Papuas

Papuas

Papuas (Papus, Australneger, Negritos, Melanesier, Melanesische Race), im Allgemeinen alle in Bezug auf die Hautfarbe, theilweise auch in Bezug auf ihr krauses Haar, den afrikanischen Negern ähnliche, nach ihrer sonstigen Körperconstitution aber ganz verschiedene Völkerschaften, welche theils den Continent von Australien, theils Neuguinea mit Neucaledonien u. andere benachbarte Inselgruppen des Großen Oceans bewohnen, theils in den Gebirgen u. Wäldern des Inneren mehrer Inseln des Indischen Archipels u. vereinzelt auch auf dem Festlande, namentlich der hinterindischen Halbinsel Malacca angetroffen werden u. sämmtlich auf einer sehr niedrigen Culturstufe stehen, wie auch ihre physische Ausbildung eine sehr niedrige ist. In Bezug auf letztere müssen jedoch zwei verschiedene Gruppen in Typen unterschieden werden, die kraushaarige u. die schlichthaarige Gruppe. A) Die kraushaarige Gruppe, die Papuas od. Melanesier im engeren Sinne, haben mehr od. minder krauses, od. vielmehr wollartiges Haar, einen schwachen Bart, bei starken Hinterbacken auffallend schwache Arme u. Beine; die Frauen sind häßlicher als die Männer; beide Geschlechter gehen nackt, mit Ausnahme eines Stückes Zeug, welches um den Leib gewunden u. nach hinten zwischen den Schenkeln durchgezogen ist. Eine gesellschaftliche u. staatliche Verbindung existirt nicht, doch sind einige Stämme nicht ganz ohne religiöse Vorstellungen. Die Männer beschäftigen sich blos mit Jagd, Fischerei u. Krieg; die Waffen sind Pfeil u. Bogen, Keule, Wurfspieße, Schleudern; ihre Boote sind zum Theil ziemlich groß. Die Nahrung ist meist animalisch, die ganze Race zeigt große Gefräßigkeit, selbst Anthropophagie kommt bei mehren Stämmen vor; Tanz, Gesang u. Musik, freilich sehr roher Art, hat man bei den meisten gefunden. Die noch sehr unbekannten Sprachen scheinen sehr verschieden unter einander zu sein. Zu dieser Abtheilung der Australneger gehören die Samang u. Bila im Inneren der Halbinsel Malacca, die Bewohner der Andamaninseln, einige Stämme auf den Philippinen (wo sie Negros od. Negritos genannt werden); ferner, entweder rein od. mit malayischem od. polynesischem Blute vermischt, auf Neuguinea mit den Aruinseln, Waygeoo, Mysol u. im Inneren einiger Molukken, weiter östlich in dem nach ihnen Melanesien benannten Theile Polynesiens Neubritannien, Neuirland, auf Louisiade, den Salomoninseln, Neuen Hebriden u. Neukaledonien (Baladea). Im westlichen, sich dem Indischen Archipel anschließenden Theile dieser Inselgruppen berühren sich die P. mit dem Gebiete der Malayen; der beständige Verkehr, welcher hier schon seit lange zwischen der malayischen u. melanesischen Race besteht, hat in diesem Theile eine Mischrace erzeugt, welche vorzugsweise Papuas (d.i. kraushaarige) von den Malayen genannt wird, nicht allein Aru, Waygeoo u. Mysol, sondern auch die Ostspitze u. den größten Theil des Nordens von Neuguinea bewohnt u. in ihre Sprachen eine große Anzahl malayischer Wörter, doch meist sehr verändert u. umgestaltet aufgenommen hat. Die Südküste in dem östlichen Theil wird von vollständig kraushaarigen Negern australischer Race bewohnt. Unter den Völkerschaften des östlichen Melanesien bestehen sehr große Verschiedenheiten. Zu Tanna werden zwei Sprachen gesprochen, eine melanesische, gleich der auf Erromango, u. eine polynesische ähnlich der der Freundschaftsinseln;[656] die 5 Meilen östlich von Tanna liegende kleine Insel Niua od. Immer wird von reinen Polynesiern bewohnt. Mehre andere Inseln Mikronesiens u. Polynesiens, z.B. die Fidschiinseln (obgleich hier eine polynesische Sprache gesprochen wird), zeigen eine Vermischung der polynesischen mit der wahrscheinlich ursprünglich daselbst wohnenden melanesischen Race. Die Urbewohner von Van Diemensland, deren letzter 1846 starb, sollen ebenfalls der kraushaarigen Abtheilung der Australneger angehört haben. B) Die schlichthaarige Gruppe wird durch die Australier od. die Bewohner des australischen Continents gebildet, deren verschiedene Stämme einem u. demselben Völkerstock zugehören. Ihre Gesammtzahl kann 200,000 nicht wohl übersteigen; von Einigen wird sie blos auf 75,000 geschätzt; sie ist übrigens in rascher Abnahme begriffen. Sie sind mittelgroß, mager, rauchigschwarz, blauschwarz, braunschwarz, auch dunkelbraun; die Weiber häßlicher als die Männer, die Haare sind hart, sehr schwarz u. dick, der rauhe Bart bildet an der Seite des Gesichtes Büschel; Gesicht ist platt, Nase u. Mund sehr groß, Nasenlöcher fast quer, Lippen dick, Zähne vorspringend, Augen halb geschlossen, Ohren fast kreisrund, groß u. herabhängend, Physiognomie wild, abschreckend. Viele stecken durch die Nasenscheidewand runde Stäbe; die Brust ist breit, Bauch oft vorspringend; die Sinne sind sehr scharf. Die Australier scheinen nicht alt zu werden; sie gehen fast ganz nackt, in den kühleren Gegenden tragen sie Gürtel u. Mäntel von Beutelthiersellen. Sie machen sich Einschnitte in die Haut, bemalen sich u. haben von Schmucksachen namentlich Arm- u. Halsbänder; sie bauen nichts, sind umherschweifende Jäger, binden sich an keine bestimmten Mahlzeiten, sondern essen, wenn sie etwas haben, u. dann unmäßig. Sie zerfallen in zahlreiche, aber sehr kleine, nur aus wenigen Familien bestehende Stämme; ob die ebenfalls ungemein zahlreichen Sprachen sämmtlich nur Dialekte einer einzigen Grundsprache sind, läßt sich bezweifeln, wenigstens noch nicht erweisen. Dem Charakter nach erscheinen sie in der Nähe besser, als ihr Äußeres vermuthen läßt; sie sind gutmüthig, fröhlich, kräftig u. selbständig, muthig, aber auch reizbar u. leidenschaftlich, bei erlittener Beleidigung rachgierig; eine höhere Cultur anzunehmen sind sie unfähig. Am rohesten sind sie im Süden u. Westen, weniger roh im Osten u. an der Nord- u. Nordwestküste, verhältnißmäßig am cultivirtesten im Nordosten, wo sie etwa mit den P. auf gleicher Stufe stehen. Verschiedene dunkelfarbige Völkerschaften, welche im Inneren verschiedener größerer Inseln des Archipels, wie der Philippinen, unter dem Namen der Alfören, Haraforas etc. erwähnt werd en, sind nicht Australneger, sondern malayischen Stammes, aber hinter der Culturstufe der küstenbewohnenden malayischen Völker nicht nur zurückgeblieben, sondern in ihren Berg- u. Waldwildnissen nur noch tiefer in Roheit versunken. Vgl. von der Gabelentz, Die malayischen u. polynesischen Sprachen, Lpz. 1860.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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