- Flucht
Flucht, 1) das Verlassen eines Ortes, um einer, namentlich das Leben bedrohenden Gefahr zu entgehen; so z.B. Flucht nach Ägypten, die Entfernung der Eltern Jesu mit diesem aus Palästina nach Ägypten, s.u. Christus I. B). Auf Abbildungen dieser F. wird Maria mit dem Christuskinde auf einem Esel dargestellt, welcher von Joseph angetrieben wird; 2) F. eines Verbrechers, die eigenmächtige Entfernung eines Delinquenten von dem Orte des Verbrechens od. dem Orte, wo er sich zeither aufhielt, um sich dadurch der strafrechtlichen Verfolgung zu entziehen. Die F. kommt einestheils als ein wichtiges Indicium für die Schuld, anderntheils insofern in Betracht, als sie die Möglichkeit benimmt, an dem Delinquenten die verwirkte Strafe zu vollziehen. Um die Ausführung einer etwa beabsichtigten F. zu verhüten, muß, wenn die Untersuchung noch nicht begonnen hat, der des Verbrechens Verdächtige genau beobachtet werde; hat die Untersuchung bereits begonnen, so hat bei genugsamer Anzeigung der F. die Inhaftirung zu erfolgen. Ist dies. bereits erfolgt, so tritt die Nacheile mittelst der Amts- u. Gerichtsfolge ein, u. wenn auf diese Weise der Flüchtige nicht erlangt werden kann, die Erlassung von Steckbriefen. Gleichzeitig pflegt dann auch das etwaige Vermögen des Angeschuldigten mit Arrest belegt zu werden. Die Beherbergung eines flüchtigen Verbrechers, wenn sie freiwillig u. wissentlich, u. nicht etwa blos als Liebespflicht von den nächsten Verwandten geschah, ist als Begünstigung des Verbrechens anzusehen, ebenso die Gewährung von Kleidung, Lebensmitteln u. dergl. Bei Capitalverbrechen hat derjenige, welcher von dem Aufenthalt eines Flüchtigen Kenntniß erlangt, sogar die Pflicht, dies der Obrigkeit anzuzeigen. Über die Begünstigung der F. eines Gefangenen durch einen Gefangenwärter s.u. Amtsverbrechen. Der Entfliehende selbst kann deshalb, weil er floh, nicht härter bestraft werden, auch wenn die F. aus einem Gefängnißlocal erfolgte. Nur wenn die F. im Complott mit Anderen od. mittelst Gewaltanwendung erfolgte, bildet sie nach den neueren Strafgesetzgebungen ein Verbrechen, welches in der Regel mit Verlängerung der Hast bestraft wird. Kehrt der Flüchtige später zurück, so erfolgt, wenn nicht inzwischen der auf ihm ruhende Verdacht beseitigt worden ist, in der Regel seine Verhaftung, es müßte denn die Rückkehr unter einem ausgewirkten sicheren Geleit erfolgt sein; s. Salvus conductus; 3) das Davonlaufen eines Soldaten od. einer ganzen Truppe während eines mit dem Feinde entsponnenen Kampfes. Die F. gilt als der schwerste Grad militärischer Feigheit u. bildet als solcher ein eigenes Militärverbrechen. Nach vergeblicher Aufforderung zum Festhalten steht dem militärischen Vorgesetzten das Recht zu, den nicht Folge Leistenden sofort niederzustoßen; 4) (Jagdw.), der Ort, wohin sich das angeschoßene Thier begeben hat; 5) so v.w. Baulinie.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.