- System
System (v. gr.), 1) im Allgemeinen jedes nach durchgreifenden Gedanken geordnete, od. durch sie zusammengehaltene, in sich zusammenhängende Ganze; daher 2) jede Vielheit von Dingen u. Gegenständen, bei welchen eine derartige Beziehung der Theile unter einander u. zum Ganzen nachgewiesen werden kann »d. vorausgesetzt wird, od. welche durch absichtliche Thätigkeit nach bestimmten Zwecken unter einander Verbunden werden. So spricht man z.B. von einem S. der Regierung, insofern von bestimmten leitenden Grundgedanken die einzelnen Maßregeln der Regierung abhängen; von einem Steuersystem, insofern die Steuern nach einer durchgreifenden Regel vertheilt u. erhoben werden; von einem Eisenbahnsystem, insofern eine Mehrheit von Eisenbahnen mit Rücksicht auf die Zwecke des Verkehrs angelegt ist; von dem Nerven- u. Muskelsystem, insofern in der Anordnung u. Verknüpfung der Nerven u. Muskeln eine durchgreifende Beziehung zu den Zwecken des organischen Lebens erkennbar ist; von dem Sonnen – u. Planetensystem, insofern die Bewegungen der Planeten von einem allgemeinen Gesetze abhängen. Ebenso spricht man in der Kriegswissenschaft von einem Systeme der Befestigung, der Strategie, der Kriegführung, in der Poetik nennt man S. größere od. kleinere nach rhythmischen Gesetzen in sich abgeschlossene Ganze (s, Strophe); in der Musik nennt man Tonsystem die Gesammtheit der nach einem bestimmten Gesetze in bestimmten Intervallen fortschreitenden Töne u. Notensystem die Linien, welche die Art dieser Aufeinanderfolge bezeichnen; in der Freimaurerei das durch die Logenverfassung u. das Ritual dargestellte Lehrgebäude, daher oft auch gleichbedeutend mit Ritual s.d. 3) gebraucht. Bes. in Beziehung auf die Erkenntniß gebraucht, bezeichnet S. 3) ein wissenschaftliches Ganze, dessen Theile in ihrer Anordnung od. Verknüpfung von einem od. mehren Hauptbegriffen od. Hauptgedanken abhängig sind. Die letzteren heißen die Principien eines S-s (s. Princip); das Verfahren, durch welches die einzelnen Theile des S-s dem Princip entweder untergeordnet od. aus ihnen abgeleitet werden, die systematische Methode od. Systematik. Der wichtigste Unterschied des systematischen Verfahrens u. der daraus hervorgehenden Systeme liegt darin, ob es eine Mehrheit gleichartiger Gegenstände u. Begriffe entweder blos nach durchgreifenden Hauptgesichtspunkten anordnet, od. ob es eine Mannigfaltigkeit von Erkenntnissen aus den Principien selbst ableitet. Durch das erste« Verfahren gewinnt man die sogen. Klassensysteme; hierher gehören z.B. die Systeme der Zoologie, der Botanik, der Mineralogie, insofern sie sich die Aufgabe stellen die Mannigfaltigkeit der Thiere, Pflanzen u. Mineralien nach gewissen als Eintheilungsgründe angenommenen Merkmalen einzutheilen u. anzuordnen; wobei wieder ein Unterschied zwischen den sogen, künstlichen S-en, welche einzelne willkürlich gewählte Merkmale als Eintheilungsgründe benutzen, u. den natürlichen S-en gemacht wird, welche die Eintheilungsgründe in dem ganzen Complex der die Naturobjecte charakterisirenden Merkmale zu finden bemüht sind. Eigentliche S-e der Erkenntniß dagegen entstehen nur da, wo die einzelnen Sätze einer Wissenschaft zu den Principien derselben sich wie Folgen zu ihren Gründen verhalten, u. eine strengsystematische Erkenntniß ist nur da vorhanden, wo der nothwendige Zusammenhang der einzelnen Lehrsätze mit den letzten Gründen des betreffenden Erkenntnißgebietes streng u. ohne Lücke nachgewiesen werden kann, wie z.B. in den mathematischen Wissenschaften. Überhaupt modificirt sich der Begriff des S-s in den verschiedenen Wissenschaften je nach der Verschiedenheit ihrer Erkenntnißquelle u. der Grundsätze, welche sie als die entscheidenden an die Spitze stellen; daher bezeichnet man auch verschiedenartig abgeleitete od. angeordnete Versuche der Lösung einer u. derselben wissenschaftlichen Aufgabe als verschiedene S-e dieser Wissenschaft; in diesem Sinne spricht man von verschiedenen S-en der Philosophie, od. einzelner ihrer Theile, der Metaphysik, der Moral[168] etc., der Chemie, der Physik, od. unterscheidet das Ptolemäische u. das Copernikanische S. der Astronomie etc.; 4) eine auf gewisse wirklich erkannte od. für wahr gehaltene Naturgesetze gegründete Regelmäßigkeit des Verfahrens zu bestimmten Zwecken; in diesem Sinne spricht man von S-en der Heilkunst, des Ackerbaus od. sonst von einer Systematik des technischen Verfahrens zu den verschiedensten Zwecken.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.