- Gutachten
Gutachten, das mit Gründen unterstützte Urtheil sachverständiger Personen über einen Gegenstand, zu dessen Beurtheilung eine besondere wissenschaftliche od. Kunstkenntniß, wie sie nicht Jedermann besitzt, vorausgesetzt wird. Die Einholung eines G-s kann bei den verschiedensten Veranlassungen u. aus den verschiedensten Gründen bei Privatpersonen, wie bei Behörden vorkommen. Bei wichtigeren Gegenständen wird immer ein schriftliches G. erfordert; erheben sich über die Richtigkeit des ersten Zweifel, so wird zuweilen von einer höheren Instanz ein zweites (Obergutachten, Superarbitrium) eingeholt. Die Ertheilung von G. ist im Allgemeinen Jedermann erlaubt; nur wenn das G. im bürgerlichen od. peinlichen Proceß, od. auch bei Administrativstreitigkeiten zur Grundlage einer Entscheidung dienen soll, muß das G. von besonders dazu verpflichteten Personen ertheilt werden. Der Begutachtende erhält, wenn er nicht durch Augenschein schon von der Sachlage sich unterrichtet hat, zur Orientirung über die dabei zu berücksichtigenden Verhältnisse entweder eine gedrängte Darstellung derselben (Species facti) od. die bisher in der Sache ergangenen Acten mitgetheilt. Um ihm ferner die Richtung anzugeben, in welcher man seine sachverständige Ansicht zu hören wünscht, werden zweckmäßig bestimmte Fragen aufgestellt, die der. Sachverständige zu beantworten hat. Im öffentlichen u. mündlichen Proceßverfahren muß der Sachverständige, auch wenn er vorher ein schriftliches G. abgestellt haben sollte, doch bei der Hauptverhandlung die Gründe seines Urtheils nochmals mündlich entwickeln. Der Richter ist befugt, dann auf das G. Nichts zu bauen, wenn die äußere Form der Ausstellung, der Mangel von Gründen, innere Widersprüche u. Suppositionen, denen die Acten widersprechen, ihm Zweifel an der Richtigkeit des G-s begründen od. auch wenn die dem Richter bekannten technischen Forschungen besorgen lassen, daß das G. ungründlich sei. Wenn aber der Richter solche Fehler nicht bemerkt, muß er sich an das G. binden.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.