- Steckbrief
Steckbrief (Fahndungsschreiben), ein vom Untersuchungsrichter erlassenes, an alle Behörden gerichtetes offenes Ersuchungsschreiben, in welchem das Ansuchen gestellt wird einen Angeschuldigten, dessen Verbrechen im Allgemeinen angeführt u. dessen Signalement beigefügt wird, auszuforschen u. denselben im Betretungsfalle an das requirirende Gericht abzuliefern. Der Name kommt wahrscheinlich daher, daß man sonst die schriftliche Ladung solcher Leute, weil man ihren Aufenthalt nicht wußte, an den vier Armen eines Kreuzweges, nach allen vier Himmelsgegenden zu, an einen Pfahl oder Baum aufsteckte. Der S. ist eine Maßregel der Specialuntersuchung (s.u. Criminalproceß) u. kann daher nur gegen eine Person erlassen werden, gegen welche bereits gegründeter Verdacht der Verübung eines bestimmten Verbrechens vorliegt. Auch dient der S. nur als ein Auskunftsmittel für solche Fälle, in denen der Angeschuldigte nicht durch einen an ihn selbst gerichteten Vorführungsbefehl erlangt werden kann. Der S. wird den nächsten Polizeibehörden u. Untergerichten in schriftlicher Ausfertigung mitgetheilt, zugleich auch in öffentliche Blätter eingerückt. In neuester Zeit benutzt man zur schnellen Verbreitung wohl auch die Telegraphie. Jede Behörde, an welche ein S. kommt, ist gehalten den Inhalt desselben alsbald den ihr untergebenen Dienern bekannt zu machen u. dieselben zur Aufmerksamkeit auf den Verfolgten (Juvigilirung, Fahndung) anzuweisen. Wird der Verfolgte ergriffen, so wird die verfolgende Behörde benachrichtigt u. der Ergriffene, je nachdem die Auslieferung gestattet ist, entweder an diese Behörde abgeliefert od. ihm bei der Behörde selbst, welche ihn ergriff, der Proceß gemacht. Zugleich erfolgt, wenn der S. durch öffentliche Blätter bekannt gemacht wurde, nach Erlangung des Verfolgten durch dieselben Blätter die Bekanntmachung der Steckbriefserledigung. Gleiches geschieht, wenn etwa durch neuere Anzeigen sich die Unschuld des Verfolgten herausgestellt hat.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.