- Strychnīn
Strychnīn, C42H22N2O4, organische Basis, findet sich in den Krähenaugen (Strychnos nuxvomica), den Ignatiusbohnen, im Schlangenholz u. der unechten Angusturarinde, ferner im amerikanischen u. ostindischen Pfeilgift (s.d.). Es ist theils an Milchsäure, theils an eine eigenthümliche Säure, die Igasursäure, gebunden. Aus dem mit heißem Alkohol bereiteten Auszuge fällt man zuerst durch Bleizucker den Farbstoff, die Pflanzensäuren etc., dann mit Magnesia das S.; der Niederschlag wird mit Wasser ausgewaschen u. mit Alkohol ausgezogen, aus welchem das S. auskrystallisirt, während Brucin in der Lösung bleibt. Das S. krystallisirt in weißen, glänzenden Octaedern od. vierseitigen Prismen, ist von intensiv bitterm Geschmack u. unangenehmem, fast metallischem Nachgeschmack, ist sehr giftig, luftbeständig, geruchlos, nicht schmelzbar, wird in der Hitze zersetzt, löst sich fast nicht in kaltem Wasser, etwas in heißem Wasser u. Alkohol, leicht in verdünntem Alkohol; in absolutem Alkohol ist es unlöslich. Mischt man eine Strychninlösung[953] mit Jodsäure, so wird die Flüssigkeit beim Erhitzen violett u. gibt nach längerem Stehen einen schwärzlichen Niederschlag. Mit Kalihydrat erhitzt, wird das S. roth u. liefert dann Leukolin. Rhodankalium fällt es in sternförmig gruppirten Krystallen; durch concentrirte Schwefelsäure u. chromsaures Kali wird es prachtvoll violett, durch Bleisuperoxyd u. Schwefelsäure dunkelblau. Die Lösung des S. bläut geröthetes Lakmuspapier. Rousseau erhielt durch Behandeln von S., chlorsaurem Kali u. Wasser nebst einigen Tropfen Schwefelsäure beim Kochen eine eigenthümliche Säure, welche er Strychninsäure nennt. Erhitzt man schwefelsaures S. mit salpetrigsaurem Kali, so entweicht Stickstoff; aus der Flüssigkeit fällt Ammoniak gelbe Flocken, welche in Alkohol gelöst orangegelbe Säulen von Oxystrychnin, C42H28N2O12, absetzen; aus der Mutterlauge kann ein anderes Oxyd des S-s, eine rothe Base von der Zusammensetzung C42H28N2O14, erhalten werden. Das S. neutralisirt die Säuren vollständig u. bildet mit ihnen die Strychninsalze, welche meist krystallisirbar, in Wasser löslich, von bitterm Geschmack u. in hohem Grade giftig sind. Chlorwasserstoffsaures S., C42H22N2O4, ClH + 3HO, krystallisirt in warzenförmig gruppirten Nadeln; Jodwasserstoffsäurestrychnin, C42H22N2O4, IH, in Wasser fast unlösliche, weiße Blättchen; Schwefelsaures S.: das neutrale, C42H22N2O4, HO, SO3, krystallisirt in großen vierseitigen Prismen, das saure, C42H22N2O4, 2 HO, 2SO3, in langen dünnen Nadeln; Chromsaures S., C42H22N2O4, HO, CrO3, goldgelbe Nadeln, welche in Wasser u. Alkohol schwer löslich sind; Salpetersaures S., C42H22N2O4, HO, NO5, bildet farblose Nadeln, welche beim Erhitzen mit concentrirter Salpetersäure sich mit gelber Farbe zu dem salpetersauren Salze einer Nitrobase lösen; Phosphorsaures S., C42H22N2O4, PO5 + 2HO, bildet sich, wenn man verdünnte dreibasische Phosphorsäure mit S. digerirt; beim Erkalten setzen sich halbzolllange, strahlenförmig gruppirte Nadeln ab; Fluorwasserstoffsaures S., C42H22N2O4, HO, HFl + 3FlH + 3HO, bildet sich durch Verdunsten einer concentrirten Lösung von S. in Flußsäure, krystallisirt in 11/2 Zoll langen Prismen; Kieselsaures S. (Formel unbekannt), eine nicht krystallinische, in Wasser wenig lösliche, gelbe Masse.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.