Ketzer [1]

Ketzer [1]

Ketzer (wahrscheinlich von Gazarer od. Katharer [s.d.], welche sich mit ihren, von der Kirchenlehre abweichenden Meinungen allein in Besitz der Wahrheit glaubten), einer, welcher von der allgemein angenommenen, bes. in der Kirche herrschenden Lehre abweicht; eine erst seit dem 13. Jahrh. üblich Benennung, indem man vorher das Wort Häretiker (Haereticus, vgl. Hüresis), dafür brauchte Schon die Heilige Schrift warnt vor Rotten, Secten u. ketzerischen Menschen (Titus 3, 10 u. 11) u. spricht[451] das Anathema (Fluch) Wer sie aus (Gal. 1, 7–9). In der alten Kirche schrieben Irenäus u. Tertullian gegen sie, man stritt in den Novatianischen Händeln Über die Gültigkeit ihrer Taufe, u. es erschienen Gesetze wider sie. Die Unterdrückung der Ketzereien geschah indeß früher nur durch Belehrung, bis dann Excommunication u. dann folgten später die weltlichen Strafen, Ausschluß von allen Ämtern u. Würden, Verlust der Testamentsfähigkeit, Güterconfiscation u. Todesstrafe gegen K, angewendet wurden. Die erste Todesstrafe wurde von den spanischen Bischöfen an Priscillianisten vollzogen, doch erklärte sich noch damals die Mehrzahl der Kirche dagegen. Auf das Furchtbarste bildeten sich die Ketzerverfolgungen u. Ketzerkriege seit dem 12. u. 13. Jahrh. aus, durch alle christlichen Länder waren förmliche Ketzergerichte, deren Mitglieder Ketzergerichter u. deren Vorsitzer Ketzermeister hießen, die über Leben, Freiheit u. Güter solcher erkannten, die entweder wirklich od. auch nur angeklagter Maßen von dem Kirchenglauben abwichen. Ein solches Institut hieß Inquisition (s.d.). Nach den Bestimmungen des Westfälischen Friedens sollten zwar im Deutschen Reiche die Verwandten der drei anerkannten Confessionen sich gegenseitig nicht K, nennen, doch pflegen die Eiferer der Katholischen Kirche die Protestanten schlechthin K. zu nennen. Außerdem wird noch jetzt jährlich am Gründonnerstag in Rom das Verzeichniß aller K. öffentlich vorgelesen u. über sie dann u. Fluch ausgesprochen; vgl. In coena Domini, u. in der Griechischen Kirche geschieht dies am Sonntag Quadragesimä (daher Orthodoxer Sonntag) durch den Patriarchen von Constantinopel. Auch die erste Protestantische Kirche hatte noch den Begriff der Ketzerei mit herübergenommen u. verfuhr auch inquisitorisch, ja blutig gegen diese sogenannten K., Calvin u. Beza hielten die Lebensstrafen der K. für erlaubt, Luther mißbilligte sie, Melanchthon billigte die Hinrichtung Servets (s.d.). Doch ist diese Kirche davon lange zurückgekommen, u. in ihr sind Verketzerungen u. Verfolgungen Andersdenkender von Staats wegen verboten, u. gegen Andersgläubige wird nur dann eingeschritten wenn sie der öffentlichen Ruhe gefährlich werden. Über K. u. ihre Glaubensansichten Ketzergeschichten) schrieben Arnold, Mosheim, Walch, Baumgarten (s.d.a.) u.A. Die vorzüglichen K. u. Ketzersecten, welche sich nicht nur durch Meng: ihrer Theilnehmer, sondern auch dadurch von den einzelnen, auch von Anhängern begleiteten K-n unterscheiden, daß sie in Manchem unter sich wieder verschiedener Ansicht waren (z.B. die Gnostiker), s.u. Christentum I. Die Neigung, überall Abweichungen vom Lehrbegriff aufzusuchen, heißt Ketzermacherei Vgl. Kirchen u. Ketzerlexikon, neu herausgegeben von v. Einem, Stendal 1789, 2 Bde.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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