- Gefängnißbeamtete
Gefängnißbeamtete, die zur Beaufsichtigung, Abwartung u. Pflege der in den Gefängnissen detinirten Personen angestellten Beamteten. Auf die zweckmäßige Auswahl derselben kommt sehr viel an, da der persönliche Einfluß, welchen eine kräftige, dabei aber Zutrauen erweckende u. gewandte Persönlichkeit für sich hat, oft mehr wirkt, als das best durchdachte Gefängnißsystem. An der Spitze jedes größeren Gefängnisses steht der Regel nach ein Gefängnißdirector, welcher meist entweder aus älteren Offizieren od. Polizeibeamten, zuweilen auch aus dem Kreise der Ärzte od. Geistlichen gewählt ist. Strengste Redlichkeit, Menschenkenntniß, Energie, zugleich aber auch Wohlwollen u. die Gabe, auf die Individualität jedes Gefangenen einzugehen, sind die Erfordernisse, welche man bei einem guten Gefängnißvorstande zu verlangen hat. Eine fast ebenso wichtige Stellung nimmt der Gefängnißgeistliche ein, dessen Hauptaufgabe es ist, mit den Mitteln der Religion den Gefangenen zur Selbsterkenntniß, Buße u. Besserung zu bringen. Eine Hauptsorge für den Gefängnißgeistlichen muß sein, daß er nicht zu voreilig u. nicht mit zu starken Mitteln das Bekehrungswerk beginne, weil er die meist ungebildeten Gefangenen leicht verwirrt u. selbst zu Geistesstörungen den Grund legen kann, daß er seine Gespräche dem Bildungsgrade der meist auf niederer Stufe stehenden Gefangenen anpasse, daß er sich aber auch nicht durch heuchlerische Gefangene täuschen lasse (vgl. Rezak, Über die seelsorgerliche Wirksamkeit in Strafanstalten, Prag 1854). In kleineren Anstalten hat der Gefängnißgeistliche meist zugleich die Verpflichtung, als Lehrer zu fungiren; in größeren pflegt dafür ein besonderer Beamter angestellt zu werden. Der Gefängnißarzt muß bes. mit Psychiatrie vertraut sein, um die leicht vorkommenden Seelenstörungen im Keime erkennen zu können. Die ökonomischen Angelegenheiten pflegen einem besonderen Verwalter anvertraut zu sein, welcher nicht blos für die Kost, sondern auch für die Herbeischaffung zweckmäßiger Beschäftigung der Gefangenen u. Vertrieb der gefertigten Erzeugnisse zu sorgen hat. Die untere, unmittelbare Aufsicht haben die Zuchtmeister, Werkmeister, Gefängnißwärter (lat. Commentarienses, Carcerarii, Custodes carceris) zu versehen. Ihr Beruf ist neben der Reinhaltung u. täglichen Visitation der Gefängnißlocale, der Visitation der Gefangenen bei ihrer ersten Einbringung, bei welcher ihnen alles Geld, Messer etc. abzunehmen sind, hauptsächlich die Überwachung der Arbeit der Detinirten u. deren Anleitung hierzu. Ihre Wahl erfolgt gewöhnlich aus gedienten Unteroffizieren od. Polizeidienern; doch hat man neuerdings dieselben auch aus religiösen Körperschaften[49] u. Missionsvereinen (z. B. den Brüdern des Rauhen Hauses, s.d.) zu nehmen angefangen, um auch bei den gewöhnlichsten Geschäften Personen mit den Gefangenen in Verbindung zu bringen, welche geeignet sind, auf die Besserung der Gefangenen hinzuwirken. Doch muß bei dieser Einrichtung große Vorsicht angewendet werden, wenn nicht durch unzeitigen Eifer der Zweck vereitelt werden soll. In Gefängnissen für Weiber müssen diese Unteraufseher aus dem weiblichen Geschlecht genommen werden. In vielen größeren Gefängnissen besteht außerdem die Einrichtung, daß ein Gefängnißaussichtsrath od. Gefängnißbesuchsgesellschaften, gebildet aus freiwillig sich anbietenden od. von der Regierung gewählten achtbaren Bürgern, von Zeit zu Zeit die Gefängnisse visitiren, um theils eine Controle der G-n auszuüben, theils dieselben bei dem Besserungswerk zu unterstützen. Vereine dieser Art können, wie die Erfahrungen von England, Genf, Toscana beweisen, sehr wohlthätig wirken, wenn sie sich nur in den gehörigen Schranken halten u. nicht störend in die Leitung des Ganzen eingreifen.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.