- Adiaphoristischer Streit
Adiaphoristischer Streit (Kircheng.), in der protestantischen Kirche Sachsens der seit 1549 geführte Streit, ob Cultus u. Ceremonien unwesentliche Dinge (Adiaphora, s.d.) wären. Die Veranlassung zu diesem Streite lag in dem 1548 aufgerichteten Leipziger Interim, welches die kurfürstlichen Theologen, Melanchthon an der Spitze, auf den Wunsch des Kurfürsten Moritz, der gegen den Kaiser u. das von demselben herausgegebene Augsburger Interim möglichst nachgiebig sein wollte, auf einer Versammlung in Leipzig bearbeitet hatten. Die Tendenz beider Staatsschriften ging dahin, eine einstweilige Übereinkunft über gewisse Lehren u. Gebräuche zwischen der protestantischen u. katholischen Kirche bis zu einem völligen Vergleich auf der vom Papst versprochenen Kirchenversammlung zu vermitteln. Hiernach wurden Cultus u. Ceremonien für unwesentliche Dinge (Adiaphora) angesehen, die in katholischen u. protestantischen Kirchen angenommen werden könnten, u. zu denen man z.B. Hochaltäre, Lichter, Bilder, Chorhemden, Meßgewänder, lateinische Gesänge, Horen, Vespern u.s.w. rechnete. Die dieser Meinung Melanchthons beitretenden Leipziger u. Wittenberger Theologen, Bugenhagen, Ziegler, Major, wurden daher Adiaphoristen genannt. Dagegen erklärten sich aber mit großer Entschiedenheit die herzoglich sächsischen od. thüringischen Theologen (Gallus, Joh. Wigand, Amsdorf, Westphal etc.). bes. auch weil der gefangene Kurfürst Johann Friedrich seine Freiheit durch Annahme des Interims durchaus nicht gewinnen wollte, u. fanatische Kämpfer, wie Flacius. der von Wittenberg nach Magdeburg ging u. eine Menge Flugschriften gegen Moritz u. Melanchthon veröffentlichte, nannten diese Nachgiebigkeit Verrath an der Lutherischen Kirche. Bei diesem Streite, der 20 Jahre dauerte u. mit großer Heftigkeit geführt wurde, kam es besonders auf die zwei Fragen an, ob das wirklich Adiaphora wären, was Melanchthon dafür ausgegeben hatte, u. ob man in Adiaphoris den Feinden der Wahrheit nachgeben dürfte. Vgl. Flacii omnia latina scripta contra adiaphoricas fraudes edita, Magdeb. 1550.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.