- Polarität
Polarität, 1) das entgegengesetzte Verhalten irgend eines Gegenstandes nach zwei entgegengesetzten Richtungen. Polarisirung od. Polarisation das Hervorrufen eines solchen Verhaltens an einem Dinge, das zuvor sich noch nach allen Seiten indifferent verhielt. So ist z.B. eine ruhende Kugel ihren mathematischen Verhältnissen nach nach allen Seiten indifferent, dreht sie sich aber um eine Achse, so treten die beiden Endpunkte derselben als [240] Pole auf, welche sich im Bezug auf die Drehungsrichtung des Äquators entgegengesetzt verhalten u. als Nordpol u. Südpol unterschieden werden können. So ist in elektrischer Beziehung jeder beliebige Körper im gewöhnlichen Zustande indifferent, od. man sagt die Elektricitäten sind in ihm gebunden. Sobald aber ein vorzugsweise elektrisirbarer Körper mit einem ihm physisch u. chemisch in gewisser Hinsicht entgegengesetzten Körper gerieben od. durch ein beiden verwandtes flüssiges Mittel in Verbindung gesetzt wird, so entsteht sofort die Polarisirung, die Differenzirung, die Scheidung des elektrischen Fluidums in zwei einander entgegengesetzte Fluida, welchen Gegensatz man durch positiv u. negativ, durch plus u. minus, durch + u. –, ausdrückt. Der eine Körper nimmt dann positive, der andere negative Elektricität an, je nachdem er seiner Natur nach mehr zu dem einen od. zu dem anderen Extrem hinneigt. Am ausgesprochendsten läßt sich aber die P. im magnetischen Fluidum erregen u. nachweisen u. ist an diesem zuerst bekannt geworden, da der differenzirte Magnetismus mit seinem einen Extrem nach Norden, mit dem andern nach Süden strebt, wie man am freistehenden Magnet deutlich sieht, weshalb man auch die beiden, die P. äußernden Enden eines Magnets seine Pole nennt. Auch für Licht u. Wärme gibt es P.; es läßt sich nämlich ein natürlicher indifferenter Licht- od. Wärmestrahl so polarisiren, daß er nach zwei verschiedenen Seiten sich entgegengesetzt verhält, daß z.B. ein Lichtstrahl von einer Turmalinplatte durchgelassen wird od. nicht, je nachdem die krystallographische Hauptachse des Turmalins mit einer gewissen durch den Strahl gelegten Ebene zusammenfällt od. rechtwinkelig darauf liegt. Der Unterschied liegt nur darin, daß das Licht u. die Wärme in ihrem gleichartigen, indifferenten, unpolarisirten Zustande bereits hinlänglich zur Wahrnehmung kommen, u. der Polarisirung nicht erst, wie jene Fluida, bedürfen, um sich überhaupt zu manifestiren. Zur Erklärung der Polaritätserscheinungen ist die Undulationstheorie vorzugsweise geeignet. 2) Der Gegensatz in der Natur, auf welchem, nach naturphilosophischen Ansichten, indem durch Vermittelung eines Dritten das im Satz u. Gegensatz Geschiedene in eine höhere Einheit aufgenommen wird, alle lebendige Bildung, alles Werden u. Erhalten im Leben beruht, so wie aller Untergang in Zerfallen in Gegensätze seinen Grund hat.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.