Sophistik

Sophistik

Sophistik, die Kunst durch Zweideutigkeiten, trügerische Argumente u. halbwahre Sätze falschen Behauptungen den Schein der Wahrheit zu geben, od. durch verfängliche Fragen, wo nicht zu täuschen, doch Andere in Verlegenheit zu setzen, überhaupt die Kunst der Sophisten im übeln Sinne des Wortes (s. Sophist). Solche falsche Schlüsse nennt man Sophismen (Sophismata Fallaciae), Fehlschlüsse od. Paralogismen (wenn man blos auf ihre Falschheit sieht u. der sie Gebrauchende selbst getauscht wird) od. Trugschlüsse (wenn man die Absicht voraussetzt, daß Andere dadurch hintergangen werden sollen). Die Sophismen, deren es ihrer Natur nach sehr viele geben kann, theilt man ein in: formelle Sophismen (Sophismata amphiboliae od. Fallaciae ambiguitatis), in denen die von der Logik geforderte Form des Schlusses verletzt ist; sie können a) den Fehler im Ausdruck enthalten (Sophismata secundum dictionem), wozu die auf Vieldeutigkeit eines Wortes (Homonymie), Zweideutigkeit in der Stellung, Verbindung u. Trennung der Worte (Amphibolie, Compositio u. Divisio), so wie die auf dem Doppelsinn nicht genau bestimmter Sätze (S. figurae dictionis) beruhenden S-en gehören, z.B. jede Katze hat drei Schwänze; denn eine Katze hat einen Schwanz mehr als keine Katze, u. keine Katze hat zwei Schwänze. Der Fehler kann aber auch b) in Begriffsverwechselungen liegen S. extra dictionem),[301] obwohl diese S-en, da Begriffe durch Worte ausgedrückt werden, zum Theil mit den vorigen zusammenfallen. Hierher rechnet Aristoteles die Fallacia sensus compositi et divisi, wenn man einen Begriff bald collectiv, bald distributiv nimmt, z.B. das Irren (überhaupt) ist unvermeidlich; ich habe geirrt (in einem bestimmten Fall), also war mein Irrthum unvermeidlich; Fallacia a dicto secundum quid ad dictum simpliciter, wenn man einen Begriff mit einer gewissen Einschränkung, bald ohne dieselbe nimmt, z.B. ein Gelehrter (in der That) besitzt gründliche Kenntnisse, N. ist ein Gelehrter (seinem Stand nach, weil er studirt hat), also besitzt N. gründliche Kenntnisse; Sophisma fictae universalitatis, wenn man das Besondere als etwas Allgemeines setzt (z.B. Alles, was Beine hat, kann laufen, also auch der Tisch); S. falsi medii od. Ignorationis elenchi, wo entweder die beweisenden Mittelbegriffe od. der Gegenstand des Beweises verwechselt wird, wo das Vermittelnde, der Beweisgrund falsch ist; S. cum hoc vel post hoc, ergo propter hoc od. non causae ut causae, wenn man zwischen Begebenheiten, welche zufällig in einer Zeit zusammentreffen od. kurz auf einander folgen, einen ursachlichen Zusammenhang folgert; S. pigrum od. Ratio ignava, wenn sich die Trögheit durch Berufung auf das Schicksal mit einem Trugschluß entschuldigt; S. polyzeteseos od. Fallacia quaestionis multiplicis, wenn aus der Unmöglichkeit der Grenzbestimmung eines Verhältnißbegriffes durch fortgesetzes Fragen die absolute Unbestimmbarkeit desselben dargethan werden soll; S. heterozeteseos od. Fallacia quaestionis duplicis, wenn aus einer unvollständigen Disjunction etwas Unstatthaftes gefolgert od. überhaupt etwas Anderes bewiesen wird als zu beweisen war. Das allgemeine Merkmal aller Sophismen ist, daß sie durch die scheinbare Richtigkeit der Form des Schlusses die Falschheit des Inhaltes zu verbergen suchen. Die alten griechischen Philosophen, namentlich die Megariker, haben sich mancherlei Beispiele solcher Trugschlüsse ausgesonnen u. Aristoteles der Untersuchung über den in ihnen liegenden logischen Schein eine besondere Schrift Περὶ σοφιστικῶν ἔλέγχων gewidmet.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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