Phrenologie

Phrenologie

Phrenologie (v. gr.), 1) Gehirnlehre; 2) Schädellehre, die Vergleichung der Geistesvermögen mit den äußeren Formen des Schädels. Diese Lehre wurde zuerst von Gall in die Wissenschaft eingeführt u. von Spurzheim weiter ausgebildet. In so fern nun in der Schädelbildung eine Erkenntniß der Geistesvermögen verliehen sein dürfte, ist sie Kranioskopie, u. als solche machte sie bes. in ihrem ersten Hervortreten Aufsehen, was sie aber jetzt größtentheils verloren hat, weil die gedachten Andeutungen am äußern Schädel in den wenigsten Fällen so scharf sind, daß sie, für sich herausgehoben, einen sichern Schluß verstatten. Mehr Werth haben Galls u. Spurzheims Untersuchungen über den Gehirnbau u. dessen Abweichungen in Bezug darauf, wie bei Menschen diese Verschiedenheiten auch gewissen geistigen Thätigkeiten analog sind. Jene Gehirnverschiedenheiten, wenn solche bes. an der Oberfläche des Gehirns sich darstellen, nennt Gall Gehirnorgane, u. diesen entsprechen dann allerdings auch gewisse Verschiedenheiten der Bildung des Hirnschädels, als der äußern Decke des Gehirns, wenn auch nicht immer ganz genau, weswegen bes. die Kranioskopie trüglich u. unbestimmt ist u. nur entfernt Andeutungen geben kann. Die Kenntniß des Gehirnbaues, in Bezug auf die materiell dadurch bedingten geistigen Vermögen, unterscheidet man als Organoskopie, u. diese ist bes. in späterer Zeit von Gall u. Spurzheim ausgebildet worden, obgleich in der Art der Darstellung für ein Dilettantenpublikum sehr vieles einer gerechten Kritik unterliegt, bes. darin, daß Analogien u. Vergleichungen von Thier- u. Menschenschädeln, welche nur für eine aufgefundene Spur gelten können u. höchstens zu Präsumtionen berechtigen, als ausgemittelte Erfahrungen dargestellt werden. Das Trügliche in der Gallschen Organen- u. Schädellehre erhellt bes. daraus, daß er sich selbst in Andeutung der Organe nicht gleich geblieben ist. Ganz des aber spricht dagegen, daß die Formation des Schädels in Beziehung auf die einzelnen an seiner Oberfläche befindlichen Erhabenheiten u. Vertiefungen keineswegs der Form des darunter gelegenen Hirns entspricht; die Schädeldecke hat eine gewisse Dicke u. ist aus zwei Platten gebildet, einer inneren u. vier äußeren, welche aber durchaus nicht parallel verlaufen. Folgende Gehirnorgane erkannte Gall noch zuletzt als solche, u. sie sollen als äußere auch durch gewisse sichtliche u. fühlbare Erhabenheiten od. Bildungen am Schädel sich charakterisiren: Organ der Zeugungsenergie, der Anhänglichkeit an Kinder u. Junge, der Gelehrigkeit, der leichten Erkenntniß von Ortsverhältnissen, der Fähigkeit, Personen wieder zu erkennen u. zu unterscheiden, der Erkenntniß der Farben, der Musik, der Zahlenkenntniß, der Kenntniß der Worte, der Sprache, der Industrie, der Freundschaft, der Rauflust, der Grausamkeit, der List, der Dieberei, des Höhesinns, des Ehrgeizes u. der Eitelkeit, der Umsichtigkeit, des vergleichenden Scharfsinns, der metaphysischen Penetration, der Schöngeisterei, der inductiven Beobachtung, der Sanftmuth u. Gutmüthigkeit, der Pantomimen od. der Nachahmung der Theosophie, der Beharrlichkeit. Vgl. G. von Struve, Die P. inn. außerhalb Deutschland, Heidelb. 1843; Derselbe, Geschichte der P., ebd. 1843; Derselbe, Handbuch der P., Lpz. 1845; Noel, Grundzüge der P., Lpz. 1846, 2. A. ebd. 1856; Scheve, Die P., Amsterd. 1856.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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