausgehen, im Gegensatz zu der Zeugung des Sohnes durch den Vater, durch ein Aushauchen (Spiratio activa) des Vaters u. des Sohnes geschehen. Die Protestantischen Kirchen haben den Zusatz in ihren Symbolen beibehalten. Die Wirksamkeit des H-n G-es in den Menschen bei der Wiedergeburt (Berufung, Erleuchtung, Besserung, Heiligung u. Vereinigung mit Gott) ist dasselbe, was auch die Gnadenwirkungen genannt werden u. deren Hervorbringung von der Kirchenlehre in eine bestimmte Ordnung gebracht ist (Gnadenordnung) u. wozu sich der H. G. bestimmter Mittel (Gnadenmittel) bediene, s.u. Gnade. Dies zu bewirken, wird von der Kirchenlehre dem H-n G. ein vierfaches Amt (Officium spiritus sancti) zugeschrieben: a) das Officium epanorthoticum, sofern die Menschen durch den H-n G. von ihrer Fehlerhaftigkeit überzeugt; b) O. didascalium, sofern die Menschen durch ihn von der Hoffnung, Art u. den Bedingungen[172] der Sündenvergebung belehrt; c) O. paedenticum, sofern die Menschen durch ihn zur Herzensbesserung geführt; d) O. paracleticum, sofern die gebesserten Menschen durch ihn in Leiden mit der Hoffnung auf einstige Seligkeit getröstet werden. Die strengeren Lutheraner schreiben nach der Concordienformel dem H-n G. die Bekehrung des Menschen ganz allein zu, die Katholiken, Arminianer u. Mennoniten lassen den natürlichen Willen des vom H-n G. erweckten Menschen mitwirken. Die mildere Auffassung Melanchthons, gegenüber den strengen Lutheranern, veranlaßte die Synergistischen Streitigkeiten (s.d.). Die Darstellung des H-n G-es in Gestalt einer schwebenden Taube gründet sich auf das oben erwähnte Ereigniß bei Jesu Taufe. Vgl. A. Kahnis, Die Lehre vom H-n G., Lpz. 1847.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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