Ackerbauschulen

Ackerbauschulen

Ackerbauschulen, sind (zum Unterschied von landwirthschaftlichen Instituten od. Akademien) niedere landwirthschaftliche Lehranstalten, die zum Zweck haben, die Söhne von Bauern zu tüchtigen Landwirthen zu bilden. Allen A. ist das Princip gemeinschaftlich, das eigene Handanlegen der Schüler zur Basis. des Instituts zu machen u. den Unterricht in weniger systematischer, sondern mehr populärer Form, nicht über das nothwendige Maß auszudehnen. Bei dieser Übereinstimmung im Allgemeinen ist jedoch die Einrichtung im Einzelnen verschieden. Man kann folgende Hauptformen unterscheiden: a) die Zöglinge werden jung aufgenommen; der Unterricht umfaßt, außer Elementarnachhülfe,[93] alle Realien u. die Landwirthschaftslehre; die Arbeit füllt nicht den ganzen Tag, ist zum größten Theil Handarbeit, bes. gartenmäßige, u. deshalb die Zahl der Zöglinge im Verhältniß zum Gute eine sehr große; so z.B. die A. in Lichtenhof bei Nürnberg u. in Kreuzlingen im Thurgau. b) Die Zöglinge werden nicht vor dem 17. u. 18. Jahre u. nur nach erlangter Elementarbildung u. Kenntniß der landesüblichen Ackerarbeiten aufgenommen; sie verrichten alle Arbeiten selbst; der Unterricht ist, abgesehen von Elementarnachhülfe, auf den Winter beschränkt. Von dieser Hauptform kommen wieder 3 Zwischenstufen vor: aa) außer den Zöglingen werden gar keine Knechte gehalten; die mechanische Erlernung der Arbeiten, in denen innerhalb 3 Jahren die Abstufung von Handarbeit u. Gespannarbeit innegehalten wird, bildet die Hauptaufgabe; der Unterricht beschränkt sich auf Lesen u. Erklären eines faßlichen landwirthschaftlichen Buches. Diese Schulen sind in Preußen eingeführt. In der Mehrzahl sind sie Privatanstalten mit Staatsunterstützung; es wird nur sehr. geringes od. gar kein Lehrgeld bezahlt, ja die Zöglinge erhalten noch Lohn. bb) Außer den Zöglingen werden noch Knechte für solche Arbeiten gehalten, bei denen gar nichts zu lernen ist; der Unterricht, auf 2–3 Jahre vertheilt, soll ein 3facher sein: Nachhülfe in den Elementarkenntnissen, dann Unterricht während der landwirthschaftlichen Arbeiten u. durch dieselben in zweckmäßiger Ausführungsart der Arbeiten u. im Gebrauch verbesserter Werkzeuge; endlich der eigentliche landwirthschaftliche Unterricht, der im Winter täglich während 4–5 Stunden, im Sommer nur an Ruhetagen ertheilt wird u. in populären Vorträgen über alle Zweige der Landwirthschaft u. der Naturwissenschaften, soweit letztere zur Erklärung erforderlich sind, besteht. Hierher gehören die württembergischen u. badischen u. ein Theil der preußischen A. Sie sind meist Staatsanstalten. Arbeit u. Kost der Zöglinge compensiren sich od. der Staat deckt die Differenz; daher wird beides berechnet. Lehrgeld wird nicht od. wenig gezahlt. cc) Es werden noch einmal so viel Zöglinge gehalten, als das Gut eigentlich Arbeiter beschäftigen kann, u. daher im Sommer täglich mehrere Stunden dem Unterricht gewidmet, der mehr systematisch, nach einzelnen Disciplinen ertheilt wird. Beispiel ist Hofwyl; Bedingungen sind hohes Kost- u. Lehrgeld, wenn der Staat nicht viel beitragen soll. c) Die Schüler gehn während des Sommers nach Hause u. beschäftigen auf Gütern sich praktisch, erhalten aber während 2 Wintercursen vollständigen systematischen Unterricht in allen Theilen der Naturwissenschaften u. in allen Zweigen der Landwirthschaft, so z.B. in Hof-Geisberg bei Wiesbaden. A. sind jetzt in Preußen, Österreich, Württemberg, Baden, Braunschweig etc., vielfach auch in andern europäischen Ländern, in Frankreich, Belgien, Holland, Serbien, Spanien etc. ins Leben gerufen worden. Eine besondere Art von A. sind die in neuerer Zeit in Württemberg von Gemeinden ins Leben gerufenen Landwirthschaftlichen Armenerziehungsanstalten, die darauf abzielen, arme Kinder unter Leitung eines tüchtigen Aufsehers in christlichem Sinn u. Geist heranzuziehen u. sie zu guten, fleißigen, geschickten Dienstboten u. Ackerknechten zu bilden.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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