- Petersburg, St.
St. Petersburg, 1) Gouvernement im Europäischen Rußland, aus dem ehemaligen Ingermanland, Theilen von Karelien u. Nowgorod zusammengesetzt: 813,37 QM.; grenzt gegen Norden an den Finnischen Meerbusen, das Gouvernement Wiborg, den Ladogasee u. das Gouvernement Olonetz, gegen Osten an Nowgorod, gegen Süden an Pskow u. gegen Westen an den Peipussee u. Esthland. Der Boden ist meist eben, nur durch die Duderhoffschen Hügel (300 Fuß Höhe) etwas erhoben, sonst morastig, waldig od. sandig. Das Gouvernement hat viele kleine Seen, vom Ladogasee sind 125,16 QM. u. vom Peipussee 23,40 QM. dazu gehörig. Die hauptsächlichsten Flüsse sind: Newa, welche aus dem Ladogasee kommt u.[900] in den Finnischen Meerbusen fällt, Luga, Narowa, Sestra, Wolchow u.a.; der Ladogakanal, längs der Südküste des Ladogasees, verbindet die Newa u. Swir. Das Klima ist im Allgemeinen rauh, der Winter kalt u. lang, der Sommer kurz, aber heiß. Die Einw. (im J. 1856: 1,080,398) sind theils Russen, theils Finnen, zum Theil vom Stamm der Ischoren (Ingermanländer), Letten, Esthen, auch Eingewanderte, zumal Deutsche. Beschäftigung u. Producte: Ackerbau (Roggen, etwas Gerste, Hafer u. Hülsenfrüchte, etwas Flachs), Gartenbau (Gemüse aller Art, in der Nähe der Hauptstadt auch sogar Melonen, Ananas u.a. feinere Gewächse), etwas Viehzucht, bes. starke Federviehzucht; die Natur gibt überdies viel Waldbeeren, Holz, wildes Geflügel, Hafen, Fische in großer Menge (Haufen, Sterlete, Lachse u.a.), von Mineralien einigem Bausteine (Granit u. marmorartigen Kalk); Industrie findet sich bes. in der Hauptstadt, auf dem Lande nur wenig; auch ist diese der Hauptsitz des Handels. Eintheilung in 8 Kreise (St. Petersburg, Sophia, Schlüsselburg, Nowaja-Ladoga, Gdow, Luga, Jamburg u. Oranienbaum); 2) Kreis darin, an der Newa u. dem Kronstädter Busen; zählt ohne die Hauptstadt, jedoch mit Kronstadt, 145,000 Ew.; 3) Hauptstadt des Gouvernements u. Haupt- u. Residenzstadt des ganzen Russischen Reichs; Sitz eines besonderen Gouverneurs, Stadtmagistrats, Polizeigerichts, der obersten Reichsbehörden, als des Reichsraths, der Ministerien, des Senats der Heiligen Synode, der Provinzialbehörden, des Metropoliten von St. P. u. Nowgorod, des Römisch-katholischen Collegiums unter dem Vorsitze des Metropoliten aller katholischen Kirchen in Rußland u. Erzbischofs von Mohilew, des Evangelisch-lutherischen Generalconsistoriums u. eines Provinzialconsistoriums, sowie der Armenisch-Gregorianischen Verwaltung.
P. liegt in einer breiten Ebene am Ausfluß der Newa in den Finnischen Meerbusen; die Newa tritt beidem Alexander-Newskiklosterin P. ein u. theilt sich im Innern der Stadtin mehre Arme. Zunächst zweigt sich rechts die Große Newka ab, von dieser links die Kleine Newka; unterhalb der Festung theilt sich dann der Strom in die Große (links) u. Kleine Newa (rechts). Auf diese Weise, sowie durch zahlreiche andere Flußverzweigungen u. Kanäle, werden eine große Menge Inseln gebildet, aufdenen die Stadt erbautist. Stadttheile: Der Kern u. der Mittelpunkt des Ganzen, womit der Bau P-s begann, ist die kleine, in Form eines länglichen Vierecks mit vier Eck- u. auf der langen nördlichen u. südlichen Seite mit zwei Mittelbastionen befestigte Festung. Sie liegt auf einer Newainsel u. hat, gegen Norden nur durch einen schmalen Flußarm von dem Stadttheil der Petersburger Seite getrennt, hier eine große Esplanade u. auf dieser ein Kronwerk vor sich. Die Werke sind in einer, der ersten Manier Vaubans ähnlichen Art gebaut u. für 100 Geschütze u. 3000 Mann Besatzung eingerichtet; die Festung hat einen eignen Gouverneur u. enthält in der Kirche die Grabmäler der Czaren seit Peter dem Großen, Kasematten, welche als Staatsgefängnisse gedient haben, u. Kellergewölbe, in denen der kaiserliche Staatsschatz aufbewahrt wird. Südlich von der Festung breitet sich die Große Seite (Volschaja Storona) auf dem linken Newaufer u. dem Festland aus, die fast noch einmal so groß ist, als die übrigen bebauten Plätze von P. zusammen; sie ist der schönste Stadttheil, wo die prächtigsten Quais u. mehre Paläste sind, u. wo sich der Hof, die Behörde, der Adel u. die Eleganz sammelt. Nördlich der Festung liegt die Petersburger Seite (so genannt, weil anihr die Festung, das eigentliche Petersburg, liegt), eine von der Kleinen u. Großen Newa u. der Großen u. Kleinen Newka gebildete Insel, enthält mehre Privatgebäude u. ist von ärmeren Klassen bewohnt. Nördlich bildet ein schmaler, die Insel durchschneidender Newaarm die Apothekerinsel mit einigen Straßen u. dem Botanischen Garten, westlich ein anderer die nur Anlagen mit wenigen Häusern enthaltende Insel Petrowskoi, aber mit kaiserlichem Palais. Wasilj-Ostrow (Basiliusinsel), von der Großen u. Kleinen Newa eingeschlossene große Insel westlich der Festung, dem prächtigsten Quai der Großen Seite gegenüber, auch Staatsgebäude enthaltend, doch mehr von Handeltreibenden, Künstlern u. Handwerkern bewohnt; hier ist westlich der Galeerenhafen angebracht. Die Wiborgsche Seite, welche nebst einigen Dörfern die Große Newka u. Newa auf dem rechten Ufer mit einigen Straßen einfaßt u. dem untersten Theil des Volks, Gärtnern, Soldaten u. Fabrikarbeitern zur Wohnung dient. Ochta (Groß- u. Klein-Ochta), nach der Großen u. Kleinen Ochta genannt, welche sich vereinigt rechts in die Newa ergießen; Ochta war sonst Dorf u. ist erst 1828 zum Stadttheil erhoben worden. Es liegt dem östlichen Theile der Großen Seite gegenüber am rechten Newaufer, ist von Bauern, Fuhr- u. Zimmerleuten bewohnt, trägt den Charakter einer Vorstadt u. hat viele Landhäuser. Den nordwestlichsten Theil der Stadt bilden einige Inseln, von der Großen u. Kleinen Newka u. deren Verzweigungen umschlossen: Kamennoi-Ostrow, mit einem kaiserlichen Schloß u. Park, auch einem Theater; Krestowskoi-Ostrow u. Jelagin, auf der letzteren auch ein kaiserliches Sommerpalais. Polizeilich wird P. getheilt in 13 Stadttheile: der erste Admiralitätstheil (Admiralitätsseite) zwischen der Newa u. Moika, durchzogen von dem Nikolaikanale; der zweite Admiralitätstheil zwischen der Moika u. dem Katharinenkanal; der dritte Admiralitätstheil zwischen dem Katharinenkanal u. der Fontanka; der vierte Admiralitätstheil (die Kolowna); der Narwabezirk (Narfskoy) südlich des vorigen an der Newa; der Moskowsche Stadttheil (Moskowskoi); der Stückhof (Litainaja) an der Newa; der Roscheswenskoische (Weihnachts-) Theil, zwischen der Großen Newa u. dem Ligowkaischen Kanale; der Karätnoi- u. Jämskol-Stadttheil, südlich vom vorigen am Newaufer, dieser, wie die acht früheren, sämmtlich auf der Großen Seite; Wasilj-Ostrow; Petersburger Stadttheil mit der Festung; der Wiborgsche Theil; Ochta. Außerdem zerfällt P. in 55 Polizeireviere. Der Umfang der ganzen Stadt beträgt 4 deutsche Meilen, ihr Quadratinhalt 42 QM.
Viele Brücken führen über die Arme der Newa u. die Kanäle; die hauptsächlichsten sind: die Woskressenskische Brücke, verbindet die Wiborgische Seite mit der Großen Seite; die sehr lange Dreieinigkeitsbrücke (Troitzkoi most) verbindet die Petersburger Seite mit der Großen Seite; die Isaaksbrücke vereinigt Wasilj-Ostrow mit der Großen Seite; die Samsoniewkoibrücke (Hospitalbrücke) führt von der Petersburger Seite über die Große Newka nach[901] dem Wiborger Stadttheil; die Tiutschkowbrücke über die Kleine Newa nach Wasilj-Ostrow; die Kamennoi-Ostrowbrücke, von der Apothekerinsel nach Kamennoi-Ostrow, u. die Stroganowskoibrücke von da nach dem Dorfe Nowaja Derevaga; die Nowo-Krestowskoibrücke verbindet die Inseln Jelagin u. Krestowskoi. Alle diese Brücken sind Schiffbrücken u. werden bei starkem Eisgang der Newa sogleich abgebrochen, dann aber wieder errichtet. Außerdem existiren noch viele feststehende Brücken über die verschiedenen Kanäle, so die Anitschkowsche Brücke über den Fontankakanal mit gußeisernem Gitter u. 4 bronzenen Pferden (vom Baron Clodt), ferner die 1850 vollendete Blajoweschtschenskische Brücke über die Newa zur Verbindung der Großen Seite mit Wasilj-Ostrow. Mehre Kanäle durchschneiden in einem halben Eirund concentrisch die Große Seite; am nächsten an der Newa geht die Moika, in weiteren Bogen der Katharinenkanal, sich mehrmals bedeutend krümmend, u. die Fontanka, ein breiter, schiffbarer, regelmäßig geführter Kanal in noch weiterem Kreise, u. der Vorstadtkanal (Einschließungskanal), welcher östlich aus einem Arm der obern Newa beim Alexander-Newskykloster ausgeht u. in die untere Newa mündet; er wird von der Ligowka durchschnitten, einem ehemaligen Bach, welcher, von Süden kommend, innerhalb der Stadt in die Newa mündet. Obiger Einschließungskanal dient den Barken, die aus dem. Innern kommen, als Ausladepunkt u. Hafen zum Überwintern; der Nikolaikanal geht von der Fontanka ziemlich rechtwinkelig aus, durchschneidet die Große Seite, den Katharinenkanal u. die Moika u. fällt auf dem englischen Quai in die Newa. Noch durchschneiden die Petersburger Seite, Wasilj-Ostrow u. die Inseln mehre Kanäle, welche aber eigentlich schmale Flußarme sind.
Die Bauart P-s ist großartig, sowohl was die Regelmäßigkeit der Straßen, als was die Eleganz u. Größe der Bauten u. die zahlreichen großen öffentlichen Plätze anlangt. Ganz P. ist auf Rost gebaut. Die Häuser sind meist solid u. massiv aufgeführt u. mit lichten Farben angestrichen; die Paläste sind meist drei-, die Bürgerhäuser zweistockig. Bei allen Häusern der Vornehmen sind die Corridors u. Treppen mit Russischen Ofen heizbar, Doppelfenster allenthalben; die Treppen sind fast durchgängig Doppeltreppen, Wintergärten sind oft angebracht. Das untere Stock wird meist zu Verkaufsläden benutzt, od. ist Wohnung der Dienerschaft. P. zählt gegenwärtig über 450 Straßen; dieselben sind durchgehends schnurgerade angelegt, zu beiden Seiten mit Trottoirs, auch wohl mit Baumreihen versehen; die gewöhnliche Breite der Straßen ist 70–120 Fuß, keine ist unter 40 Fuß breit, einige aber 140 Fuß. Die langen regelmäßigen Straßen heißen Prospecte (Perspectiven). Die glänzendsten sind die mit Granit eingefaßten, mit Balustraden von Granit u. mit Eisengittern versehenen Quais an der Großen Seite, bes. der Englische Quai, zwischen der alten u. neuen Admiralität, der Sammelplatz alles Feinen u. Eleganten in prächtigen Verkaufslocalen u. der Spaziergang der vornehmen Welt Nachmittags von 2–4 Uhr. Der Englische Quai mündet östlich an der Isaaksbrücke in den Petersplatz, auf welchem sich seitwärts dieser Brücke die kolossale metallene Bildsäule Peters des Großen erhebt; sie ist von Falconet gegossen, das Pferd sprengt einen Felsen hinan, Peter streckt den Arm nach der Newa u. der Festung aus u. das Pferd zertritt mit dem Hufe eine Schlange, welche mit dem Schweife des Pferds die ganze Last des Pferds u. der Bildsäule trägt; das Haupt des Kaisers ziert ein Lorbeerkranz, eine römische Tunica umhüllt ihn. Als Piedestal dient dem Standbilde ein kolossaler Granitblock, der bei Uliborg in Finnland gebrochen ist; trägt auf der Vorderseite die Inschrift: Petro Primo Catharina Secunda 1782, u. auf der Rückseite dieselbe Inschrift in russischer Sprache; das Denkmal umgibt ein Eisengitter. Auch steht auf diesem Platze das Denkmal des Kaisers Nikolaus, zu welchem am 26. December 1857 der Grundstein gelegt wurde. Von da geht der Quai dem Newaufer entlang an der alten Admiralität, dem Winterpalast, der Eremitage, dem Marmorpalast u. der Troitzkibrücke vorbei u. zieht sich längs des Sommergartens hin, bis er in die Woskrosenskperspective mündet. An den Petersplatz schließt sich östlich der Admiralitäts- u. an diesen der Alexanderplatz an, auf welchem letzterem die Alexandersäule steht, der größte Granitmonolith der Erde, ursprünglich 102 Fuß lang, doch bis auf 80 Fuß verkürzt u. insgesammt mit dem Piedestal, dem Capitäl u. über demselben sich erhebenden Engel mit Kreuz 145 Fuß hoch; die Säule ist ein Werk Montferrands. Der Engel hält mit der einen Hand das Kreuz, die andere Hand erhebt er zum Himmel; Capitäl- u. Piedestalschmuck sind aus türkische Geschütz gegossen; sie trägt die Inschrift: Alexander I. das dankbare Rußland. Von der Mitte des Admiralitätsplatzes laufen nun die größten Prospecte fächerförmig aus, nämlich die Erbsen- od. Admiralitätsstraße, welche geradeaus führt u. auf dem Semanowskplatze endet, der Wosnesenskoische Prospect rechts u. der Newskoiprospect links; letzter ist der Sammelplatz alles Schönen u. Eleganten, der Morgenspatziergang der vornehmen u. seinen Welt von 10–3 Uhr, die schönste, mit Bäumen besetzte Straße P-s, welche sich, die Fontanka überschreitend, schnurgerade 1 Stunde weit bis zu dem Ligowkakanal zieht u. dann sich ein wenig rechts wendend bis zum Alexander-Newskykloster u. der obern Newa läuft u. in ihrem schönsten, der Admiralität nächsten, über 1/2 Stunde langen Theile fast nur von Palästen u. großen Kirchen eingefaßt wird. Andere Prospecte sind der Bolchoi-, Maloi-, Liteino-, Zagorodnoi-, Ismailowsk-, Peterowkoiprospect etc. Von den übrigen Hauptstraßen der Großen Seite, welche meist mit dem Zusatze Oulitza bezeichnet werden, sind bes. zu nennen unsern der Newa die Große u. Kleine Marskaja, die Kleine Million, auch die Gartenstraße in der Mitte der Stadt. Auch in andern Stadttheilen hat man Prospecte, so auf der Wasilj-Ostrow der parallele schnurgerade Große, Mittlere u. Kleine Prospect, die durch andere Straßen (Linien) rechtwinkelig durchschnitten werden, dann die Kamennoi-Ostrowperspective etc. Von den 64 öffentlichen Plätzen der Stadt sind außer den schon erwähnten noch zu nennen: das Marsfeld, von der Troitzkibrücke längs des Sommergartens sich erstreckend, auch Zaranwiese (Zaryzinskoi lug genannt); hier finden große Paraden, bisweilen von 60–80,000 Mann, statt; nahe am nördlichen Ende des Platzes vor der Troitzkibrücke steht das Denkmal Suworows, eine Bronzestatue; der Semenowskplatz, am Ende der Admiralitätsstraße; darauf der Bahnhof für[902] die Eisenbahn nach Paulowsk; der Alexanderplatz, im Südosten der Stadt, südlich vom Ende der Newskiperspective; der Preobraschenskplatz, südlich vom Garten des Taurischen Palastes; der Platz vor der Kasankathedrale mit den beiden Standbildern Kutusows u. Barclai's de Tolly, beide von Orlowski; der Platz vor dem Ingenieurpalaste, südlich des Sommergartens, mit einem Standbilde Peters des Großen (der Kaiser sitzt in römischer Tracht zu Pferde, hat einen Lorbeerkranz auf dem Haupte u. den Marschallsstab in der Rechten; das Piedestal ist von Marmor u. stellt verschiedene Momente der Schlacht von Pultawa dar u. trägt die russische Inschrift: Dem Urahnen der Enkel, 1850); der große Theaterplatz; der Platz vor dem Alexandertheater; der Heumarkt, wo bes. ein lebhaftes Treiben der niederen Klassen sich zeigt, u. endlich der Romanzowplatz u. der Börsenplatz auf Wasilj-Ostrow; der erstere neben der Akademie der Künste u. mit dem Denkmale Romanzows, einem Obelisk aus grauem Marmor auf einem Piedestal von rothem, mit Festons u. Basreliefs verzierten Marmor, mit der Inschrift: Den Siegen Romanzows. Thore u. Mauern hat P. nicht, wohl aber mit Barrièren geschlossene Straßen. An zwei derselben erheben sich Triumphbögen, nämlich an dem von der Rigaer Barrière nach Westen führenden, dem rückkehrenden Kaiser Alexander u. den Garden nach den Kriegen 1812–15 von der Stadt P. errichtet, u. der Moskauische Triumphbogen an der Straße nach Moskau, 1/2 Stunde von der Stadt, vom Kaiser Nikolaus gebaut u. dem russischen Heere gewidmet. Die Verkaufslocale sind in den Hauptstraßen überaus glänzend u. großartig; außerdem gibt es ein großes Kaufhaus (Gostinoi Dwor), in welchem sich Alles vom Gewöhnlichen bis zum Kostbarsten findet. Petersburg eigenthümlich sind auch die Meluttenbuden, in denen auf den Straßen feilgehalten wird; die Plätze für den kleinen Handelsverkehr sind der Wintermarkt (Simnaja Ploschtschud), Trödelmarkt, Apraxinsche Markt, Tschukin Dwor mit Vögelmarkt etc. Das Straßenpflaster wird aus Bruchsteinen, Stücken Ziegelsteinen u. Sand gut hergestellt, sinkt aber bei dem sumpfigen Boden bald u. löst sich in eine Art Staub auf; bei Thauwetter sind die Straßen oft zu Fuß gar nicht zu passiren. Man hat den Versuch gemacht, das Pflaster durch Holzblöcke zu ersetzen, allein nur auf dem Newskischen Prospect u. wenigen andern Straßen ist dies durchgeführt. Die Straßenbeleuchtung ist mittelst etwa 4500 Gaslaternen hergestellt. Wasserleitungen fehlen in P. gänzlich, ebenso gibt es keine Brunnen; da, wo man in die Erde schlägt, findet sich nur ein schwärzliches Brakwasser; die Einwohner sind daher nur auf das klare u. helle Newawasser zum Trinken u. zum andern Gebrauch angewiesen. Da P. nur 13–14 Fuß über dem Finnischen Meerbusen liegt, so kommt es bisweilen vor, daß, wenn im Frühjahr bei Hochwasser das Eis sich versetzt u. durch heftigen Ostwind außerdem das Wasser vom Finnischen Meerbusen her sich staut, die Newa sehr gefährliche Überschwemmungen verursacht, wie am 14. Nov. 1824. Sobald das Wasser an der westlichen Spitze von Wasilj-Ostrow aus den Ufern tritt, so feuert eine Alarmkanone auf der Admiralität alle Viertelstunden einen Schuß, steigt es noch höher, alle 5 Minuten, um zur beschleunigten Flucht zu mahnen, u. alle 2 Minuten, wenn das Wasser noch mehr steigt, um Schiffe u. Rettungsboote zur Hilfe herbeizurufen. Das Aufgehen des Eises wird im Frühjahr ebenfalls mit Alarmschüssen von der Festung begrüßt, u. der Gouverneur der Festung fährt als der. Erste in einem Nachen über den Fluß, um dem Kaiser einen Becher Newawasser darzubringen. Außer durch seine Lage in einer sandigen, unfruchtbaren, sumpfigen Gegend, wird P. auch noch dadurch sehr ungesund, daß oft die Temperatur in kurzer Frist wechselt.
An Kirchen u. Kapellen hat P. 179, darunter 39 Kirchen der nicht griechischen Confessionen; im Ganzen wird dort in 15 Sprachen gepredigt. Merkwürdig sind von den Kirchen der griechischen Confession: die Isaakskirche, am Peters- u. Admiralitätsplatze, aus Granit u. Marmor gebaut. Sie ist nach russischer Art im Viereck südlich am Petersplatze zu Ehren des St. Isaak von Dalmatien erbaut, ist 340 Fuß lang, 298 Fuß breit u. bis an die Spitze des Kreuzes der Hauptkuppel 317 Fuß hoch. Die Hauptkuppel, von vier kleineren umgeben, hat einen Durchmesser von 87 Fuß 4 Zoll. An jeder der vier Seiten führt eine breite Treppe zu einem Haupteingang hinauf, deren jeder durch sechs, mit bronzenen Basreliefs geschmückte Peristyle, aus 60 Fuß hohen, 7 Fuß dicken Säulen, aus einem rothen polirten Granitmonolithen bestehend, überdacht werden. Die mittlere Kuppel wird wieder von 32 Säulen getragen u. ist wie die übrigen Kuppeln mit Kupfer bedeckt u. vergoldet. Im Innern erheben sich 188 Colonnen u. Pilaster von weißem Marmor u. auch die Wände sind mit Marmor bekleidet. Im Winter wird die Kirche vermittelst 32 Öfen u. durch Röhren geheizt. Oben auf der Spitze des Kreuzes erscheint bei Nacht ein Lichtreflex, welchen die Russen den Stern Peters des Großen nennen. Eine von Peter dem Großen an dieser Stelle erbaute hölzerne Kirche war in Folge eines Blitzschlages abgebrannt; Katharina II. ließ daher 1768 nach dem Plane des Architekten Rinaldi den Grundstein zu der jetzigen Kirche legen; man baute daran viele Jahre u. trug dann das Gebäude, weil es unharmonisch war, wieder ab. Von 1819 an wurde der Bau endlich unter die Leitung Montferrands gestellt, u. am 11. Juni 1858 ward die Kirche eingeweiht. Die Kirche der Sta. Maria zu Kasan, an der Newskiperspective; sie ist eine Nachahmung der Peterskirche in Rom, doch im kleinern Maßstabe, hat 285 Fuß hohe Kuppel, 56 Granitmonolithen zu 30 Fuß Höhe u. 3 Fuß Dicke mit bronzenen Capitälen, marmornen Fußboden, wunderthätiges Gnadenbild, silberne Gallerie an den Treppen zum Chor u. bronzene Thüren; die den russischen Kirchen eigene Bilderwand ist von gediegenem Silber, welches die Kosacken (mehr als 3000. Pfund) aus der Beute der Feldzüge von 1812–15 hierher widmeten, u. an den Säulen sind Marschallsstäbe der Napoleonischen Feldherrn u. eine Menge Fahnen aus den Kriegen 1812–15, sowie türkische u. persische Städteschlüssel u. dgl. aufgehängt. In den Nischen kolossale Statuen der Großfürsten Wladimir, Alex. Newsky u. von St. Johannes u. St. Andreas. Das mit Perlen, Diamanten, Smaragden u. Saphiren reich bedeckte Madonnenbild, nach welchem die Kirche den Namen trägt, ließ Iwan Wasiljewitsch von Kasan nach Moskau, Peter der Große von hier nach P. bringen. Die Peter-Paulskirche, auf der Festung, 1712 von Peter d. Großen gegründet, mit hohen, spitzigen Thürmen, in den Gewölben unter ihr das kaiserliche [903] Begräbniß, in der Kirche aber Tropäen, bes. türkische u. russische Roßschweife, Fahnen, Commandostäbe u. Städteschlüssel; der hohe Glockenthurm ist mit vergoldeten Kupferplatten belegt. In dieser Kirche liegt Kutusow begraben. Die Preobratschenski-Kirche, am gleichnamigen Platze, mit Gitter, dessen Pfeiler 300 eroberte türkische u. französische, mit dem russischen Adler gekrönte Kanonen bilden, auch im Innern mit Tropäen geziert. Ferner die Trinitätskirche, die Nikolaikirche, am Nikolaikanal; die Auferstehungskirche, aus der Zeit Katharinas II., die kleine Kirche St. Michael bei dem Alexander-Newskikloster, mit Denkmälern Suworows, Miloradowitschs u. des Dichters Lomonosow. Von nicht griechischen Kirchen sind hier die katholische mit dem Denkmale Moreaus u. eine armenische auf der Newski-Perspective, eine holländisch reformirte, von Peter dem Großen dotirt, eine englische Kapelle, die lutherisch deutsche Annenkirche, die lutherische Petrikirche, mit einem Local zur Rettung Scheintodter, der Betsaal der Herrnhuter Brüdergemeinde am Ende der Isaaksstraße u.v.a. Klöster hat P. namentlich 3: das ehemals für Nonnen bestimmte Smolnoikloster, jetzt Erziehungsinstitut für adelige Fräuleins unter dem Schutz der Kaiserin. Das Gebäude liegt im Winkel, welchen die Newa macht, u. ist wie ein Kreuz gestaltet, dessen Inneres die weiten Höfe bilden; die Clausur bildet ein eisernes Gitter, die Kirche ist mit fünf blauen, mit goldenen Sternen besäten Kuppeln versehen, innen mit weißem Marmor u. Gold geschmückt, wird durch 24 Ofen geheizt, die Gemälde der Bilderblende sind alle von Zöglingen der Akademie der Bildenden Künste. Das Alexander-Newskimönchskloster, am Ende des Newski-Prospects an der Newa, von Peter dem Großen gegründet, es ist das dritte Lawrakloster Rußlands, Sitz des Metropoliten, ein Complex weiter Gebäude, welche ein großes Viereck umschließen, vor dessen einer Seite die prächtige Kirche liegt, mit den Gebeinen Alexander Newski's im silbernen Sarge u. Denkmal desselben von 5000 Pfund massiven Silbers; in der Kirche sind unter andern Merkwürdigkeiten die Schlüssel von Adrianopel. In der angrenzenden Kapelle viele Grabmäler russischer Großen; auch eine Bibliothek mit vielen Handschriften befindet sich hier. Das Sergiewsche Kloster, auf dem Wege von P. nach Peterhof. Kirchhöfe sind im Alexander-Newskikloster, der Smolenskische auf Wasilj. Ostrow, der Ochtasche beim Dorf Ochta u. der Wolkowsche, der größte, auf der Südseite der Stadt.
Kaiserliche Schlösser: der Winterpalast, jetzt eigentlich kaiserliche Residenz, an der Newa neben der Admiralität; er erhielt diesen Namen im Gegensatz des alten Michailowschen Schlosses, welches auch Sommerpalast hieß. Schon Peter der Große begann auf dieser Stelle einen Palast, in welchem er auch starb. Unter der Kaiserin Elisabeth wurde von Rastrelli 1754–62 sein Umbau ausgeführt; sodann, am 29. Decbr. 1837 bis auf die Mauern abgebrannt, wurde das Gebäude neu aufgeführt u. bereits Ostern 1839 wieder bezogen. Die Hauptfaçade liegt nach dem Alexanderplatz zu; von der Newaseite her führt eine große Auffahrt u. prächtige Marmortreppe in das erste Stock, welches die Säle für die Feste enthält; die Souterrains sind für Küchen u. Dienerschaft, die Entresols für die höheren Beamten; den zweiten Stock bewohnt die kaiserliche Familie. Der Palast bildet ein längliches Viereck, dessen lange Seite 721 Fuß lang ist; die innern Räume bergen eine Menge Kunstsachen u. Schätze, darunter auch die Reichskleinodien u. den großen Diamant (s.d.). Neben dem Winterpalais u. durch Gallerien mit ihm verbunden, liegt die Große u. Kleine Eremitage, von Katharina II. gebaut u. der Lieblingsaufenthalt dieser Kaiserin, wo sie residirte u. Gelehrte, Künstler u. russische Vornehme zu großartigen Abendgesellschaften versammelte, bei denen Ukase angeschlagen waren, worin gesagt war, daß hier jede Etikette aufhöre. Jetzt befinden sich die wichtigsten Sammlungen für Kunst u. Wissenschaft in ihr. Der dem Winterpalast nächste Theil ist 1765 von Lamotte, der zweite 1775 von Velten erbaut. Neben der Eremitage steht, durch eine Gallerie mit ihr verbunden, das kleine, 1804 von Guarenghi vollendete Hoftheater. Weiter die Newa aufwärts erhebt sich das Marmorpalais, 1770 bis 1783 von Katharina II. für Orlow am Marsfelde erbaut. Das Erdgeschoß des Palastes, welcher ein längliches Viereck bildet, ist von Granit, seine zwei Stock werke sind aus grauem geäderten Marmor, mit Pfeilern u. Säulen aus rothem geziert, errichtet. Der Polenkönig Stanislaus Poniatowski starb hier; später gehörte es dem Großfürsten Constantin. Südlich vom Marsfelde erhebt sich das Michailowsche Palais (früher als Sommerpalais, ein hölzernes Gebäude), vom Kaiser Paul festungsartig, mit einem Graben umgeben, gebaut u. dem Erzengel Michael geweiht. Hier fand Paul seinen Tod u. noch sind die Zimmer, wo er endete, vermauert. Über eine Zugbrücke gelangt man in den Hofraum, in welchem eine bronzene Reiterstatue Peter des Großen aufgestellt ist. In Verfall gerathen, wurde das Gebäude unter Kaiser Alexander wieder restaurirt, u. es befindet sich jetzt die Ingenieurschule darin u. die Sammlung der Pläne u. Modelle russischer u. anderer Festungen. Das Palais des Großfürsten Michael (das neue Michailowsche Palais), dessen Gärten östlich an die des vorigen stoßen, wurde 1819–25 unter Leitung Rossi's gebaut u. vom Kaiser Alexander seinem Bruder Michael geschenkt. Es ist 364 Fuß lang u. hat noch zwei Seitenflügel; der Schloßplatz davor ist durch ein vergoldetes Gitterwerk u. ein Einfahrtsthor von vier Pfeilern geziert. Eine Doppeltreppe führt von der Einfahrt aus nach dem ersten Stock. Dieser Palast ist innen so geschmackvoll eingerichtet, wie kein anderer in P. Das Anitschkowskische Palais, an dem Newski-Prospect u. nahe an der Fontanka, von der Kaiserin Elisabeth im Italienischen Styl aufgeführt u. dem Grafen Rasumowsky geschenkt, dann von Katharina II. zweimal angekauft u. zweimal Potemkin geschenkt, mit Eisengitter; der Kaiser Nikolaus bewohnte eo als Großfürst u. hielt sich auch später noch zeitweilig darin auf. Außen ist das Palais prächtig, innen aber einfach. Der Katharinenhof, ein kleines hölzernes Gebäude, von Peter dem Großen seiner Gemahlin erbaut, enthält viele Überreste von Peter dem Großen u. einen Garten, welcher einen beliebten Spatziergang der Petersburger bildet u. am 1. Mai bes. als Corso für die ganze vornehme Welt dient. Der Taurische Palast, von Katharina II für Potemkin erbaut, am Woskresensk-Prospect, mit großem Garten. Das Gebäude enthält einen großen Ballsaal von 320 Fuß Länge u. 70 Fuß Breite; dieser Saal steht durch einen Säulengang mit dem[904] ungeheuern Gewächshaussaal in Verbindung, zu dessen Erleuchtung 20,000 Kerzen nöthig sind, u. dessen kolossale Laokoongruppe am andern Ende nur mit Hülfe eines Fernglases gesehen werden kann. Nach Potemkins Tode kaufte Katharina den Palast zurück; Kaiser Paul wandelte einen Theil desselben zur Kaserne um, Kaiser Alexander ließ ihn aber wieder restauriren. Der Kaiserliche Palast auf der Insel Jelagin, der auf der Kamennoi Ostrow u. der Petrowski-Palast sind mehr Sommeraufenthalte. Der Rothe Palast, an der Südseite des Sommergartens, ist von Kaiser Paul erbaut worden. Als eine Dame eines Tages in rothen Handschuhen auf einem Hofballe erschienen war, ließ der Kaiser diesem Palaste eine rothe Farbe geben. Das kleine Haus Peters des Großen, welches dieser Kaiser während der Gründung der Stadt bewohnte, liegt auf der Petersburger Seite, unweit östlich der Festung, u. enthält noch das Bett, Schreibzeug u. andere von dem großen Kaiser benutzte Geräthschaften. Um es besser zu erhalten, ist es ganz mit Holz überkleidet. Das Schlafzimmer ist in eine Kapelle verwandelt.
Öffentliche Gebäude: die Admiralität, liegt an dem Admiralitätsplatz, Petersplatz u. neben dem Winterpalais u. hat die Newa vor sich, bildet ein gegen die Newa offenes längliches Viereck, dessen lange Seiten 652 Fuß lang sind; sie wurde von Peter dem Großen nur von Holz angelegt u. mit einem Wall umgeben, welcher jetzt abgetragen u. die Gräben ausgefüllt, zum Admiralitätsplatz gehört. Unter Katharina wurde sie in Stein umgebaut. Sie enthält Kanzleien, eine Seecadettenschule, eine Bibliothek, eine Sammlung von Schiffsmodellen u. Allem, was zum Schiffsbau nöthig ist; im innern Hofe befinden sich 6 Docks; vom spitzigen Thurm herab hat man die beste Übersicht über P. Die neue Admiralität, von der alten durch die Länge des Englischen Quais getrennt, weit kleiner als die vorige, hat bedeckte Werften u. Bassins zum Bau der größten Schiffe. Das alte u. das neue Zeughaus, einander gegenüber in dem Stückhosstadttheil u. am Woskresensk-Prospect gelegen, ersteres von Orlow gebaut u. seiner Monarchin geschenkt, letzteres vom Kaiser Alexander errichtet, beide mit ungeheuren Waffenvorräthen, Tropäen, Alterthümern, wie Strelitzenfahnen, der großen Kanone Iwans des Schrecklichen, welche eine Kugel von 68 Pfund schießt, die Uniformen u. Orden aller russischen Kaiser seit Peter dem Großen etc.; mit dem neuen Zeughause ist eine große Stückgießerei, von Dampfmaschinen getrieben, verbunden. Das Generalstabsgebäude, dem Winterpalais gerade gegenüber, halbmondförmig gebaut, ein ungeheurer Gebäudecomplex mit 7 Höfen, oben ein Siegeswagen mit 8 Pferden; das Gebäude ist reich an Sammlungen, enthält eine Bibliothek, Kartensammlung, viele Werkstätten, Druckereien etc.; auch das große u. geheime Archiv, von welchen das erstere alle auf die Geschichte der russischen Armee bezüglichen Documente, das letztere die Berichte der russischen Generale an die Kaiser enthält. Mehre Kasernen, die der Chevaliergarde bei dem Arsenal, die der Semenowschen, Preobratschenskischen Garde an deren Paradeplatz, die am Marsfeld, die der Artillerie etc., viele von ihnen liegen auf der Wiborgischen Seite u. (wie die der Marine) in Ochta, die der Leibkosacken an der obern Newa; in beiden Stadttheilen sind auch Artillerie- u. andere Magazine, Seilerbahnen, Laboratorien; neuere Kasernen sind auch auf Wasilj-Ostrow u. der Petersburger Seite vertheilt; ferner das Senats- u. das damit verbundene Heiligen Synodgebäude, westlich der Admiralität; darin u.a. die von Katharina II. selbst gefertigte Abschrift des Russischen Gesetzbuches in silbernem Schranke; westlich von diesem das Marineministerium, am Englischen Quai; endlich die Paläste der Ministerien des Kriegs, unsern der Isaakskirche, des Äußern, neben dem Generalstabsgebäude, des kaiserlichen Hofes, östlich dem Winterpalais, der Finanzen u. der Justiz, an od. nahe an der Newski-Perspective, das Gebäude des Ingenieurcorps, im Süden des Sommergartens, das Rathhaus an der Newski-Perspective; das Exercierhaus im Michailowschen Quartier, 650 Fuß lang, 150 breit, worin 16 große Ofen im Winter Wärme geben; der kaiserliche Marstall mit Reitschule, Reichsassignationsbank, Oberpostamtsgebäude, Archiv, der Börse gegenüber, Kaiserliches Cabinet, Schatzkammergebäude, Pagenhaus, Zollgebäude, Magazine, auch nicht für Militärzwecke, so das Hanfmagazin u. das Häringsmagazin, beide auf kleinen Inseln der Newa. Unter den Privatpalästen zeichnen sich bes. aus: das Französische Gesandtschaftshotel an der Newa u. in der Nähe der Eremitage, die der Familien Stroganow, Bezborodko, Scheremtjew, Gagarin, Belosewsky, Labanow etc.
Öffentliche Anstalten aller Art sind mit kaiserlicher Munificenz in P. bedacht, an vielen haben auch Privatpersonen als Stifter u. Erhalter Antheil. Gelehrte u. Kunstgesellschaften: Kaiserliche Akademie der Wissenschaften; sie besitzt ein von Peter dem Großen 1725 gegründetes Gebäude auf Wasilj-Ostrow u. eine Bibliothek mit zahlreichen, namentlich orientalischen Manuscripten (mit der Bibliothek des Baron Schilling); die Akademie der Schönen Künste, auch mit Palast auf Wasilj-Ostrow, worin 300 Kinder freier Eltern den Künsten erzogen werden, Stiftung Katharinens II.; die Freie Gesellschaft der Freunde der Schönen Wissenschaften u. Künste, die Gesellschaft der Freunde u. Beförderer der Russischen Sprache, die Medicinische Gesellschaft, die Geographische, Pharmaceutische, Botanische, für Forstkunde, Mineralogische, Philanthropische, Militärische Gesellschaft, Gesellschaft zur Beförderung des Landbaues u. die zur Aufmunterung junger Künstler, welche die besten Zöglinge der Kunstinstitute ins Ausland, bes. nach Italien, sendet. Unter den Sammlungen u. wissenschaftlichen Anstalten ragen die in der Eremitage u. die Kaiserliche Gemäldesammlung bes. hervor, in ihr sind viele Stücke bes. aus der Niederländischen u. Italienischen Schule, auch ist das vom Kaiser Alexander angekaufte Cabinet der Kaiserin Josephine u. ein Kupferstichcabinet, auch drei Säle mit antiken Statuen damit vereint; ferner ist in der Eremitage das Antiquitätencabinet, u.a. mit den in den Grabhügeln von Südrußland gefundenen Kostbarkeiten, die Sammlung von Gemmen, meist aus der von Rußland angekauften Sammlung des Herzogs von Orleans (Egalité), die Kronjuwelen u. anderweitigen Kostbarkeiten in einem besonderen Cabinet, u. in einem mit genauen Copien der Loggien von Rafael im Vatican ausgemalten Flügel ist eine Sammlung von Elfenbein- u. Holzschnitzereien, auch Wachsbossirereien, größtentheils Arbeiten von Russen, in andern Sälen ein Münzcabinet aufgestellt, u. endlich befindet sich auch eine Bibliothek darin. Außerhalb der Eremitage[905] sind in vielen Palästen u. öffentlichen Anstalten Kunstschätze aller Art aufgehäuft, so in der Akademie der Künste ein Museum der Sculptur u. Architektur, im Taurischen Palais eine Sammlung von Bildsäulen, meist Copien, bei der Akademie der Wissenschaften ein Asiatisches Museum, mit der größten Sammlung orientalischer Münzen, welche es irgendwo gibt, eine ähnliche des Bergcadettencorps, ebenda eine Sammlung von Maschinen, Modellen etc., eine ähnliche Sammlung im Bergwerksgebäude, die Waffensammlung im Arsenale, die Ethnographische Sammlung. Außerdem gibt es auch bedeutende Privatgemäldesammlungen zu denen der Zutritt gestattet ist, namentlich die Stroganowsche, Narischkinsche u. die der Fürsten Belozolsky u. Bezborodko. Von Naturhistorischen Sammlungen ist die ausgezeichnetste die der Akademie der Wissenschaften; sie enthält bes. die kostbarsten urweltlichen Gegenstände, u.a. ein fast noch vollständig erhaltenes Mammuth aus dem Eise der Lena, ein sehr reichhaltiges Zoologisches Cabinet, bes. von Thieren Nordasiens; das dasige Mineralogische Cabinet wird von dem des Bergcadettencorps bei Weitem übertroffen, welches die seltensten Sachen enthält, u.a. eine Pyramide aus sibirischen Edelsteinen, eine Eisendruse mit einer Höhle, in die ein Mensch eintreten kann. Mehre dieser Sammlungen sind gegenwärtig in dem Museum in der Millionstraße vereint worden, welches seit 1842 unter Leitung des Bauraths L. von Kleuze aus München erbaut worden ist. Der Botanische Garten auf der Apothekerinsel im Petersburger Stadttheil hat große Gewächshäuser u. Gebäude, u. a das größte Palmenhaus der Erde. Anstatt des kleinen u. unvollkommenen Observatorium auf dem Börsenplatze zu Wasilj-Ostrow wurde von dem Architekten Brülow eine Centralsternwarte einige Werste von P. auf dem Hügel Pulkowa erbaut u. 1839 eingeweiht; sie ist eingerichtet, daß das obere Stock gedreht werden kann, u. mit den kostbarsten Instrumenten, u.a. mit einem Riesenrefractor von Fraunhofer, versehen. Von den Bibliotheken ist die wichtigste die Kaiserliche Bibliothek, deren Gebäude an dem Newski-Prospect nahe der Kasankathedrale liegt; sie enthält über 500,000 Bände u. eine große Anzahl werthvoller, namentlich orientalischer Handschriften, u. wurde durch Ankäufe der vorigen Kaiser seit Peter dem Großen, sowie durch polnische Bibliotheken, welche von Warschau, Wilna etc. nach dem Polnischen Insurrectionskriege hierher versetzt wurden, gestiftet u. unterhalten; auch besitzt sie alle in Rußland gedruckten Bücher. Die Bibliothek des Generalstabs, im Generalitätsgebäude, enthält alle Werke von historischem, geographischem od. militärischem Interesse, sowie eine Kartensammlung, eine Sammlung aller Maßstäbe, Archive über die russische Armee in den letzten 40 Jahren, geschichtliche Archive etc.; andere gute Bibliotheken sind in der Eremitage, die Bibliotheken von Voltaire u. Diderot enthaltend, im Marmorpalast, der Universität, der Akademie der Wissenschaften, des Cadettencorps etc., wie denn fast jede Anstalt ihre Bibliothek hat. Von Privatbibliotheken, welche dem Publicum offen stehen, ist die größte die Romanzowsche Bibliothek, in einem Gebäude am Englischen Quai. Unterrichtsanstalten. Die Universität ist 1819 gestiftet, sie hat 64 Lehrer u. gegen 300 Studenten u. enthält auch eine Buchdruckerei u. eine Bibliothek. Die mit derselben verbundene Abtheilung für Orientalische Sprachen wurde 1854 in eine besondere Facultät für Orientalische Sprachen verwandelt u. mit 9 Professoren, 3 Adjuncten u. 3 Lectoren besetzt. Die Chirurgischmedicinische Akademie ist von Peter dem Großen gestiftet u. von Alexander erneuert, sie ist dotirt mit 386,000 Rubel u. enthält 520 Zöglinge; das Pädagogische Centralinstitut, 1828 wieder hergestellt u. mit der Universität in gleichem Range stehend, bildet Oberlehrer; die Kirchliche Akademie von St. Petersburg, eine der vier Anstalten dieser Art in Rußland, lehrt Theologie der Griechischen Kirche u. bildet junge Geistliche; die Kaiserliche Rechtsschule; das erste u. zweite Landcadettencorps, das erste auf Wasilj-Ostrow, das zweite auf der Petersburger Seite; die Fähnrichschule; das Pagencorps, eine Militärschule, deren Schüler, meist vom hohen Adel, Pagendienste bei Hof thun; die 1809 eröffnete Artillerieschule; das Marinecadettencorps auf Wasitj- Ostrow, von Peter dem Großen gegründet, von Alexander I. 1803 durch eine Navigationsschule vermehrt: die Reitschule in den kaiserlichen Ställen unsern des Michailowschen Palais; die Thierarzneischule; das Institut für Ingenieure der Brücken u. Wege; das Bergcadettencorps (Bergcorps, Gornoi corpus), welches 1804 eine weitere Ausdehnung erhielt, mit einem vollständigen Bergwerksmodell u. vielen Sammlungen (s. oben); das Orientalische Collegium, seit 1823, zur Bildung orientalischer Dolmetscher; die Hohe Schule, 1822 gegründet, eine Art Gymnasium; mehre andere Gymnasien, in der Regel mit adeligen Pensionen, die Handelsschule, die Schule der Handelsmarine, vom Kaiser Nikolaus zur Bildung tüchtiger Capitäne u. Steuerleute für die Handelsmarinegegründet, zugleich ist sie Schiffsbauschule, u. 32 Zöglinge erhalten in ihr freie Station; das Technologische Institut, 1829 gegründet, in welchem mehr als 200 Zöglinge im Seidenspinnen, in Fabrikation von Tuch, Seide, im Zimmern, Holzschnitzen, Kupferstechen etc. unterrichtet werden; die Schule für Civilingenieure, das Forst- u. Meßinstitut, die Theaterschule, die Metallprobierschule; die Kaiserliche Ackerbauschule, 1801 gestiftet; das Ackerbauinstitut der Gräfin Stroganow; die vom Herzog von Oldenburg 1840 gegründete Ackerbauschule bei Kalanoja (9 Werft von P.); die Protestantische Hauptschule, wo der Unterricht deutsch gegeben wird, u. sehr viele russische u. einige deutsche Elementarschulen. Für weibliche Erziehungsinstitute hat die Munificenz der verschiedenen Kaiserinnen reichlich gesorgt; das großartigste ist das Erziehungsinstitut im Kloster Smolnoi (s. oben); das Katharineninstitut, in welchem 180 Mädchen aus vornehmen Familien erzogen werden; das Institut der Sta Maria für bürgerliche Mädchen etc., die Deutschen Schulen der Sta. Anna u. Katharina u. viele russische Mädchenschulen, ein Conservatorium für Musik u. Theater.
Wohlthätigkeitsanstalten: Militärlazarethe sind gut dotirt u. in großer Zahl vorhanden, bes. auf der Wiborger Seite u. den Inseln; Bürgerhospitäler bestehen ebenfalls in großer Zahl, durch Stiftungen von Gliedern der kaiserlichen Familie od. reicher Russen entstanden u. mit guter Einrichtung. Die bedeutenderen sind das Abuchowsche (Stadt-) Krankenhaus an der Fontanka, welches 1784 gestiftet ist, 600 Betten enthält, u., wenn es nicht an Platz mangelt, Jeden ohne Unterschied des Standes, der Nation u. Religion aufnimmt; das Marinehospital, 1803 von der Kaiserin [906] Maria gestiftet, für 350 Betten u.m.a., das Iwanowsche Hospital, das Kalinkische Hospital für Venerische, die Bogodelnia, eine große Krankenanstalt für Unheilbare, unweit des Smolnoiklosters, für 1400 Kranke; die Züchtlinge eines damit in Verbindung stehenden Zuchthauses müssen die Kranken bedienen; das Armenhospital, 1813 vom Kaiser Alexander gestiftet; Anstalt für Augen- u. Ohrenkranke, seit 1825 von Dr. Strauch aus Privatmitteln gegründet. Auch gibt es ein Taubstummeninstitut u. ein Irrenhaus (Bolnitza wsäch skarbiadschnich), außerhalb der Stadt auf dem Wege nach Peterhof, für 130 Irre. Das Findelhaus (Wospitatelnoi Dom, d.i. Erziehungshaus), 1770 von Katharina II. errichtet; die dazu gehörigen Gebäude füllen den Zwischenraum zwischen dem Newski-Prospect u. der Erbsenstraße aus, bilden einen kleinen Stadttheil, sind von mehr als 6000 Menschen bewohnt u. aus den ehemaligen Palästen der Fürsten Bobinsky u. Rasumowsky errichtet. Eheliche u. uneheliche Kinder werden angenommen u. oft von Bessarabien od. dem Russischen Asien nach P. geschickt. 6 Wochen werden die Kinder in der Anstalt von den hier gehaltenen 700 Ammen genährt, dann zu Bürgern u. Bauern bis auf 18 Meilen um P. gegeben, wo die Mädchen im 6. Jahre nach P. zurück, die Knaben in die Zweiganstalt zu Gatschina kommen. Die Knaben werden in den kaiserlichen Fabriken od. zu Handwerken, Kaufleuten u. Soldaten, die Mädchen als Gouvernanten, Kinderwärterinnen u. Dienstmädchen verwendet. Zu den Einkünften des Instituts gehört auch das Spielkartenmonopol. Mit dem Findelhause ist ein unentgeldliches Entbindungshaus verbunden. Wohlthätigkeitsvereine bestehen zahlreich in P., so gibt es eine Kaiserliche Gesellschaft zur Aufmunterung der Schulen des wechselseitigen Unterrichts, eine Frauengesellschaft zur Erziehung armer Kinder, eine Gesellschaft zur Verbesserung des Zustandes der Gefangenen u.a.m.
Industrie u. Handel. Auf kaiserliche Rechnung werden betrieben: eine Hautelissetapetenfabrik, von Peter dem Großen angelegt, durch französische Arbeiter in der Sonntagsstraße betrieben; eine Spiegelfabrik, mit Krystallschleiserei u. Glasbrennerei verbunden, in der Nähe des Alexander-Newskiklosters; eine Papierfabrik u. Edelsteinschleiferei in Peterhof; eine Porzellanfabrik, welche die größten u. schönsten Arbeiten liefert, bes. köstliche Vasen; die Kanonengießerei im Arsenal; eine Eisengußfabrik im vierten Admiralitätstheil, sowie Baumwollen- u. Seidenwebereien. Von Privatfabriken sind bes. merkwürdig die Etablissements Bearths, eines Briten, welche aus einer Zuckerraffinerie (deren Zucker, weil zum Reinigen desselben kein Ochsenblut gebraucht wird, während der Fastenzeit, wo der Russe nichts Thierisches genießen darf, durch ganz Rußland geht), einer Eisengießerei, einer Porzellanfabrik u. noch andern Industriezweigen besteht, dann einige Baumwollen- u. Wollenwaarenfabriken u. außerdem zahlreiche Etablissements zur Herstellung von mathematischen u. optischen Instrumenten, Gold- u. Silberwaaren, Seide, Tapeten, Kattun, Uhren, Galanteriewaaren, Pulver (gegen 50 theils kaiserliche, theils Privatmühlen bei. P.); auch baut man kleinere u. größere Schiffe in P. Die höhern Handwerke, Gastwirthschaften, Restaurationen u. dgl. betreiben meist Deutsche, od. Kur- u. Livländer; nur die Volkneipen (Kabaks) besorgen Russen. Der Kleinhandel geschieht halb russisch, halb ausländisch. Die Russen bringen nämlich die Landesproducte jedes auf einen besondern Markt; so gibt es für die Früchte, die Südfrüchte, welche von großer Schönheit aus Treibhäusern od. von Astrachan, od. auch zur See herbeigebracht werden, Wildpret, Singvögel, Blumen, im Winter gefrorene Fische etc. eigne Märkte; frische Fische werden in eigenen, bunt angemalten schwimmenden Fischbehältern (Ssadoks) auf der Newa verkauft. Teppich- u. Shawlhandel betreiben fast nur Perser u. Georgier. Den Großhandel haben Deutsche u. vorzüglich Engländer, sowie einige Russen in den Händen. Der. größere Theil der einlaufenden Schiffe sind englische. Außer dem Galeerenhafen für die kaiserlichen Galeeren am Ende von Wasilj-Ostrow hat P. in der Newa, wo sich die Große u. Kleine Newa trennen, einen kleinen Hafen für Kauffahrteischiffe, welche nicht über 7 Fuß tief gehen, alle übrigen bleiben in Kronstadt, welches der eigentliche Hafen von P. ist. Die hier liegenden Schiffe werden mittelst Lichterschiffen ausgeladen u. auf der Newa u. mittelst der Kanäle zur Stadt geführt; dieselben Lichter bringen ihnen Retourgüter. Diese gehen reichlich aus dem innern Rußland durch die Kanalverbindungen ein, welche die Newa mit dem Weißen, Kaspischen u. Schwarzen Meere in directe Wasserverbindung bringen, u. durch die Communication, welche Winters die Schlittenbahn gewährt. Die Schifffahrtsbewegung P-s ist sehr bedeutend; im Jahre 1858 waren 2132 Schiffe angekommen u. 2120 abgegangen; die Ausfuhr (Hanf, Talg, Pottasche, Öl, Häute, Eisen, Pelzwerk, Federn, Segeltuch u. dgl.) betrug im selben Jahre fast 632/3 Mill. Silberrubel, die Einfuhr (Obst u. Südfrüchte, Töpferwaaren, Bleistifte, französische u. deutsche Modewaaren, englische Colonialwaaren u. dgl.) mehr als 95; Mill. Silberrubel. Den Handel befördern die Börse auf Wasilj-Ostrow auf dem Börsenplatz, dem kaiserlichen Archiv gegenüber, in Kreuzesform, mit ungeheuerem Saal, von wo aus breite Granittreppen zur Newa hinabführen, wo zwei dicke, 100 Fuß hohe Säulen mit metallenen Schiffsschnäbeln steben; bei der Börse wird im Frühjahr kurz nach Eröffnung der Schifffahrt ein bedeutender Markt gehalten; ferner die Bank, die Handelskammer, mehre Handels- u. Assecuranzgesellschaften, zahlreiche u. gute Chausseen, welche von allen Seiten her in P. münden; eine lebhafte u. gute Dampfschifffahrt nach fast allen wichtigen Punkten der Ostsee, nach Kronstadt u. von da aus nach Riga, Lübeck etc.; Eisenbahnverbindung besitzt P. mit Pawlowsk, mit Moskau (seit November 1851) u. mit Wilna. Elektrische Telegraphenlinien verbinden P. nach allen Richtungen hin mit den größeren Plätzen des In- u. Auslandes. Der Buchhandel in P. ist bedeutend, u. zwar theils in der Russischen, theils der Französischen u. Deutschen Literatur.
P. ist mehr eine westeuropäische Stadt, worin nur russische Elemente eingemischt sind. Dies bemerkt man nirgends mehr, als wenn man das Straßenleben beobachtet. Dies erscheint in P. weniger lebendig, als man von einer solchen Hauptstadt erwarten sollte. Nur auf Wasilj-Ostrow, am Hafen u. auf der Isaaksbrücke ist das Gedränge groß, in den andern Straßen läßt die Breite u. Länge derselben die Menschen nicht bemerken; noch am lebhaftesten sind die Quais, bes. der Englische, der Peters- u. Admiralitätsplatz u. die Newski-Perspective. Sehr bunt ist der Anblick der Straßen durch die verschiedenen [907] Trachten, denn nächst Uniformen, welche nicht nur die Soldaten, sondern auch die Beamten tragen, waltet der europäische Frack u. der runde Hut, dann die Nationaltracht der bärtigen Russen vor, in welche Polen, Ungarn, Armenier, Perser, Türken u. zur See ankommende Fremde eingemengt sind Zu Fuß geht man, wegen der großen Entfernungen u. da die Straßen oft schmutzig sind, nur wenig; nur Morgens von 10 bis Nachmittags 3 Uhr promenirt die schöne Welt auf der Newski-Perspective, von da an bis um 5 Uhr auf dem Englischen Quai. Die Damen fahren in Karossen od. in Birutschen u. Kaleschen, die Männer in Droschken, selbst der Kaiser bedient sich einer solchen. Die Kutscher beider sind in russischer Tracht gekleidet u. fahren rasch. Meist sind es Nationalrussen od. Finnen, doch oft auch aus andern Nationen, ihr Fuhrwerk aber von dem elegantesten bis zum schlechtesten herab. Man handelt mit ihnen um den Preis der Fahrt. Die Iswoschtschiks (Droschkenkutscher) halten an den Straßenecken od. durchfahren leer die Straßen. Die Straßenpolizei handhaben die Butschniks; sie halten sich in kleinen Buden (Butken) auf, verhaften den gegen das Straßenreglement Handelnden u. geben mit ihren Pfeifen den nächsten Posten ein Zeichen, den etwa Fliehenden aufzuhalten. Die Butschniks haben an den Polizeihäusern ihren Ressort u. werden von Polizeibeamten controlirt. Des Nachts patrouilliren kleine Gendarmenabtheilungen zu Pferd durch die Straßen. Dies u. die überhaupt treffliche Polizei bewirkt, daß man in P. wenig von Dieben, Gaunern, Freudenmädchen u. Bettlern incommodirt wird, u. dies läßt die mannigfachen Mühen vergessen, welche der Fremde bei der Ankunft mit dem Zoll u. den Pässen, u. bei der Abreise hat, wo Niemand P. verlassen darf, dessen Abreise nicht zuvor dreimal in der Petersburger Zeitung bekannt gemacht wurde. Mordanfälle kommen in P. fast gar nicht vor, am häufigsten noch im Winter auf dem Newaeis. In jedem Stadttheil befindet sich ein Polizeigebäude mit hohem Wachtthurm, an welchem bei Tage durch schwarze Kugeln, bei Nacht durch Laternen der Ort signalisirt wird, wo etwa Feuer ausgebrochen. Die Löschanstalten sind vorzüglich, so daß man von Feuerlärm gar nichts weiß. P. eigenthümlich sind in den Straßen angebrachte Öfen, an denen sich im Winter die Kutscher wärmen. Eine eigene Erscheinung in P. ist die Menge Krähen u. Tauben; erstere bedecken in Schaaren die Monumente u. Dächer, letztere alle von der graublauen Art laufen in großer Menge zwischen Menschen u. Droschken auf den Straßen umher, da sie die Russen, als Bild des Heiligen Geistes, für heilig halten u. nicht verspeisen. Der Handwerker, auch die deutschen, u. der niedere Mittelstand lebt ziemlich eingeschränkt u. sparsam; dagegen die höheren Stände, zu welchen auch der vornehme Mittelstand gehört, leben mit ungemeinem Luxus u. Aufwand, der die Theuerung, welche in Luxusgegenständen herrscht, noch erhöht. Die Lebensmittel sind im Allgemeinen sehr billig, u. daher sind auch die Mahlzeiten meist sehr gewählt. Gastfreundschaft wird in ausgedehntester Weise geübt. Mit der Kleidung, welche außerordentlich theuer ist, wird gleichwohl ein großer Aufwand getrieben. Equipage hält Jeder, der nur einigermaßen es vermag. Es wird viel u. hoch gespielt, oft die ganze Nacht hindurch. Die ganze Gesellschaft ist sein gebildet; Französisch ist gewöhnlich die Conversationssprache, u. dazu Englisch zu verstehen gehört zum guten Ton; die Damen sprechen oft noch italienisch; Musik wird, bes. von den Damen, mit Eifer getrieben.
Das üppige Leben P-s trägt sich auf die öffentlichen Vergnügungen über. Die Theater machen den wichtigsten Theil derselben aus. Es gibt 5 Theater: das Hoftheater bei der Eremitage, 1780 erbaut, nur zu Hoffesten benutzt; das Bolshoi od. Große Theater, auch Steintheater (Camino-Theatro) genannt, 5000 Menschen fassend, wo deutsche u. russische Opern u. Ballets gegeben werden; das Alexander- (Russische) Theater, welches 1830–32 Rossi auf der Newski-Perspective eröffnete, ist durchaus von Eisen u. Stein, nur der Maschinenboden u. das Podium sind von Holz; das Michailowsche (Französische u. Deutsche) u. das Theater auf Wasilj-Ostrow (Sommertheater). Die elegante Welt besucht am meisten das Französische Theater u. bes. die Vaudevillesstücken, weniger ist das Deutsche Theater besucht, das Russische vervollkommnet sich bei wachsendem Nationalgefühl immer mehr. Sämmtliche Theater sind kaiserliche. Auch gibt es verschiedene Clubs in P. Die bedeutendsten u. besuchtesten der zahlreichen öffentlichen Gärten sind der Große Sommergarten u. der Garten am Taurischen Palaste. Pferderennen finden im Sommer u. Winter statt. Statt der Kaffeehäuser gibt es in P. Theebuden, welche im Sommer sich in Eisbuden verwandeln. Überhaupt herrscht der Thee statt des Kaffees vor, von dem man nur in seinen Hauswirthschaften eine kleine Tasse nach dem Mittagsessen bekommt. Tables d'hôte u. Restaurationen sind weniger besucht als in andern europäischen Hauptstädten, in den zahlreichen Kellern verkehrt nur die niedere Klasse. Volksfeste sind häufig, bes. nach altrussischer Sitte die Butterwoche (Mastinizza), die Woche vor Fasten, wo auf dem Admiralitätsplatz Rutschberge u. Schaukeln (Katscheli), Panoramas, Kindercaroussels, Gaukler- u. Seiltänzerbuden erbaut sind, wo Thee getrunken u. von den Reichen Spazierfahrten (Gulanien) auf langen Bahnen zwischen dem Gewühl gehalten werden, dabei ist in allen Theatern täglich dreimal Theater u. im Großen Theater findet der große Maskenball statt, welchem der Kaiser selbst beiwohnt. Nach der Fastenzeit folgt die Palmsonntagwoche, die Osternacht, die Ostermahlzeiten, der Ostertag mit seinen Ostereiern u. Osterküssen, das Erinnerungsfest an die Todten, am Montag nach Ostern, mit Essen u. Trinken begangen. Andere Volksfeste sind die Weihnachtsmärkte, wo Pyramiden von Ochsen, Hammeln, Kälbern, Fischen, Hühnern, Gänsen zusammengefroren aufgebaut werden; das Ochsenfest, im Sommer auf dem Paradeplatz, wo eine Pyramide von Würsten, Schinken, Eiern, von einem vergoldeten Ochsenkopf gekrönt u. mit Fontainen von Wein, Bier u. Branntwein umgeben, dem Volke Preis gegeben u. von ihm auf ein gegebenes Zeichen erobert wird; das Sommerfest in Peterhof, das Neujahrsfest im Georgensaal, wo der Kaiser 20,000 Geladene bewirthet, die Newasegnung am Dreikönigstag, das Frühlingsfest an dem Tage St. Peter u. Paul u. auch die großen militärischen Paraden gehören für die Petersburger zu den Volksfesten. Bei allen diesen Festen findet stets Ordnung statt, u. selten hat die Polizei Ursache einzuschreiten. In den Wintergärten, Gärten zur Winterzeit von Orangen u. exotischen Gewächsen in Sälen erzogen (deren ersten[908] Fürst Potemkin in dem Taurischen Palast Katharinas II. schuf) u. in den Treibhäusern gibt sich der Petersburger im Winter den Frühling. Wenn dieser aber wirklich anbricht, u. bes. am. 1. Mai, zieht die elegante Welt auf die Inseln, nach Ochta u. den nächsten Dörfern, wo Datschen, d.h. Villen jeder Art, der schönen Welt Sommerwohnungen bieten. Nächst diesen finden Spaziergänge im Winter auf dem Englischen Quai u. der Newski-Perspective, im Sommer Spazierfahrten nach Novaja Dereweja, wo die Struvesche Mineralwasseranstalt ist, nach den dem Publicum geöffneten Stroganowschen u. Besborodkowschen Gärten, weiter nach den kaiserlichen Lustschlössern Peterhof, Gatschina, Oranienbaum, Krasnoje Selo, Pawlowsk, Strelna etc., sowie auf der Eisenbahn nach Zarskoje Selo statt. Ein sehr besuchtes Dorf ist Porogotowa, westlich von P., mit Park.
Die Bevölkerung von P. belief sich nach der Zählung von 1856 auf 494,656 Einw., ohne das Militär. Unter diesen sind vielleicht 100,000 Nichtrussen, u. unter diesen wenigstens 30,000 Deutsche, viele Briten u. dann Dänen, Schweden, Ungarn, Spanier, Portugiesen als Kauflente, viele Franzosen als Künstler, Schweizer als Hauslehrer, Finnen als Kaminfeger, Polen, welche andere Geschäfte, u. Armenier, Perser u. Türken, die mehrfach Handel treiben; auffallend ist die geringe Zahl der Frauen. Die Zahl der Häuser beträgt 9000, von denen 487 Kron- u. 107 andere Gebäude sind, welche öffentlichen Instituten u. Gesellschaften gehören. Im Jahre 1783 hatte P. nicht mehr als 199 Krongebäude u. 3627 Privathäuser, u. 1784 betrug die Bevölkerung 191,846 Seelen, einschließlich des Militärs. Im Jahre 1826 belief sich die Bevölkerung auf 320,000, 1831 auf 446,000, 1836 auf 451,000, 1839 auf 469,000, 1843 auf 443,000 Seelen (darunter nur 152,000 weiblichen Geschlechts, sodann 120,000 Leibeigene u. 70,000 Militärpersonen), 1852, einschließlich des Militärs, 532,241. Außerdem kommen im Frühjahr gegen 150,000 aus dem Innern des Reichs hierher, theils als Arbeiter auf den Barken, theils als Maurer, Zimmerleute etc. Die städtischen Einkünfte beliefen sich 1856 auf nahezu 32/3 Millionen Silberrubel.
P. wurde von Peter dem Großen während des Nordischen Kriegs 1703 angelegt, der Czar selbst leitete den Bau der Festung von dem noch vorhandenen hölzernen Haus aus. Als Gründungstag wird der 28. Mai u. St. gefeiert. Die Großen, welche sich bei Peter beliebt machen wollten, bauten Stadttheile, u. Peters Nachfolger beeiferten sich die neue Hauptstadt möglichst auszuschmücken. Vorzüglich thätig war hierin Katharina II, Alexander u. Nikolas. 1720 wurde P. Sitz der Regierung. Feindliche Einfälle erfuhr es nicht, doch wurde es der Schauplatz mehrer Militär- u. Palastrevolutionen, Kaiser Paul wurde 1801 im Michailowschen Palaste ermordet; 1820 empörte sich das Sewenowsche Garderegiment, 1825 revoltirten andere Truppen. Hier am 5. Mai 1762 Friede zwischen Rußland u. Preußen; am 5. Aug. 1772 Vertrag Rußlands mit Preußen u. Österreich über die erste Theilung Polens; am 11. April 1805 Concertvertrag zwischen Rußland, Österreich u. England, woraus der Krieg gegen Frankreich 1805 entstand, u. am 24. März 1812 Geheimer Vertrag mit Schweden gegen Frankreich. Durch Feuersbrünste hat P. gelitten 1837, wo der Winterpalast, 1853, wo ein Kaiserliches Theater abbrannte, 1854 u. 1855, wo es im Quartier Narwa u. Moskau brannte. Vgl. Boghandow, Historisch-geographisch-statistische Beschreibung von St. P., Petersb. 1779; Georgi, Beschreibung von St. P. u. den Denkwürdigkeiten der Umgegend, Lpz. 1793, 2 Bde.; H. Storch, Gemälde von St. P., Riga 1794, 2 Bde.; H. Reimers, P. am Ende seines 1. Jahrhunderts, Lpz. 1805 f., 2 Bde.; Gemälde von St. P., ebd. 1822; R. Granville, Petersbourgh, Lond. 1829, 2 Bde.; F. I. L. von Meyer, Darstellungen aus Rußlands Kaiserstadt, Hamb. 1829; I. G. Kohl, P. in Bildern u. Skizzen, Dresd. 1841, 2 Thle.; Treumund Welp, Petersburger Skizzen, Lpz. 1842, 6 Thle.; Jerrmann, Unpolitische Bilder aus St. P., Berl. 1854.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.