Venditĭo bonōrum

Venditĭo bonōrum

Venditĭo bonōrum, der nach Römischem Privatrecht im Falle der Insolvenz zur Befriedigung der Gläubiger eintretende Verkauf der Güter eines Gemeinschuldners. In den Zwölf Tafeln war für den Fall, wenn ein römischer Bürger mehre Gläubiger hatte, welche er zu befriedigen nicht im Stande war, angeordnet: Partes secanto; si plus minusve secuerunt, sine fraude esto, d.h. der Schuldner, welches die Schulden förmlich gestanden hatte od. verurtheilt worden war, konnte wirklich in Stücke gehauen werden, wie sich auch bei anderen Völkern Spuren eines so grausamen Verfahrens gegen in Concurs verfallene Schuldner vorfinden. Die Gläubiger konnten zu diesem Zwecke nach Verstrich von 30 Tagen von Zeit des Urtheiles od. gerichtlichen Geständnisses eine Manus injectio vornehmen, durch welche der Schuldner ihnen, falls kein Bürge (Vindex) hervortrat, zur Personalhaft überlassen wurde. In diesem Zustand mußte der Schuldner (Addictus) dann noch 60 Tage lang gehalten u. binnen der Zeit an drei Markttagen öffentlich mit Verkündigung des Schuldbetrages vorgeführt werden; erst wenn auch dann keine Abfindung zu Stande kam od. sich kein Vindex meldete, war der Schuldner den Gläubigern ganz verfallen. In der späteren Zeit trat unter dem Einfluß des prätorischen Edictes, wahrscheinlich in Wahrnehmung der Sectio bonorum, d.h. des bei dem Verkauf eines vom Staate confiscirten Vermögens, als eine zweite Art der Execution wider Überschuldete die V. b., ein. Die Gläubiger konnten hiernach beim Prätor unter Bescheinigung ihrer Ansprüche u. der vorhandenen Insolvenz das Gesuch um Einweisung in den Besitz des schuldnerischen Vermögens stellen, worauf ihnen durch ein Decret dieser Besitz (Missio in bona)[402] mit der Einräumung eines prätorischen Pfandrechtes u. mit der Erlaubniß ertheilt wurde das Vermögen durch öffentliche Feilbietung (Proscriptio bonorum) zum Verkauf zu bringen. Dieser Verkauf fand in der Weise statt, daß nach Ablauf einer dreißigtägigen Frist, bei der Missio in den Nachlaß eines Verstorbenen aber schon nach 15 Tagen, die Gläubiger einen Geschäftsführer (Magister) wählten, welcher den Verkauf zu leiten u. zu vollziehen hatte. Zu diesem Zwecke wurden die Kaufbedingungen (Lex bonorum vendedorum), bes. die Höhe der Procente, welche der Käufer den Creditoren von ihren Forderungen zu bezahlen habe, bestimmt; nach Bekanntmachung dieser Bedingungen mußte dann abermals 30, resp. 15 Tage gewartet werden, worauf der Prätor dem Meistbietenden (Emtor bonorum) das Vermögen durch den Geschäftsführer zuschlagen ließ. Der Schuldner wurde durch die V. b. ehrlos u. es erloschen für ihn alle Klagen, welche schon vorher von ihm od. gegen ihn hätten angestellt werden können; an seine Stelle trat der Emtor bonorum mit den Wirkungen einer Univerlalsuccession, so daß er ipso jure das Eigenthum an allen dem Schuldner gehörigen Sachen u. alle ihm zugestanden habenden Klagrechte erwarb, ebenso aber auch die wider den Schuldner begründeten Klagen nunmehr utiliter gegen ihn gingen. Neben der V. d. führte eine Lex Julia, wahrscheinlich von Augustus, als ein milderes Verfahren noch die Cessio bonorum ein, nach welcher der Gläubiger, welcher nicht durch eigenes Verschulden in den Zustand der Insolvenz gerathen war u. sich freiwillig zur Abtretung seines ganzen Vermögens erbot, die Vortheile erlangte, daß er der Personalhaft entging, die Strafe der Infamie vermied u. auch bei späterem Wiedererwerb von Vermögen der Rechtswohlthat des Beneficium competentiae (f.d.) theilhaftig blieb. Noch später führte wahrscheinlich die Schwierigkeit immer einen Emtor bonorum zu finden, welcher den Gläubiger billige Procente bot, zur Einführung der Distractio bonorum, wornach nach erfolgter Misio in bona Gläubiger die Vermögensstücke des Schuldners durch einen erwählten Curator im Einzelnen veräußern ließen, um den Erlös nach Verhältnis unter sich zu vertheilen. Dies für den Schuldner gelindere u. für die Gläubiger wahrscheinlich auch vortheilhaftere Verfahren verdrängte die V. b. gänzlich, so daß es zu Justinians Zeit mit der Cessio bonorum die alleinige Form des Concursverfahrens bei den Römern bildete.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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