Sterben

Sterben

Sterben, der Übertritt aus dem Leben in den Tod. Es unterliegen dabei zunächst die Muskelkräfte; eine allgemeine Mattigkeit deutet an, daß das Eigenvermögen das Leben in einer bestimmten Sphäre selbst zu leiten seinem Erlöschen nahe sei; hierzu kommt oft ein eigenes Vorgefühl des Todes. Die übrigen Körperverrichtungen bleiben mehr od. minder noch erhalten, zuletzt aber schwindet das Bewußtsein od. erwacht nur periodisch. Das Herz schlägt schnell od. schwach, mit Unterbrechungen, ihm entsprechend ist auch der Puls klein u. aussetzend, od. wird auch in den Extremitäten ganz unfühlbar, während diese zugleich erkalten (der Mensch stirbt von unten). Es erlöscht der Lebensturgor, was sich bes. in dem Hippokratischen Gesicht (s.d.) charakterisirt. Den Körper bedeckt ein kalter, kleberiger Schweiß (Todesschweiß), welcher ebenfalls von den Extremitäten anhebt. Das Athmen wird stöhnend u. ängstlich, wodurch das noch rege Gefühl belästigt wird (Todesangst); das Schlucken wird beschwerlich, indem bes. Getränke mit hörbarem Geräusch durch die Speiseröhre in den Magen fallen; in den Lungen sammelt sich Schleim an, welcher nur mühsam durch die Luftröhre hinauf gelangt, endlich in derselben verweilt u. ein Röcheln (Todesröcheln) bewirkt. Die Augäpfel werden nach den oberen äußeren Augenwinkeln gezogen u. der Blick ist unstät. Häufig verdunkelt sich auch die Hornhaut des Auges noch vor dem wirklichen Ableben (das Auge bricht) u. der Körper folgt auch im Liegen seinem Schwerpunkt u. sinkt herab. Auch die Hände nehmen an diesem Zustande Theil od. verwenden den Rest ihres Vermögens in irrem Umsichgreifen (Flockenlesen); der Unterkiefer sinkt willenlos herab. Mit der abnehmenden äußeren Körperwärme schwindet auch die Wärme der Lungen u. das Athmen wird kalt. Alle diese Erscheinungen auf ihrer Höhe geben das Bild der Agonie od. eines in den letzten Zügen liegenden Menschen, deren Dauer unbestimmt, zuweilen auch von sehr schnellem Verlaufe ist, doch meist sich über einige Stunden nicht erstreckt. Indessen behauptet auch wohl die Natur noch ein- od. einigemal ihre Überlegenheit im Streite mit ihrer eigenen Auflösung, das Bewußtsein kehrt wieder, gleichzeitig mit einer freieren Blutbewegung. Bald aber erneuert sich die Scene, doch häufig nur in schwachen Zügen, u. das Leben erlöscht auch wohl unvermerkt unter einem letzten Athemzug, dessen letzter Moment jederzeit eine Exspiration ist. Von dem mehr od. minder scharfen Hervortreten der genannten Erscheinungen, wovon einzelne auch wohl mangeln, dagegen aber auch andere als besondere durch Krankheitszustände herbeigeführte sich hinzufügen können, von der Dauer, dem Wechsel u. der Aufeinanderfolge desselben hängen die Zustände ab, welche man als leichten od. schweren Tod bezeichnet. Im Allgemeinen ist aber das S. kein Leidenszustand, ja kann selbst als Gefühl der Beseitigung eines vorhergegangenen Leidens erfreuend sein. Mit dem letzten Athemzuge wird das Leben als entwichen u. der Mensch als gestorben erachtet. Gewöhnlich folgt indessen, wenn auch das Athmen zum Stillstand gelangt ist, noch ein u. der andere schwache Athemzug. Gleichzeitig hat nun auch das Herz zu schlagen aufgehört. Der Körper ist gefühllos u. die Reizbarkeit nur noch durch Einwirkung starker u. ungewöhnlicher Reize anzuregen. Alle noch rückständige Röthe der Haut verschwindet, zugleich allmälig alle Körperwärme, die Glieder strecken sich, indem die ausstreckenden Muskeln ihr Übergewicht über die Beugemuskeln behaupten, der Körper erstarrt u. der als Tod dem Leben entgegenstehende Zustand ist völlig eingetreten.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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