Canon [2]

Canon [2]

Canon (Mus.), 1) mehrstimmiges Tonstück, in dem eine Stimme nach der andern, u. zwar so eintritt, daß jede nachfolgende die Melodie der erstern, entweder auf derselben, od. auf einer andern Tonstufe wiederholt. Geht dies immerfort, so daß die folgende Stimme die Töne der vorhergehenden fortwährend wiederholt u. man beliebig aufhören kann, so ist es ein unendlicher C. (Canon infinītus od. C. perpetuus); ist aber demselben ein Anhang beigefügt, in welchem die Stimmen in Harmonie sich vereinigen, ein endlicher C. (C. finitus). Zirkel-C (C. per tonos) ist er, wenn er bei der Wiederholung in andere Intervallen überspringt u. nach u. nach alle 12 Tonarten durchläuft. C. von vielerlei Gestalt (C. polymorphus), wenn er mehrerer Eintritte u. verschiedener Bewegungen fähig ist, daß, wenn z.B. die 1. Stimme in Vierteln anfängt, die 2. in Achteln wiederholt; C. al sospiro, wenn die nachfolgenden Stimmen blos ein Viertel später eintreten. Soll der C. von Wirkung sein, so muß er eine sangbare faßliche Melodie haben u. nicht mit harmonischen Künsteleien überladen sein. Doch ist die Anfertigung künstlicher C-s den Schülern im Contrapunkt anzurathen; 2) in Opern, Sätze, in denen eine Singpartie nach der andern eine Melodie aufnimmt, während die erstere eine andere passende Melodie ausführt, u. so fort, bis die erstere Hauptmelodie wieder zu den ersteren Tönen zurückkehrt. Oft werden auch bloße Nachahmungen verschiedener Stimmen, d.i. kurze Stellen, welche eine Stimme nach der andern wiederholt, canonisch od. C-s genannt. Bei dem C. der erstgenannten Art bemerkt man oft nur durch das Eintrittszeichen §, wo die nachfolgenden Stimmen anfangen sollen (geschlossene C-s), oft werden aber auch die Stimmen einzeln od. in der Partitur ausgeschrieben (offene C-s). Räthsel-C-s sind die, wo man die Eintrittszeichen ganz wegläßt, um den Ort des Eintritts der folgenden Stimme errathen zu lassen; die Aufführung der Zeichenzahl der Stimmen heißt hier Auflösung. Zuweilen nimmt man Veränderungen mit der Melodie vor, indem man die Geltung der Noten derselben vermehrt (C. per augmentationem) od. vermindert (C. per diminutionem) Andere künstliche Scherze sind es, wenn die folgende Stimme die Melodie rückwärts, od. wo eine Stimme die Noten verkehrt zu fingen hat.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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