Elektrochemismus

Elektrochemismus

Elektrochemismus, die Ansicht neuerer Zeit, daß die elektrischen Erscheinungen auch die Begründer der chemischen sind u. die chemische Verbindung eine bloße Folge der Anziehung der entgegengesetzten, in den sich verbindenden Körpern durch Berührung rege gewordenen Elektricitäten sei, wonach dann die Stoffe die ponderabeln Vertreter od. Träger einer od. der anderen Elektricität wären. Hiernach sind alle Elemente Glieder der Spannungsreihe u. das eine wird in Berührung mit dem anderen elektropositiv, das andere elektronegativ. In dieser elektrochemischen Spannungsreihe (welche übrigens zum geringsten Theile durch directe galvanische Versuche ermittelt, sondern meist aus dem chemischen Verhalten erschlossen ist, aber der Theorie nach mit der galvanischen Spannungsreihe in voller Übereinstimmung stehen soll), hebt Sauerstoff als das elektronegativste Glied an u. schließt Kalium als das elektropositivste. Folgendes ist ein luszug der bekanntesten Elemente aus denselben: Sauerstoff, Schwefel, Stickstoff, Chlor, Brom, Iod Phosphor, Kohlenstoff, Antimon, Gold, Platin, Quecksilber, Silber, Kupfer, Wismuth, Zinn, Blei, Eisen, Zink, Wasserstoff, Mangan, Aluminium, Magnesium, Calcium, Barium, Natrium, Kalium. So ist z.B. Schwefel in Berührung mit Sauerstoff das elektropositive, in Berührung mit Wasserstoff das elektronegative Element; die binären Verbindungen können wieder die Eigenschaft haben, in Berührung mit anderen elektro + od. – zu werden u. also eine chemische Verbindung zu bilden; diejenigen zusammengesetzten Körper, welche hierbei elektronegativen Charakter annehmen, heißen Säuren, die mit elektropositiven Eigenschaften Basen. Je näher ein Element dem – Ende der Spannungsreihe liegt, eine desto stärkere Säure liefert es mit Sauerstoff verbunden (am stärksten Schwefel), je näher dem + Ende, eine um so stärkere Base (am stärksten Kalium). Ungeachtet der Bemühungen vorzüglicher Chemiker unserer Zeit, namentlich Fechners, Gmelins, Berzelius, gibt doch keine der aufgestellten elektrochemischen Theorien eine vollständige u. ungezwungene Erklärung der chemischen Affinitätserscheinungen, u. muß die chemische Verwandtschaft als eine aus unbekannten Gründen, nur zwischen bestimmten Moleculen (s.d.) heterogener Stoffe thätige, in ihren Erfolgen mannigfach von den Einflüssen der Form, Cohäsion, der Imponderabilien etc. abhängige Anziehung betrachtet werden, die in Folge der dabei vorkommenden energischen Molecularbewegungen von intensiven Wärme- u. Elektricitätserscheinungen begleitet wird, was auch bei rein mechanischen Processen gleichermaßen der Fall sein kann; doch ergeben sich unter anderen folgende Resultate in Betreff des elektrischen Einflusses auf chemische Processe aus den bisherigen Beobachtungen: a) Elektrische Ströme, durch flüssige, aus gleichen Äquivalenten bestehende binäre Verbindungen (Elektrolyten) od. Auflösungen solcher Verbindungen geleitet, bewirken Zersetzung derselben, wobei die sich ergebenden Producte unmittelbar, od. wenn mehrere in der Auflösung sich befinden, bisweilen mit Bestandtheilen des anderen Körpers zu secundären Verbindungen vereinigt an den entgegengesetzten Polen sich abscheiden, od. als Gas entweichen, od. auch nach Befinden mit der Substanz des Poles vereinigen; b) dies erfolgt auch, wenn die beiden Pole in der Flüssigkeit weit von einander abstehen, ja selbst wenn nur Ein Pol in die Flüssigkeit getaucht ist, wo dann nicht beide Producte an den in der Flüssigkeit befindlichen Pol abgesetzt werden, sondern nur das ihm entsprechende; c) umgekehrt wird bei jeder chemischen Vereinigung Elektricität, wenn auch nur eine sehr geringe Menge, frei; d) wenn die chemische Thätigkeit unter den Bedingungen Statt findet, die in der galvanischen Säule vorkommen, geht der erzeugte elektrische Strom stets von dem Pole aus, dessen Substanz von der umgebenden Flüssigkeit angegriffen wird, u. geht zu dem, bei dem dies nicht der Fall ist; e) durch gleiche Mengen von Elektricität werden stets gleiche Äquivalente der Elektrolyten zersetzt; f) die chemische Wirkung der Elektricität ist nur ihrer Quantität, nicht ihrer Intensität proportional. Elektrische Strömungen mit chemischer Wirksamkeit müssen nicht nothwendig allemal durch chemische Zersetzung entstehen; g) das chemische Verhalten der Körper läßt sich nicht dadurch abändern, daß man sie in einen bestimmten elektrischen Zustand versetzt, was jedoch scheinbar geschieht, wenn das Kation des Elektrolyts Wasserstoff ist, der um das den negativen Pol bildende Metall eine schützende Hülle bildet; h) alle zersetzbare Körper leiten die Elektricität, aber nicht alle Leiter werden zersetzt; i) viele Körper, die im festen Zustande schwach gespannte Elektricität weder leiten, noch durch sie zersetzt werden, thun beides geschmolzen. Vgl. Elemente der Elektrochemie in ihrer Anwendung auf die Naturwissenschaften u. die Künste, Erf. 1857.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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  • Jŏne — (spr. J one, v. gr.), Zersetzungsproduct durch Elektrolysirung, an der Kathode als Katione od. positiver Bestandtheil u. an der Anode als Anione od. elektronegativer Bestandtheil des Elektrolyten zum Vorschein kommend; s. Elektrochemismus …   Pierer's Universal-Lexikon

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