Klangfiguren

Klangfiguren

Klangfiguren, wenn nach der Entdeckung Chladnis eine elastische Platte (z.B. eine gläserne Scheibe) mit seinem, trockenem Sand gleichmäßig dünn bestreut, dann an einer od. mehreren Stellen horizontal festgehalten, durch Anstreichen mit einem Violinbogen zum Erklingen gebracht wird, so entweicht der Sand auf den mehrsten Stellen, nur in gewissen linearen Richtungen nicht, indem er sich in diesen vielmehr anhäuft, u. in der Gestalt dieser Linien regelmäßige Figuren bilden. Dies beruht darauf, daß nicht, wie bei tönenden Saiten, einzelne Punkte als Schwingungsknoten, sondern ganze Linien (Knotenlinien) in Ruhe bleiben, während die dazwischen liegenden Flächen schwingen u. dadurch tönen. Die K. richten sich, bei übrigens gleichen Umständen, nach der Gestalt der Scheibe; es entstehen also andere bei rechtwinkelig viereckigen, andere bei runden, od. elliptischen, od. auch sechs od. dreieckigen Scheiben. Es lassen sich auf derselben Scheibe sehr vielerlei K. hervorbringen, je nachdem man mit dem Bogen stärker od. schwächer, schneller od. langsamer streicht u. die Lage des Punktes, wo die Scheibe gehalten wird, gegen den, wo gestrichen wird, abändert. Die einfachste Figur ist immer mit dem tiefsten Tone begleitet; je zusammengesetzter eine K. ist, desto höher fällt der Ton aus. Ähnliche u. ungleich große Scheiben geben bei gleicher Behandlung gleiche K., aber Töne von verschiedener Höhe. Die Knotenlinien sind nach Strehlke immer gekrümmt u. schneiden einander nicht, die scheinbar geraden Linien vieler K. sind nur Zweige hyperbolischer Curven; wenn sie nicht in sich selbst zurückkehren, so hören sie nie in der Scheibe auf, sondern gehen immer bis zum Rande. Verwickelte K. haben gleichwohl immer das Aussehen, als ob sie durch Zusammensetzung aus einzelnen entstanden wären, die man in ähnlichen Scheiben erzeugen kann. Figuren, welche sich bei den Schwingungen zwischen den Knotenlinien an den schwingenden Stellen bilden, wenn man Bärlappsamen unter den Sand mischt, heißen Ergänzungsfiguren. Sie entstehen in Folge der durch die zurückgestoßene Luft sich bildenden leeren Räume, welche Luftströmungen nach den bewegten Stellen veranlassen, wodurch leichte Körper von den Knotenlinien fortgerissen u. an den schwingenden Stellen angehäuft werden. Eben so wie an Scheiben, bilden sich auch an den Knotenlinien tönender, longitudinalschwingender Stäbe- od. gekrümmter Flächen analoge K.; ja selbst durch Resonanz, z.B. wenn man eine tönende Stimmgabel auf einen mit Sand bestreuten Resonanzboden aufsetzt, lassen sich K. hervorrufen. Sehr mannigfaltige, von den bisher bekannten ganz verschiedene K. bilden sich, wenn man dünne, bestreute Membranen von Kautschuk durch ein Rohr von unten anbläst. Scheiben, die, wie Holz, Krystall etc., nicht nach jeder Richtung gleiche Elasticität besitzen, geben verschiedene K., wenn man sie an verschiedenen Stellen streicht. Chladni ist der Erfinder der K. Die Meinung, daß schon Galilei ihre Erscheinung wahrgenommen habe, beruht auf Mißverständniß. Savart u. Strehlke haben sie weiter studirt.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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