- Realismus
Realismus (v. lat,), ist die Bezeichnung einer philosophischen Denkweise, welche je nach ihrem Gegensätze eine verschiedene Bedeutung hat; a) R. ini Gegensatze zum Idealismns (s.d.) ist diejenige Denkweise, welche das Seiende, das, was den Erscheinungen zum Grunde liegt, für etwas von dem denkenden Subject u. von dem Denken überhaupt Unabhängiges erklärt. Die natürliche Auffassung der uns umgebenden Welt, vermöge deren wir die Dinge zunächst für das halten, als was sie sich uns darstellen, enthält in dieser Beziehung gewissermassen einen natürlichen R., welcher aber in der metaphysischen Reflexion u. Speculation vielfachen Umbildungen unterliegt. Die Systeme des Alterthums, auch die Ideenlehre Plato's (s.d.) nicht ausgenommen, ebenso Spinozas Pantheismus, der Atomismns der Corpuscularphilosophie Leibnitz's u. Herbart's Monadologie sind realistisch in diesem Sinne, u. zugleich Beispiele der sehr verschiedenen Wendungen, welche der R. in diesem Sinne nehmen kann, während der Idealismns mit der Behauptung der Identität des Seins u. Denkens u. der Abhängigkeit des ersteren von dem letzteren erst ein Product der neueren Zeit ist. Daher bezeichnet man mit R. im gewöhnlichen Leben u. in praktischer Beziehung ein gewisses vorherrschendes Behagen an dem sinnlich Gegenwärtigen, eine Beschränkung des Strebens u. Handelns auf das wirklich Gegebene u. factisch Erreichbare; ebenso nennt man in der Ästhetik R. die Beschränkung der künstlerischen Darstellung auf die treue Auffassung u. Nachahmung des Wirklichen im Gegensatz einer idealisirenden Umbildung desselben. b) Im Gegensatze zum Nominalismus (s.d.) bedeutet R. diejenige Ansicht, welche die allgemeinen Begriffe, die Abstracta, für den wahren Ausdruck dessen, was ist, erklärt, so daß z.B. der Begriff des Pferdes, der Rose, des Menschen für ein wahrhaft Seiendes erklärt wird, eine Ansicht, welche nach dem Vorgange des Plato u. theilweise des Aristoteles in der Blüthenzeit der mittelalterlichen Scholastik fast ausschließlich herrschte.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.