- Schiefer Hals
Schiefer Hals (Caput obstipum), krankhaft veränderte Stellung von Kopf u. Hals zu einander u. zum Rumpf, wobei der Kopf schräg steht, nach vorn, hinten od. einer Seite geneigt u. der Hals einfach gekrümmt ist u. zwar dort concav, wohin sich der Kopf neigt od. gleichzeitig um seine Achse gedreht (Obstipitas distorta, torticollis). Beim höchsten Grade des schiefen Halses nach vorn (Obstipitas adnuens) ruht das Kinn auf der Brust, beim seitlichen (Obstip. lateralis) der Kopf auf einer Schulter. Die stärkste Rückwärtsbeugung des Kopfes (Obstip. renuens) bringt das Hinterhaupt den immer gleichzeitig gehobenen Schulterblättern so nahe, daß von hinten der vom Nacken nichts gesehen wird. Beim schiefen Hals sind die Bewegung u. des Kopfes gehindert od. unmöglich, einzelne od. alle, oft schmerzhaft. Der Kranke zieht es oft vor, sich statt mit dem Halse, mit dem ganzen Körper zu wenden. Die Ursachen dieser Verunstaltung sind Verkrümmung u. Entzündung der Halswirbel. Geschwülste der einen Seite, Narben nach Verbrennungen, Geschwüren, Abscessen. Am häufigsten liegt dem schiefen Halse Contractur mehrer od. einzelner Muskeln (überwiegend häufig des Musc. sternocleidomastoideus), zu Grunde; sind beide Kopfnicker contrahirt, so wird der Kopf gerade nach vorn gebeugt. Selten nur ist der schiefe Hals angeboren u. dann fast immer rechtseitig, vielleicht wegen der überwiegend häufigen Lage des Kindes im Mutterleibe mit dem nach rechts gebeugten Kopfe od. durch Zerrung des Halses bei schweren Geburten. Nach längerem Bestehen stellen sich beim schiefen Halse weitere Veränderungen ein; die Halswirbel werden an der concaven Seite der Krümmung niedriger, ihre Fortsätze kleiner, sie verschieben sich, es entsteht eine Ausbiegung des Rückgrats im Halstheil u. später eine zweite von entgegengesetzter Richtung im Brusttheil. Dem schiefen Hals gesellt sich ein schiefes Gesicht bei. Je frischer das Übel ist, desto leichter ist der schiefe Hals zu beseitigen u. am leichtesten in Fällen von Muskelcontraction. In geringen Graden reichen oft fettige Einreibungen, heilgymnastische Manipulationen od. eine Binde mit steifer Pappe an der concaven Seite des Halses hin, ferner Streckungen durch die Glisson'sche Schwede. Bei stärkeren Muskelcontractionen ist Durchschneidung nothwendig u. zwar durch die subcutane Tenotomie. Außer dem andauernden schiefen Halse wird zuweilen ein zeitweiser durch krampfhafte Muskelcontractionen beobachtet.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.