Bauer [1]

Bauer [1]

Bauer, 1) der die Bebauung von Ländereien als besonderes Geschäft treibt; 2) der ein Bauerngut besitzt. Der Bauernstand, welcher die nöthigsten Nahrungsmittel u. Kleidungsstoffe erzeugt, ist der nothwendigste im Staate u. daher höchst achtungswürdig; dennoch galt er früher, da er in seiner geistigen Bildung ganz vernachlässigt war, auch keine Kenntnisse zu seinem Geschäft nöthig hatte, überall als der niedrigste Stand der Gesellschaft. In der neuesten Zeit haben sich die bäuerlichen Verhältnisse überall in Deutschland ganz anders u. wesentlich zu Gunsten der B-n gestaltet. Ein gewisser Grad von Bildung ist auch zu dem B-nstande vorgedrungen, u. die Lasten, die ihn früher drückten, wie Frohnen u. Zehnten, sind ihm meist abgenommen worden. Von den 3 Klassen, in die man die B-n nach ihren Verhältnissen theilen kann: a) Leibeigene, b) Hörige u. c) Freisassen, ist die erste u. zweite fast überall ganz abgeschafft. Nach Ablösung der Lehn-, Frohn-, Zins-, zehntpflichtigkeit, des Weiderechts, des Bannrechts etc., ist der B. gegenwärtig in den allermeisten deutschen Ländern ein völlig freier Mann. Eine andere Eintheilung der B-n: a) in unmittelbare B-n (Kron-, Kammer-B-n), die dem Landesherrn unmittelbar unterworfen sind u. an ihn Abgaben leisten; u. b) in Patrimonial-B-n, welche zunächst unter einem, meist adeligen Gutsbesitzer stehen u. diesem Abgaben leisten, findet sich z.B. in slavischen Ländern. Ferner theilt man die B-n: a) in große B-n (Anspäninner, Voll-B-n, in Westfalen Meyer, Colonen), welche zu Bestellung ihres Gutes Pferde halten, nach deren Anzahl sie Vier-, Drei- u. Zweispänner heißen; letztere bezeichnet man auch mit dem Namen Halbspänner (Halb-B-n); b) in kleine B-n, welche keine Pferde halten, sondern ihr Feld mit Ochsen od. Kühen bearbeiten (daher Ochsen-, Küh-B-n); c) in Häusler (Kossäthen, Kötter, Gärtner), welche entweder gar kein od. nur wenig Feld, das sie meist umgraben, u. ein Häuschen mit Garten besitzen; die ärmsten von ihnen nennt man Hüttner, u. sie leben von der Arbeit bei Anderen (Tagelöhner). Ob kleine od. große Bauerngüter wünschenswerther seien, darüber s. Dismembration u. Untheilbarkeit der Güter. – Von B-n, als einem besonderen Stand, kann man im Alterthume nicht sprechen, denn Vieh- u. Feldwirthschaft war Eigenthum der Freien u. Großen, u. die, welche die Arbeiten verrichteten, waren Knechte od. Sklaven, Will man nun jene Leute B-n nennen, so waren sie im Orient von jeher in hohem Ansehen, weil dort bes. Viehzucht getrieben wurde u. aller Reichthum in Heerden bestand. Eben so war es bei den ältesten Juden, u. da sie später in Kanaan auch Ackerbau trieben, so hatte jeder sein Grund. stück, auf welchem er sein Getreide durch Knechte bauen ließ. In Indien bildeten die Ackerleute die 2. Kaste unmittelbar nach den Braminen; in China waren die Ackerbauer von jeher sehr geachtet, u. der Kaiser bethätigt dies dadurch, daß er in jedem Jahre einmal selbst einen Acker umpflügt. Bei den Griechen gab es auch eigentlich keinen B-nstand, sondern in republikanischen Staaten bebauten Sklaven das Feld u. hüteten die Heerden; in eroberten Ländern mit aristokratischer Verfassung gehörte das Grundeigenthum den Siegern, u. hier bildeten die unterworfenen Ureinwohner eine Art von dienstbarem B-nstand, so in Sparta die Heloten, auf Kreta die Klaroten, in Thessalien die Penesten, s.u. diesen Staaten. Bei den Römern trieben in den früheren Zeiten, wo Niemand mehr Feld besaß, als er eigenhändig bebauen konnte, die berühmtesten Männer den Feldbau persönlich, u. die vornehmsten Familien erhielten ihren Beinamen von dem Anbau der Feldfrüchte (z.B. die Fabii, Pisones, Lentuli, Cicerones) u. von der Zucht der Hausthiere (z.B. Ovini, Caprilli, Porcii, Equarii, Tauri etc.). Später setzten römische Feldeigenthümer einen Aufseher (Villicus, Procurator) über die Ländereien, unter dem die Sklaven (meist adscriptitii) u. die Tagelöhner standen, od. verpachteten dieselben an Leute, Coloni (Aratores, Conductores, Partiarii) genannt. Bei Eroberung SEuropas durch germanische Stämme u. den öfteren Wechsel der Herrschaft setzten sich die Sieger in den Grundbesitz der Besiegten u. behandelten diese als Knechte od. ließen ihnen nur einen Theil desselben, wofür sie Abgaben zahlten u. Dienste leisteten. Im ersten Fall entstanden Leibeigene, im zweiten Hörige. Aber auch von den Freigebliebenen kamen viele nach u. nach in die Unterthänigkeit der Andern, indem sie sich entweder den Mächtigeren zum Schutz freiwillig unterwarfen od. gezwungen wurden, dies zu thun, od. unkundig alten Rechts u. des Lesens, bes. von den Klöstern u. Rittern durch List unter irgend einem Vorwande gewonnen, od. bei Gelegenheit des Heerbanns u. der später blos dem Adel obliegenden Kriegspflicht zu Leistungen gezwungen wurden. Dagegen wurde es zur Nothwendigkeit, für die ungeheueren, von Klöstern[412] u. Stiftungen gewonnenen Grundstücke, für die gelichteten Waldungen, für die zur Zeit der Kreuzzüge von ihren Insassen verlassenen Güter Arbeitsleute zu gewinnen, die sich nur unter, für sie sehr vortheilhaften Bedingungen finden ließen Das Einwandern niederländischer Colonisten in NDeutschland, der Wunsch der Fürsten, die Macht des Adels zu schmälern (dem gemäß sogar die Könige von Frankreich in ganzen Provinzen die Leibeigenschaft aufhoben), der B-nkrieg im 16. Jahrh. u. endlich die überall mehr Raum gewinnenden Ansichten, denen gemäß man einsah, daß eine Erleichterung des Landbauers auch dem Obereigenthümer Gewinn bringe, brachten Befreiung von Leibeigenschaft u. Hörigkeit. Auch die den B-n eröffnete Möglichkeit, in Handwerke einzutreten, die Französische Revolution, welche in den Ländern, die sie unmittelbar berührte, Leibeigenschaft u. Hörigkeit auf einmal aufhob, in anderen aber mittelbar zeitgemäße Änderungen veranlaßte, das Recht, Rittergüter käuflich zu erwerben u. die kleinen Grundbesitzer auf dem Landtage zu vertreten, hauptsächlich aber die Revolution im Jahre 1848 wirkten zu diesem Zwecke mit. Die ersten deutschen Staaten, welche schon seit 1830 Frohnen, Zinsen u. Servituten durch Gesetze zur Ablösung brachten, waren Preußen u. Sachsen. Andere deutsche Länder folgten diesem Beispiele theils nur langsam, theils gar nicht, bis sie sich durch die Revolution 1848 dazu genöthigt sahen. In Rußland löste Kaiser Alexander, so weit es in seinen Kräften stand, die Fesseln der Leibeigenschaft durch Ukase; s. Leibeigene. Vgl. Arndt, Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern etc., Berl. 1803; Derselbe, Über den Bauernstand u. seine Stellvertreter im Staate, ebd. 1815; Über die Pflegung u. Erhaltung der Forsten u. Bauern, Schlesw. 1820; u. die Nationalökonomischen Schriften von Riehl, Schulze etc.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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