Naturphilosophie

Naturphilosophie

Naturphilosophie, so viel als philosophische Erkenntniß der Natur u. ihrer Erscheinungen. Indem die einzelnen Naturwissenschaften nicht vermeiden können, in der Untersuchung der Natur gewisse allgemeine Begriffe, wie die des Stoffs, der Kraft, der Veränderung, der Ursache u. Wirkung, des Raumes, der Zeit, der Bewegung etc., als bekannt anzuwenden, gleichwohl aber diese Begriffe nicht blos die Frage nach der Berechtigung gestatten, mit welcher man sich ihrer bedient, sondern auch einer verschiedenen Bedeutung fähig sind, deren Bestimmung für das Ganze der Ansichten über die Natur entscheidend ist, so bleibt die Aufgabe, diese Begriffe selbst einer Untersuchung zu unterwerfen, von da aus die letzten Principien u. Ursachen der Naturerscheinungen zu bestimmen u. daraus die Gesetze u. Zusammenhänge der letzteren als eine Folge abzuleiten. Die Aufgabe der N. fällt also zum größten Theile mit der Aufgabe zusammen, welche die Metaphysik (s.d.) zu allen Zeiten zu lösen gesucht hat, u. N. kann daher auch als eine Anwendung der jeweilig geltenden metaphysischen Systeme auf das Ganze der Natur bezeichnet werden. Im Alterthume, wo die Methoden der modernen Naturwissenschaft, das Experiment, die Induction u. die Rechnung, entweder noch unbekannt waren, od. nur in sehr unvollkommener Weise angewendet wurden, fiel der Begriff der N. (dessen, was die Alten Physik nannten), zum größten Theil mit ihren metaphysischen Untersuchungen zusammen; eine Trennung der N. u. der übrigen Naturwissenschaften trat erst in den letzten Jahrhunderten, bes. seit Baco von Verulam ein, indem die Naturwissenschaften sich bescheiden lernten, die Fülle der gegebenen Naturerscheinungen unter sorgfältiger Anwendung der genannten Methoden u. Hülfsmittel genau zu durchforschen, die Untersuchung u. Bestimmung der dabei gleichwohl unentbehrlichen allgemeinen Fundamentalbegriffe u. letzten Principien aber der Philosophie zu überlassen; daher die N. auch die wechselnden Schicksale der Metaphysik getheilt hat, in deren Systemen sie bis auf Kant häufig unter dem Namen der Kosmologie (s.d.) abgehandelt wurde. In England nennt man nach dem Vorgang des Werks von Newton, Philosophiae naturalis principia mathematica, N. noch jetzt häufig alle Reflexionen über die Natur u. einzelne ihrer Erscheinungen, welche die Grenzen der blos empirischen Auffassung überschreiten; in Deutschland hat man unter N. oft vorzugsweise, u. eine Zeitlang beinahe ausschließend, die Philosophie [716] Schellings (s.d.) u. seiner Anhänger verstanden, während gerade die phantastische Richtung dieser Form der N. sehr viel dazu beigetragen hat, bei den eigentlichen Naturforschern ein allgemeines Mißtrauen gegen jeden Versuch einer N. hervorzurufen. Vgl. Schaller, Geschichte der N von Baco bis auf unsere Zeit, Lpz. 1841–46, 2. Bde.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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