- Talmud
Talmud (Thalmud, hebr., d.i. Lehre, Lehrbuch), das Gesetzbuch der neuern Juden, eine Sammlung pharisäischer Satzungen u. Überlieferungen, bes. in Beziehung auf religiöses u. bürgerliches Recht, die aus Vorträgen jüdischer Gelehrten der hohen Schulen in Babylonien u. Palästina (Sora u. Tiberias) entlehnt sind. Die Satzungen gehören entweder zu der Halachah, d.h. was im Gesetz gäng u. gäbe ist, was die unbedingte Auctorität hat; od. zu der Haggadah, d.h. was gesagt ist in subjectivem Sinne, was also noch nicht zur autorisirten Tradition geworden ist. Der T. zerfällt in zwei Theile: a) die Mischna (d.i. Widerholung, nämlich des Gesetzes), welche eben jene durch Tradition fortgepflanzten Satzungen sind, die als ungeschriebenes Gesetz Mosts galten (meist Halachah). Die Mischna ist um 218 n. Chr. von Jehuda Hakkadosch gesammelt. Einverleibt wurden der Mischna später die Baraithoth (Extravaganzen), eine andere, von dem Rabbi Chanina nach Jehuda von dessen Sammlung ganz abweichend gemachte Sammlung von mündlich überlieferten Gesetzen u. Gebräuchen. Gedruckt ist die Mischna zuerst Neapel 1492; die besten Commentare dazu sind von Maimonides u. Bartenora, Wörterbuch dazu von Hartmann, Rost. 1825 s.; übersetzt lateinisch von Surenhusius, Amst. 1698–1703,3 Bde., Fol.; deutsch von Nabe, Onolzb. 1760–62, 3 Bde., u. mit hebräischen Buchstaben, Berlin 1834; spanisch, Vened. 1606. b) Die Gemara (d.h. das Vollendete, weil sie als die vollständigste Zusammenstellung aller mündlichen Traditionen galt), enthält die rabbinischen Erklärungen der Mischna (vorzugsweise Haggadah). Den Grund zu der Zusammenstellung der Gemara soll Rabbi Jochanan in Tiberias im 3. Jahrh. gelegt haben; weil diese bes. für jerusalemische Juden bestimmt war, hieß er Jerusalemischer od. Hierosolymitanischer T., gedruckt Venedig 1523, Krakau 1609, Dessau 1743, Berlin 1757. Später trat eine neue Sammlung babylonischer Rabbinen, bes. von dem zu Sora lehrenden Rabbi Ase um 420 begonnen u. um 500 durch Rabbi Jose vollendet, hinzu, u. dies ist der Babylonische T. Er ist viel weitläufiger u. umfassender, enthält auch Supplemente (Thosaphoth) u. Decisionen derselben (Pirke Thosaphoth) u. sieht bei den Juden in demselben Ansehn, wie die heilige Schrift, denn diese, behaupten sie, könne ohne jene nicht verstanden werden. Gedruckt Venedig 1520 ff. (von Bomberg mit den Commentaren Raschi's u. Ascher's, sowie denen Maimonides' über die Mischna), 12 Bde. Fol. u. öfter nachgedruckt, ferner Lublin 1617, Amst. 1644 u. 1752. Frkf. 1714, Berl. 1734, Sulzb. 1755, Dyrnfurt 1816, Wien 1822, Prag 1830, von Pinner mit deutscher Übersetzung, Verl. 1844 (unvollendet). Vollständige Übersetzungen gibt es nicht. Obgleich der T. eine große Menge Fabeln enthält, so darf doch bei den Juden nichts von dem, was im T. erzählt ist, in Zweifel gezogen werden, da er als ein heiliges Buch von gleichem Ursprung mit dem Mosaischen Gesetz gilt. Jedoch fand sich schon früh eine Partei unter den Juden, die Karaiten, welche den T. verwarf, u. im Gegensatz zu ihnen hießen die, welche denselben annahmen, Talmudisten. Die Sprache des T. ist ungleich, die der Mischna ist hebräisch, die der Gemara dagegen aramäisch. Schon im 12. Jahrh. machte Moses Maimonides einen Auszug aus dem T. (Jad Chazakha, d.i. starke Hand), in welchem er, mit Weglassung der fabelhaften Erzählungen, die jüdischen Gesetze vollständig aufnahm u. in Ordnung brachte. Vgl. I. Weil, Fragmente aus dem T. u. den Rabbinen, Frankf. 1809–1811, 2 Thle.; Pinner, Compendium des hierosolymitanischen u. babylonischen T., Berl. 1831; Kittseer, Inhalt des T. u. seine Autorität, Presb. 1857.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.