- Mimik
Mimik (v. gr.), Geberdenkunst, das Ganze der verschiedenen Bewegungen des menschlichen Körpers u. seiner Theile in Beziehung auf den versinnlichten Ausdruck gewisser Ideen, Gefühle u. Bestrebungen. Die zweckmäßige Anwendung der Hände (Gesticulation) in der M. ist Gegenstand der Chironomie. Die M. ist Kunst des Raums u. der Zeit zugleich, indem alle Bewegungen u. Zeichen succesiv erfolgen u. an einem bestimmten Objecte (am menschlichen Körper) beobachtet werden können. Die ästhetische Totalität verlangt, daß die[277] einzelnen Bewegungen u. Zeichen unmittelbar auseinander hervorgehen u. auf einander folgen (Mimische Eumetrie); daß Geschwindigkeit u. Stärke in einerlei Verhältniß bleiben (Symmetrie der M.); sie verlangt Sparsamkeit mit Action u. Gesticulation. Obgleich die allgemeinen Regeln des mimischen Spiels immer dieselben bleiben, so findet doch ein großer Unterschied in ihrer Anwendung Statt, wenn dieses Spiel in der Pantomime ein in sich zusammenhängendes Ganze bilden, od. wenn dasselbe die declamatorische Darstellung begleiten soll.
Bei dem Redner ist die Gesticulation nur Unterstützerin u. Begleiterin der Declamation; sie folgt, in einer bestimmten u. sorgfältig berechneten Gradation, nur dem Wichtigern u. hebt durch ihr freies, versinnlichendes Spiel die vorzüglichsten Gedanken hervor, die vermittelst der körperlichen Bewegungen u. Zeichen dem Zuhörer noch stärker, als durch die bloßen Worte, zugeführt werden sollen. Die M. des Schauspielers dagegen, dessen ästhetische Aufgabe die vollendete Darstellung der übernommenen Rolle ist, hat dann ästhetische Vollendung, wenn sie durchgehend dem Charakter der darzustellenden Rolle angemessen ist u. diese Darstellung zweckmäßig unterstützt u. begleitet. Das mimische Spiel bildet aber auch, als Pantomime, ein in sich zusammenhängendes Ganze, sobald es Ideen, Gefühle u. Bestrebungen, ganz ohne begleitende Worte, versinnlichen u. darstellen soll. Hier, wo jedes andere Mittel der Verständlichkeit der gebrauchten mimischen Zeichen u. Bewegungen wegfällt, muß völlige Wahrheit, Deutlichkeit u. Bestimmtheit durchaus herrschen, wenn die Folge u. der Zusammenhang der darstellenden Handlung bis zu deren Beendigung in der Anschauung rein aufgefaßt werden soll. Die M. hat, wie die Declamation, malende u. eigentliche Ausdrücke. Eigentliche Ausdrücke ahmen nur Stellungen u. Bewegungen, Betrachtungs-, Bestrebungs-, Gefühls-, Charakterstände (Bewunderung, Erstaunen, Naivität, Rührung, Achtung, Verachtung, Billigung, Mißbilligung etc.) nach; malende Ausdrücke aber sind solche Geberden, durch die man nicht eigene od. von der Rolle gegebene Empfindungen etc. ausdrückt, sondern das, was man mit Worten schildernd erzählt, nachahmt, z.B. wenn man bei Beschreibung eines schwankenden Schiffes mit dem Kopfe hin u. her schwankt. Vgl. Engel, Ideen zu einer M., Berl. 1785, 2 Bde.; Cludius, Grundrisse der körperlichen Beredtsamkeit, Hamb. 1792; Gilbert Austin, Chironomia, Lond. 1806 (deutsch: Die Kunst der rednerischen u. theatralischen Declamation, Lpz. 1818).
Pierer's Lexicon. 1857–1865.