- Elektrisches Leitungsvermögen
Elektrisches Leitungsvermögen, das Vermögen eines Körpers, mehr od. weniger Elektricität als ein anderer Körper von gleicher Länge u. Dicke in einer gewissen Zeit durchzulassen. Der entgegengesetzte Werth des E. L. heißt der Leitungswiderstand. Es sind aber im ganzen 3 Metholhoden angewendet worden, das E. L. verschiedener Körper mit einander zu vergleichen: a) entweder man schaltet in den Schließungsbogen einer Leydner Flasche, welche zugleich einen Platindraht im Luftthermometer enthält, die zu untersuchenden Körper ein u. beobachtet die durch den Entladungsschlag hervorgebrachte Temperaturerhöhung; diese nimmt nämlich mit wachsendem Leitungswiderstand des eingeschalteten Körpers ab; od. b) man schaltet in den Schließungsbogen einer constanten galvanischen Kette die zu untersuchenden Körper ein u. beobachtet am Galvanometer die abnehmende Kraft des Stroms; dieselbe ist nämlich nach dem Ohmschen Gesetz dem Leitungswiderstand in der Kette umgekehrt proportional; od. c) man schaltet in den Schließungsbogen einer galvanischen Kette erst den fraglichen Körper u. dann statt seiner eine gewisse Drahtlänge des Rheostaten ein, bis die Ablenkung am Galvanometer od. der Tangentenboussole die nämliche wie zuvor ist. Die Resultate verschiedener Beobachter sind etwas verschieden ausgefallen. Rieß benutzte die erste, Lenz die zweite, Becquerel die dritte Methode; ihre Resultate schwanken, wenn[619] man die Leitung des Kupfers = 100 setzt: Silber zwischen 149 u. 110, Gold zwischen 89 u. 71, Messing zwischen 28 u. 29, Palladium zwischen 18 u. 15, Eisen zwischen 18 u. 13, Platin zwischen 16 u. 9, Blei zwischen 10 u. 9. Übrigens ist das E. L. der Metalldrähte ihrer Länge umgekehrt proportional, u. bei gleicher Länge u. ungleichem Durchmesser dem Querschnitt, also dem Quadrate des Durchmessers, direct proportional. Daraus erhellt, daß der elektrische Strom sich im Innern der Körper verbreitet. Von den Flüssigkeiten besitzen die Säuren das stärkste, Auflösungen von Alkalien u. Neutralsalzen das schwächste Leitungsvermögen. Viele leicht schmelzbare Körper sind im festen Zustande Nichtleiter, im geschmolzenen aber Leiter der Elektricität, bes. das Eis, Chlorblei, Chlorsilber, Pottasche, Natron, Glaubersalz, Borax. Mit dem erlangten Leitungsvermögen fängt gewöhnlich auch die Elektrolysirung (s.d.) an. Durchgängig ist aber das E. L. der Flüssigkeiten weit geringer als das der Metalle; z.B. ist nach Becquerel, wenn der Leitungswiderstand des Silbers = 1 gesetzt wird, der einer gesättigten Kupfervitriollösung 18 Mill., nach einer Verdünnung auf zweifaches Volumen 29 Mill. etc. Auch für die Flüssigkeiten gilt das Gesetz, daß ihr Leitungswiderstand im directen Verhältniß ihrer Länge u. im umgekehrten ihres Querschnitts steht. Von besonderer Wichtigkeit ist die Beobachtung Steinheils, daß der Leitungswiderstand der Erde gleich 0 gesetzt werden könne. Da die Substanz der Erde an sich schlecht leitet, so ist dies nur aus ihrem verhältnißmäßig ungeheuren Querschnitt zu erklären. Dieser Umstand ist aber für die elektrische Telegraphie von größter Bedeutung, da man sich nunmehr zur Rückleitung des Stroms allgemein des Erdbodens statt einer zweiten Drahtleitung bedienen kann. Über die leitenden Eigenschaften der Flamme u. ihre bedeutende Wirkung in die Ferne, welche die der metallnen Spitzen weit übertrifft, hat Rieß genügenden Aufschluß gegeben, indem er von der Betrachtung ausgeht, die heißen, die Elektricität leitenden Dämpfe würden durch die eindringende u. schlecht leitende Luft vielfach zerrissen u. zu unsichtbaren Spitzen u. Fäden ausgezackt. Man benutzt, um dieser Eigenschaft willen, die Flamme dazu, um von elektrischen Harz- od. Glaskörpern die Elektricität abzuleiten. Die Temperatur übt auf das E. L. der Körper bedeutenden Einfluß; die festen Körper werden in erhöhter Temperatur schlechtere Leiter, die flüssigen aber bessere, z.B. vermindert sich die Leitungsfähigkeit des Goldes zwischen 15° u. 225° R. nach Lenz von 80 auf 65, die des Bleies zwischen denselben Grenzen von 14 auf 7, dagegen vermindert sich nach Hankel der Widerstand einer Flüssigkeitssäule von Kupfervitriollösung zwischen 0° u. 31° R. von 11,26 auf 4,7.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.