- Salicylige Säure
Salicylige Säure (Salicylaldehyd, Salicylwasserstoff, Salicoylige Säure, Spiroylwasserstoff, Spirige Säure, Spirylige Säure, Spiräasäure, Spiräaöl), C16H6O4, wurde von Pagenstecher in dem ätherischen Öle der Blüthen von Spiraea ulmaria u. von Piria als Product der Destillation des Salicins mit Schwefelsäure[786] u. chromsaurem Kali entdeckt; die S. S. findet sich ferner unter den Producten der trockenen Destillation der Chinasäure, sowie in den auf Weiden u. Pappeln lebenden Larven der Chrysomela populi; diese Larven besitzen längs des Körpers Wärzchen, aus welchen beim Drücken riechende Öltröpfchen austreten. Man erhält sie auch aus dem Kraut u. Wurzelstock der Spiraea ulmaria, S. digitata, S. filipendula u. S. lobata, sowie durch Destillation der Crepis foetida. Am besten stellt man die S. S. durch Destillation von Weidenrindenextract od. von Salicin mit doppelt chromsaurem Kali u. verdünnter Schwefelsäure dar; es scheidet sich im Destillat als eine ölige Schicht unter Wasser ab. Die S. S. ist ein gelbliches, stark aromatisch, dem Bittermandelöl ähnlich riechendes Öl von 1,17 specifischem Gewicht; wird bei – 20° fest, siedet bei 196,5°. Von Wasser wird sie wenig, von Alkohol u. Äther leicht aufgelöst; Eisenoxydsalze färben die Lösung roth. Innerlich genommen wirkt sie nicht giftig, aber reizend auf die Schleimhäute u. kann im Harn wieder nachgewiesen werden. Sie röthet u. bleicht Lackmus u. bildet mit Basen Salze. Die S. S. kann als das Aldehyd des Radicals Salicyl angesehen werden. Die Salicylsauren Salze sind meist krystallisirbar, gelb, die Alkalisalze sind löslich u. reagiren alkalisch, die übrigen sind meist unlöslich; sie sind den benzoësauren Salzen isomer u. entwickeln bei Zusatz von stärkeren Säuren den eigenthümlichen Geruch der S-n S.; durch Eisenoxydsalze werden sie stark violet gefärbt. Manche von ihnen bräunen sich an der Luft, so das salicyligsaure Silberoxyd, u. entwickeln dabei einen rosenähnlichen Geruch. Wird salicyligsaures Kupferoxyd bei 220° der trockenen Destillation unterworsen, so geht S. S. u. Parasaticyl, C28H10O6, über. Mit Chloracetyl liefert die S. S. unter Entweichen von Salzsäure Acetosalicyl, C18H8O6; es ist krystallisirbar, unlöslich in Wasser u. Alkalien, löslich in heißem Alkohol; zersetzt sich selbst in großer Hitze nicht. Chlorbenzoyl liefert auf gleiche Weise Benzosalicyl (Parasalicyl), C28H10O6; Toluylchlorür gibt Tolusalicyl. Chlor, Brom u. Jod bilden mit der S. S. Substitute, analog denen des Bittermandelöles, welche ebenfalls Säuren sind. Das Chlorsalicyl (Chlorspiroyl) krystallisirt in farblosen Tafeln, ist in Wasser nicht, in Alkohol, Äther u. Alkalien löslich, riecht widrig, schmeckt pfefferartig. In Wasser, welches doppeltschwefeligsaures Alkali aufgelöst enthält, löst sich das Chlorsalicyl, sowie das ihm analoge Bromsalicyl, leicht auf; aus der Lösung scheidet sich eine Verbindung der S-n S. mit diesem Salze in kleinen farblosen Krystallen aus. Durch die Einwirkung von Salpetersäure geht die S. S. über in Nitrosalicid, C14H5(NO4)O4, u. bei fortgesetzter Einwirkung in Pikrinsäure. Mit Ammoniak zusammengebracht bildet sie das Salicylimid (Spiroylimidamid, Spiroylimid), C42H18N2O6.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.