Satire

Satire

Satire (v. lat., nach unrichtiger Ableitung aus dem griechischen Satyre), eine zur didaktischen Gattung gehörende Dichtungsart, welche Thorheiten, Eitelkeiten, Gebrechen, Laster in der socialen Gesellschaft in launigem Tone von ihrer lächerlichen u. verderblichen Seite darstellt (heitere, lachende S.) od. mit Bitterkeit des Spottes verfolgt (ernste, strafende S.). Die S. ist eine Erfindung der Römer u. zwar die einzige nationale, nicht von den Griechen entlehnte Dichtungsart bei denselben; sie ging hervor aus den komischen Parodien der ernsten Festtänze in Rom, welche in mimischen Bewegungen bestanden, begleitet von Musik u. extemporirter Scherzrede u. als Mischgattung Satŭrae (nach Satura lanx einer Schüssel, worauf der Ceres die Erstlinge der verschiedenen Früchte dargebracht wurden), nachmals Satĭrae genannt wurden. Ennius führte diese S-n als dramatische Spiele in die Literatur ein, indem er deren, u. zwar in wechselnden Versarten, schrieb; Lucilius bildete aus ihr eine Kunstgattung in der Form geistreicher Discussion über politische u. sociale Gegenstände, wobei er sich für jede einzelne S. nur Eines Versmaßes bediente; Varro geißelte vom wissenschaftlichen Standpunkte die Gebrechen seiner Zeit, bes. das überhandnehmende Fremdenthum gegenüber dem alten Römerthum, u. weil er dabei die sarkastische Manier des Cynikers Menippos nachahmte, nannte er seine S-n Satĭrae Menippēae; in ihnen wechselten Prosa u. Verse ab; Horatius u. seine Nachfolger (s. Römische Literatur S. 313) beschränkten die S. auf das Gebiet des socialen Lebens u. gaben ihr durch das Übergewicht des Allgemeinmenschlichen über das blos Nationale ein allgemeines u. nachhaltiges Interesse. Name u. Wesen der S. kam aus der Römischen in die Occidentalischen Literaturen (s. Französische Literatur, Italienische Literatur, Englische Literatur etc.), auch in die Deutsche Literatur (s.d.), wo sie bes. im 16. Jahrh. beim Übergang aus dem alten in das neue Cultur-, kirchliche u. sociale Leben erscheint u. das alte mit beseitigen half. Die S. verfolgt nicht die Thorheiten, Gebrechen u. Laster einzelner Personen, sondern ist gegen die in Ständen, Corporationen, Staaten, Zeiträumen herrschenden gerichtet, daher sind die einzelnen Personen, welche als Gegenstand des Spottes erscheinen, nur fingirte, welche die Gebrechen einer ganzen Klasse repräsentiren. Dabei hat der Spott nicht die Bestimmung den Leser zu unterhalten, sondern denselben von den Thorheiten u. Fehlern abzuschrecken u. die Thoren u. Lasterhaften zu bessern. Form u. Einkleidung der S. kann sehr verschieden sein, indem sich der Brief, die Erzählung, der Dialog, das Schauspiel, das Lied, die Fabel, selbst das Epos dazu eignen; die gewöhnlichste Form ist die der selbständigen didaktischen S., obwohl darin die Belehrung als unmittelbarer Zweck in den Hintergrund treten muß. Die Versart der S. war bei[942] den Römern seit Horatius der Hexameter, bei Neueren gewöhnlich das iambische Metrum. Vgl. Sansovino, Della satira, Ven. 1563; Vauquelin de la Fresnaye, Sur la satire, Caen 1605; Grosch, Regeln der R., Jena 1750; Paldamus, Über Ursprung u. Begriff der S., Greifsw. 1834.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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  • Satire — ist eine Spottdichtung, die mangelhafte Tugend oder gesellschaftliche Missstände anklagt. Historische Bezeichnungen sind im Deutschen auch Spottschrift, Stachelschrift und Pasquill (gegen Personen gerichtete satirische Schmähschrift). Das Wort… …   Deutsch Wikipedia

  • SATIRE — Il ne s’agira dans cet article que de la satire littéraire. Or, même littéraire, la satire est une des formes les plus difficiles à cerner. Où la tragédie et la comédie, voire le roman, offrent l’appui, même incertain, d’une formule consacrée, et …   Encyclopédie Universelle

  • Satire VI — is the most famous of the sixteen Satires by the Roman author Juvenal written in the late 1st or early 2nd century CE. In English translation, this satire is often titled something in the vein of Against Women due to the most obvious reading of… …   Wikipedia

  • satire — late 14c., work intended to ridicule vice or folly, from L. satira satire, poetic medley, earlier satura, in lanx satura mixed dish, dish filled with various kinds of fruit, lit. full dish, from fem. of satur sated (see SATURATE (Cf. saturate)).… …   Etymology dictionary

  • Satire — Sf erw. fach. (16. Jh.) Entlehnung. Entlehnt aus l. satira (älter: satura), zu l. satura (lanx) Allerlei, Gemengsel, Fruchtschüssel , zu l. satur satt, gesättigt, reichlich, fruchtbar (verwandt mit l. satis genug ). So bezeichnet als… …   Etymologisches Wörterbuch der deutschen sprache

  • Satire — Sat ire (?; in Eng. often ?; 277), n. [L. satira, satura, fr. satura (sc. lanx) a dish filled with various kinds of fruits, food composed of various ingredients, a mixture, a medley, fr. satur full of food, sated, fr. sat, satis, enough: cf. F.… …   The Collaborative International Dictionary of English

  • Satire — Satire: Die Bezeichnung für eine literarische Gattung kritischen Charakters, die die Schwächen einer entarteten ‹Um›welt mit den Stilmitteln der Ironie verspottet und geißelt, wurde im 16. Jh. aus lat. satira entlehnt. Die moderne Satire ist… …   Das Herkunftswörterbuch

  • satire — ► NOUN 1) the use of humour, irony, exaggeration, or ridicule to expose and criticize people s stupidity or vices. 2) a play, novel, etc. using satire. 3) (in Latin literature) a literary miscellany, especially a poem ridiculing prevalent vices… …   English terms dictionary

  • satire — [sa′tīr΄] n. [Fr < L satira or satura, satire, poetic medley < ( lanx) satura, (dish) of various fruits, prob. < Etr, of Thracian orig.] 1. a) a literary work in which vices, follies, stupidities, abuses, etc. are held up to ridicule and …   English World dictionary

  • Satire — (lat.) ist eine Grundform der subjektiven ästhetischen Auffassung, die sich in allen Künsten, vor allem aber in der Poesie, und in dieser in allen Gattungen (Epos, Roman, Novelle, Lyrik, Drama) geltend machen kann; insbes. aber versteht man unter …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

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