- Einwanderung
Einwanderung, der Übertritt aus einem Staate in einen andern zum Zwecke einer dauernden Niederlassung u. Erwerbung des Staatsbürgerrechts, wird von den meisten Staaten nur unter Bedingungen zugelassen, welche die E. im Allgemeinen erschweren. Während das Recht der Auswanderung ein von fast allen civilisirten Staaten anerkanntes ist, kann von einem Rechte der E. nicht die Rede sein, vielmehr ist in der Pflicht des Staates, für das Wohl seiner Angehörigen zu sorgen, das Recht begründet, die Aufnahme Fremder in seinen. Unterthanenverband nach Gutdünken zu verweigern od. zu gestatten, je nachdem der Förderung des Wohlstandes des Staates damit gedient ist od. nicht. Nur in Staaten, welche zu einem politischen Ganzen verbunden sind, wie in den Cantonen der Schweiz u. den Nordamerikanischen Freistaaten, steht jedem Bürger des einen Staats das Recht der Niederlassung in einem andern der conföderirten Staaten zu, in der Schweiz jedoch mit Einschränkung auf die Bekenner des christlichen Glaubens. Die Deutschen Bundesstaaten kennen dies Recht nicht u. behandeln den Unterthanen eines andern Bundesstaates als Ausländer. Es liegt in der Natur der Sache, daß diejenigen Länder, deren Bevölkerung in einem Mißverhältniß zur Productionsfähigkeit des Bodens steht (so daß diese noch einer bedeutenden Steigerung fähig ist), die E. zu erleichtern bemüht sein werden; dagegen wird auch ein Staat bei einer dichten Volksmenge dieselbe nicht völlig untersagen, denn die E. führt Capital, Arbeitskrastu. Intelligenz mit sich u. wirkt nicht nur belebend u. befruchtend auf dem Gebiete der materiellen Interessen, sondern hebt u. fördert auch das Staatswesen u. bewahrt dasselbe vor einer bei völliger Absperrung unvermeidlichen Stagnation. Eine gesunde Bevölkerungspolitik wird also den Hauptnachdruck auf die moralischen Garantien zu legen haben, welche der Einwanderer bietet. Am wenigsten bedenklich sind von den Ländern, deren Bevölkerung vorzugsweise durch E. einen raschen Zuwachs erhält, die Vereinigten Staaten von Nordamerika, dafür ist aber auch der Schutz, welchen der Einwanderer genießt, von Seiten des Staates ein sehr geringer. Erst in neuster Zeit ist, namentlich durch die von einer Gesellschaft Deutscher errichteten Einwanderungsanstalten in New-York dem Unwesen gesteuert, welches dort zum materiellen u. moralischen Ruin vieler Einwanderer von sogenannten Einwanderungsagenten getrieben wurde. Fast noch schlimmer ist es um den Schutz der E. in den Staaten Mittel- u. Südamerikas bestellt, u. vorzugsweise in Brasilien sind die Einwanderer arger Prellereien u. betrügerischen Vorspiegelungen ausgesetzt. Vgl. Auswanderung, Bevölkerung u. Naturalisation.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.