Protestantische Kirche

Protestantische Kirche

Protestantische Kirche, der Inbegriff aller derjenigen Christen, welche im 16. Jahrh. die Grundsätze der Reformation annahmen u. dadurch in Gegensatz zu der Katholischen Kirche traten, von welcher sie sich trennten. Der Name schreibt sich von der Protestation der Evangelischen Stände (Kursachsen, Ansbach, Hessen, Anhalt) gegen den Reichstagsabschied in Speier 1529 her, welcher von den Reichsständen verlangte, daß sie bis zum nächsten, binnen Jahresfrist zusammenzurufenden Concil keine Änderung in Lehre u. Kirche vornehmen, keinen Unterthan eines anderen Reichsstandes aufnehmen, die Messe nicht abstellen, vielmehr zur Wiedereinführung derselben mitwirken, ihren Predigern über streitige Lehren zu predigen verbieten u. die Heilige Schrift nach der bisher in der Katholischen Kirche gültigen Auslegung erklären lassen sollten. Dagegen nun protestirten die Evangelischen Stände, d.h. erklärten feierlich, daß sie in keine Handlungen wider den Speierschen Reichsabschied von 1526 willigten u. daß sie namentlich in Sachen der christlichen Kehre keine menschliche Auctorität, sondern allein Gott u. sein in der Heiligen Schrift enthaltenes Wort als Richter anerkennten. Von da an wurde der Name P. K. gebräuchlich, während in den officiellen Schriften des Kaisers nur der Ausdruck Protestirende Stände gebraucht u. vom Papst derselben immer nur der Name einer Secte gegeben wurde. Mit Abschluß des Augsburger Religionsfriedens 1555 (s. u. Reformation) gelangte die P. K. zu einer gewissen Selbständigkeit u. konnte sich theils als Gesammtkirche, theils in den einzelnen Landeskirchen immer mehr entwickeln.

I. Die P. K. als Gesammtkirche von 1555–1861. A) Von 1555–1648. Nachdem durch den Religionsfrieden 1555 die P. K. der Katholischen Kirche gegenüber sich eine mehr gesicherte Stellung errungen hatte, suchte man innerhalb der Kirche den Lehrbegriff immer fester zu begründen, u. es entstanden hierbei zwischen denen, welche der streng lutherischen u. denen, welche der milderen melanchthonschen Auffassung folgten, sehr lang andauernde heftige Streitigkeiten, welche die Trennung der Lutherischen u. Reformirten Kirche erweiterten u. welche wenigstens einigermaßen in der Aufrichtung der Concordienformel (s.d.) ihren Abschluß fanden (s. u. Lutherische Kirche). Außerdem aber bildeten sich in der P. K. Secten u. Parteien, welche sich mit derselben in einzelnen Lehren od. in Acten des Cultus nicht befreunden konnten, z.B. die Mennoniten u. Antitrinitarier (s. b.), od. solche, denen das Lutherische Schriftprincip zu sehr begrenzt erschien, z.B. die Socinianer u. die Schwenkfeldianer (s. b.). Dabei suchte man aber der P. K. immer mehr Einfluß auf das Leben zu verschaffen, man ordnete Kirchenvisitationen an (s.d.), um die Mängel des kirchlichen Lebens zu erkennen u. zu beseitigen, richtete Kirchenordnungen u. einen besseren Cultus ein (s. unter Lutherische Kirche), stellte eine strenge Kirchenzucht (s.d.) her u. wendete sein Augenmerk bes. auf die Schulen, um dieselben aus ihrem tiefen Verfall zu erheben, wozu man den Theil des Kirchenguts, welcher in der Reformationszeit erhalten war, mit benutzte. Bes. segensreich wirkte der Kirchengesang u. die Predigt, für welche Luthers eigene Leistungen Muster blieben, die Einrichtung der Nebengottesdienste, die Beschränkung der Marien- u. Heiligenfeste auf solche, welche wirklich in der Schrift begründet waren, die Beibehaltung der Privatbeichte nach dem Wunsch des Einzelnen, der Gebrauch der Landessprache beim Gottesdienst etc. Außer der Musik wurde bes. die Kunst der Malerei in der P. K. durch Lukas Cranach u. Albrecht Dürer gepflegt. Die wissenschaftliche Theologie beschäftigte sich wegen des in der Reformation zur Geltung gebrachten Schriftprincips hauptsächlich mit der Schriftforschung, worin Calvin u. Beza die Bahn gebrochen hatten u. welche Flacius sehr pflegte, allein dieselbe trat bei den dogmatischen Streitigkeiten u. bei der Begrenzung durch die Analogie des Glaubens (Analogia fidei, s.d.) bald zurück. Daneben fand die Theosophie ihre Vertreterin Theophrastus Paracelsus, Valentin Weigel u. bes. in Jakob Böhme, während der Mysticismus durch Joh. Arnd, Heinrich Müller, Valentin Andreä u. die Rosenkreuzer bei der Abneigung gegen das dogmatische Formelwesen viele Anhänger erhielt. Die Stellung der P. K. der Katholischen Kirche gegenüber war zwar durch den Religionsfrieden 1555 geordnet u. gesichert, allein das Verdammungsurtheil, welches das Concil von Trident (s.d.) über die Protestanten aussprach u. namentlich die Stiftung des Jesuitenordens konnte dem confessionellen Frieden in keiner Weise förderlich sein, u. im Dreißigjährigen Kriege wurde der Bestand der P. K. in der besorglichsten Weise bedroht, bis endlich 1648 der Westfälische Friede (s.d.) den Rechtszustand der P. K. sicherte, jedoch ohne die Versöhnung der streitenden Parteien herbeizuführen. B) Von 1648–1861. Nach den Stürmen des Dreißigjährigen Krieges suchte zwar hier u. da ein frommer, gläubiger Sinn die Wunden zu heilen, welche derselbe allenthalben geschlagen hatte, u. es nahm bes. das Kirchenlied durch Paul Gerhard, Rinkart u. A. einen hohen Aufschwung. Allein bei Begründung u. Vertheidigung des Lutherischen Lehrbegriffs, welcher jetzt auf der Universität Wittenberg gegenüber den Theologen zu Helmstädt (darunter hauptsächlich Calixtus), namentlich in den Synkretistischen Streitigkeiten (s.d.) seine Vertreter hatte, blieb nicht bloß der frühere heftige polemische Charakter, sondern die wissenschaftliche Forschung umgab sich auch immer mehr mit den Formen der Scholastik, wobei auch die Predigtweise durch die gehäuften Allegorien u. durch die übertriebene Schilderung der göttlichen Strafgerichte immer unerbaulicher wurde, bis endlich der Spenersche Pietismus (s.d.) die praktisch-biblische Richtung einschlug u. dadurch das religiöse u. kirchliche Leben wesentlich förderte. Dagegen machten sich aber auch andere Einflüsse in der P. K. geltend, theils die Philosophie, welche im 17. u. 18. Jahrh., vertreten von Cartesius, Wolf, Spinoza, Leibnitz, später von Kant, Jacobi, Fichte u. A., von dem protestantischen Lehrbegriff mehr od. weniger unabhängig zu werden suchte, u. welche in der neuesten Zeit durch die Systeme von Schelling, Hegel, Fries, Herbart u. A. eine große Zahl protestantischer Gelehrter zur philosophischen Behandlung der Kirchenlehre führte; theils die englischen u. französischen Freidenker od. Deisten (s.d.), welche seit der Mitte des 18. Jahrh. auch in Deutschland Eingang u. unter Friedrich II. in höheren Kreisen Schutz fanden. Gegen diese Tendenzen, welche von [639] Reimarus, Bahrdt, Venturini u. A. verfochten wurden, erschienen in der P. K. wissenschaftlich gründliche Vertheidiger, wie Michaelis, Ernesti, Semler, Töllner u. A., welche an dem Offenbarungsglauben, wiewohl in etwas freierer Auffassung, festhielten u. dadurch dem Rationalismus (s.d.) die Bahn brachen, welchem sich der Supernaturalismus mit nicht ganz glücklichem Erfolg entgegenstellte, da zugleich der Umschwung in der Deutschen Literatur, bes. seit Lessing, die freiere religiöse Auffassung sehr begünstigte. Nach dem Französisch-deutschen Krieg regte sich in der P. K. der Sinn für Religion u. Glauben wieder, das Jubelfest der Reformation 1817, der Augsburger Confession 1830 u. des Augsburgischen Religionsfriedens 1855 wurden mit allgemeiner Theilnahme u. Begeisterung gefeiert, die Unionsversuche (s.d.), welche man bereits früher gemacht hatte, erneuerten sich um so lebendiger, je mehr man von vielen Seiten der confessionellen Schärfe abgeneigt war, u. in mehren deutschen Landeskirchen (s. unt.) wurde in Folge davon die Union vollzogen. Allein nicht nur die strengen Lutheraner konnten sich mit dieser Richtung nicht befreunden (s. Lutherische Kirche), sondern die Anhänger des Pietismus, welcher sich im Gegensatz zum Spenerschen des 18. Jahrh. immer mehr mit der kirchlichen Orthodoxie verband, bereits im Harmsschen Thesenstreit (s.d.) 1817 zu Tage kam, in manchen Bestrebungen der Romantischen Schule einen Stützpunkt gewann u. bei seiner eifrigen Bekämpfung des revolutionären Geistes bes. in höheren Kreisen manche Begünstigung erfuhr, bildeten gegen diese Tendenzen u. die damit verbundene freiere Auffassung des protestantischen Lehrbegriffs einen schroffen Gegensatz u. führten dadurch in den einzelnen Landeskirchen Streitigkeiten herbei, welche zum Theil einen heftigen u. intoleranten Charakter an sich trugen (s. u. in den einzelnen Landeskirchen) u. bis herauf in die Gegenwart fortdauerten. Die kriegerischen Ereignisse des 17. u. 18. Jahrh. u. die damit verbundene Noth, welche das religiöse Bedürfniß geweckt hatten, u. die nicht genügende Befriedigung, welche dasselbe nicht immer in der P. K. fand, rief verschiedene Secten ins Leben, von denen einige zu einer bis in die Gegenwart reichenden Blüthe gelangten, so die Quäker, die Herrnhuter, die Methodisten, die Swedenborgianer, die Gesellschaft Christo sacrum (s.d. a.) u. außerdem eine Zahl schwärmerisch-mystischer Seelen, z.B. die Anhänger Kuhlmanns u. Gichtels, die Buttlarische Rotte, die Ellersche, auch Ronsdorfer Secte od. Zioniten genannt, die Brüggler Secte u.a. Aus dem 19. Jahrh. sind zu nennen: die Momiers, die Baptisten, die Unitarier, die Irvingianer, die Derbysten, die Mormonen (s.d. a.) u.a. Aus der Unzufriedenheit mit den Maßregeln des Kirchenregiments ging die Bildung der Protestantischen Freunde u. der Freien Gemeinden (s. b.) hervor. In der Verfassung der P. K. suchte man das Episcopalsystem, wonach die Fürsten als hervorragende Glieder der Kirche das Kirchenregiment inne hatten, durch das Territorialsystem, wonach ihnen als Oberhäuptern des Staates auch die höchste geistliche Gewalt zustand, näher zu begründen, während die Anhänger des Collegialsystems den Gemeindegliedern gewisse Rechte vorbehielten, ohne daß es bei diesen verschiedenen Systemen zu einer durchgreifenden Entscheidung kam (s. u. Kirchenrecht). Bei den Unionsbestrebungen trat aber der Wunsch nach Presbyterial- u. Synodalverfassung (s.d.) wieder in den Vordergrund u. erhielt durch die Grundrechte des Frankfurter Parlaments u. die damit beabsichtigte Trennung der Kirche von dem Staat u. der Schule von der Kirche einen neuen Aufschwung, welcher aber nach Aufhebung derselben wieder zurücktrat u. nur in einzelnen Landeskirchen zu einem Resultat führte. Wie sich übrigens schon im 17. Jahrh. die Richtung nach einer Vertretung der gesammten P-n K. durch die Stiftung des Corpus Evangelicorum gezeigt hatte (welches indeß seinen Zweck nicht erfüllte u. sich auflöste), so suchte man im 19. Jahrh. diese Einigung auf mehrfache Weise zu vermitteln, z.B. durch die Stiftung der Deutschen Kirchenconferenz, für welche schon seit 1845 Preußen u. Württemberg durch die beiden Theologen Snethlage u. Grüneisen bei den übrigen protestantischen Regierungen thätig waren, indem sie in einer von Snethlage u. Rupstein bearbeiteten Punktation die Berathung gemeinschaftlicher Grundsätze u. Maßregeln empfahlen, durch welche die Einheit in der Lehre, die größere Gleichheit in der kirchlichen Verfassung u. das christliche Leben der Kirchgenossen überhaupt gefördert werden könnte. Die erste Conferenz trat am 5. Januar 1846 in Berlin zusammen; sie war von 30 Abgeordneten, 21 aus dem geistlichen u. 9 aus dem weltlichen Stande, besucht u. beschäftigte sich mit den Fragen über Cultus, Kirchenverfassung u. Bekenntniß. Wegen der Bewegungen 1848 trat die Versammlung, welche seit 1852 in dem allgemeinen Kirchenblatt ein Centralorgan für das protestantische Deutschland begründet hatte, von 1852 an in Eisenach wieder zusammen u. hat sich in ihren, alle zwei Jahr wiederkehrenden Zusammenkünften mit den wichtigsten religiösen u. kirchlichen Angelegenheiten, z.B. mit der Liturgie, mit der Gesangbuchsfrage, mit der Behandlung der Secten, mit der Sonntagsfeier, mit dem Synodalwesen, mit dem landesherrlichen Episcopat, mit einem Regulativ für den Kirchenbau, mit dem Patronatsrecht etc. beschäftigt. Die Beschlüsse wurden zur Kenntniß der einzelnen Kirchenregimenter gebracht u. von denselben mehr od. weniger bei ihren kirchlichen Verordnungen benutzt. Jedoch haben sich in den letzten Jahren mehre Kirchenregierungen, z.B. Koburg-Gotha, Kurhessen, Reuß jüngere Linie, Hamburg, Bremen, Frankfurt u. andere kleinere Länder grundsätzlich an diesen Conferenzen nicht betheiligt. Auch auf dem Wege der Association suchte man diese Einigung der P-n K. zu fördern, bes. durch die Kirchentage, durch die Evangelische Allianz, indirect auch durch den Gustav-Adolfsverein (s.d. a.) etc. Hierdurch empfing auch das kirchliche Leben eine erneute Anregung, die Theilnahme an den Vereinen für äußere u. innere Mission u. für Bibelgesellschaften (s.d.) wurde allgemeiner u. lebendiger, u. die veränderte Predigtweise, welche von dem bloßen Moralisiren u. von der abstracten Beweisführung zu einer concreteren Behandlungsweise überging, dabei den strengen Schematismus verließ u. sich mehr u. mehr in das Schriftwort vertiefte, war dem kirchlichen Leben förderlich, während die wissenschaftliche Theologie auf allen Gebieten bedeutende Leistungen zeigte u. dabei die destructiven Tendenzen von Br. Bauer, Strauß, Feuerbach u. A., das Junge Deutschland u. die Richtung[640] des Communismus u. Materialismus (s.d. a.) eifrig bekämpfte. Die Stellung der P-n K. zu der Römisch-katholischen blieb auch nach dem Westfälischen Frieden eine gespannte, u. Erscheinungen wie die Salzburger Emigranten 1731, die Verluste in Ungarn, Polen u. Schlesien, das Blutbad in Thorn, die Dragonaden in Frankreich unter Ludwig XIV., die Verfolgungen der Waldenser in Savoyen, die religiösen Kämpfe in der Schweiz etc. zeigten die feindselige Stimmung gegen die P. K. Obschon eine Besserung dadurch eintrat, daß Preußen seit dem 18. Jahrh. die Schutzmacht des Protestantismus in Deutschland wurde, daß das Josephinische Toleranzedict manche Erleichterung brachte, daß die Protestanten in Ungarn 1791 u. in Frankreich durch das Edict von Versailles 1787, so wie durch die Gesetze von 1789, 1802 u. 1852 größere Freiheiten erhielten, u. daß die Deutsche Bundesacte die Rechtsgleichheit beider Kirchen herstellte, so kamen doch immer noch Klagen über Druck u. Verfolgung vor, u. es schien erst der neuesten Zeit vorbehalten, in den Ländern mit einer gemischten confessionellen Bevölkerung die nöthigen Garantien für freie Religionsübung zu gewähren. Vgl. Jörg, Geschichte des Protestantismus in seiner neuesten Entwickelung, Freib. i. B. 1858, 2 Bde.

II. Die P. K. in den einzelnen Landeskirchen von 1555 bis 1861; A) in Deutschland. a) In Brandenburg u. Preußen trat der Kurfürst Johann Siegmund 1614 zur Reformirten Kirche über, u. es kam dadurch, obschon derselbe wie später der Große Kurfürst den Lutheranern allen Schutz versprach, zu heftigen confessionellen Kämpfen. Unter Friedrich II. wurde Toleranz gegen alle Confessionen geübt u. auch von Regenten anderer Länder gefördert, u. die Protestantische Kirchenlehre, welcher derselbe ganz abgeneigt war, bes. durch die allgemeine Deutsche Bibliothek von Nicolai angegriffen, wogegen sein Nachfolger Friedrich Wilhelm II. durch das Wöllnersche Religionsedict 1788 alle von den Bekenntnißschriften abweichenden Geistlichen mit den härtesten Strafen bedrohete, jedoch dieselben bei der fast allgemeinen Mißbilligung gegen die Maßregeln nicht zur Vollziehung bringen konnte, bis unter Friedrich Wilhelm III. seit 1797 das Edict außer Kraft kam. In dem gewissenhaften Bestreben, die P. K. immer segensreicher für die Völker zu machen, setzte derselbe 1817 Provinzialconsistorien u. Provinzialsynoden u. 1829 Generalsuperintendenten ein, begründete 1817 die Union u. gab 1822 eine neue Agende, welche aber, obschon 1829 revidirt u. 1830 als Gesetz verkündigt, durch den Widerstand der strengen Lutheraner heftige Streitigkeiten hervorrief (s. u. Lutherische Kirche). Unter Friedrich Wilhelm IV. wurde die freiere Richtung, gegen welche bes. seit 1827 die Hengstenbergische Kirchenzeitung mit großer Schärfe auftrat, bedroht durch verschiedene Maßnahmen des Kirchenregiments, namentlich durch Besetzung der höheren kirchlichen Ämter mit Männern der conservativen Partei, durch das Verbot des Niemeierschen u. durch die Beseitigung der Dinterschen Lehrbücher, durch die auch auf das kirchliche Leben übergetragene Romantik, durch Beschränkungen des städtischen Wahlrechts, durch das Verfahren gegen einzelne Geistliche, z.B. Sintenis, Uhlich (s. b.) n.A., bes. aber dadurch, daß die orthodoxe Partei auf Zurücknahme der durch die Union gewährten Concessionen u. auf Wiederherstellung eines Kirchenregiments im Sinne der strengen Lutheraner immer mehr hindrängte. Deshalb wurden auch 1844 die Provinzial- od. Kreissynoden zusammenberufen, von deren Beschlüssen jedoch nichts bekannt wurde. Hierauf trat die Generalsynode für die ganze Landeskirche zusammen. Sie bestand nach der königlichen Verordnung aus geistlichen (sämmtlichen Generalsuperintendenten, den vier Hof- u. Dompredigern u. dem Feldprobst in Berlin, mehren Mitgliedern der früheren Synoden u. sechs von den theologischen Facultäten erwählten Professoren der Theologie von den sechs Landesuniversitäten) u. weltlichen Theilnehmern (den acht Präsidenten der Provinzialconsistorien, sechs Professoren des Rechts u. aus jeder Provinz drei Laienmitgliedern, für deren Wahl eine besondere Anordnung getroffen wurde) u. beschloß in 60 Plenarsitzungen vom 2. Juni bis 29 Aug. 1847 u.a., daß bei der Gesetzrevision die Nothwendigkeit jedes Eides wiederholt erwogen u. ein neues Verhaltungsformular für die Schwörenden, welches das christliche Bewußtsein ausspricht u. einen rein kirchlichen Charakter trägt, eingeführt werden möge; daß wegen der Arbeitsüberbürdung der Superintendenten denselben für ihre administrativen Geschäfte eine Beihülfe zu gewähren sei; daß den angehenden Theologen das Repetenteninstitut zur Theilnahme zu empfehlen sei; daß kleinere, von praktischen Geistlichen zu leitende Seminarien einzurichten wären etc. In Bezug auf Lehre, Symbole u. Union wurde beschlossen, daß eine Lehrverpflichtung mittels eines einfachen Ja stattfindet; daß eine aggressive Polemik gegen den Kern des Evangeliums, gegen die heilige Schrift u. gegen die Symbole der Kirche auf der Kanzel, in der Katechese u. in der Seelsorge nicht zu dulden ist; daß die evangelische Union nicht durch bloße Conformirung des Cultus od. der Verfassung vollzogen werden kann, sondern daß es dazu einer bestimmten Glaubens- u. Bekenntnißgrundlage bedarf, u. daß bei der Ordination der Ordinand zu bezeugen hat, wie er das Wort Gottes in der Schrift zum Richtmaße seiner Lehre nehmen wolle, in Einigkeit mit den Bekenntnissen der allgemeinen Christenheit u. mit den Bekenntnissen der Evangelischen Kirche als Zeugnissen von den Grundthatsachen u. Grundwahrheiten des Heils. Der angenommene Entwurf für die Kirchenverfassung in den sechs Ostprovinzen Preußens suchte das presbyteriale u. synodale Element mit der Consistorialverfassung zu vereinigen u. empfahl als ergänzendes Glied der Verfassung die Errichtung eines Oberconsistoriums, theils als Rechtsinstanz, theils als begutachtende u. verwaltende oberste collegiale Behörde. Auch diese Beschlüsse erlitten von beiden Parteien viel Anfechtung, u. da neue Trennungen Freier Gemeinden von der Landeskirche in Aussicht standen, so erließ die Regierung den 30. März 1847 ein Toleranzedict, worin nach den Bestimmungen des Landrechtes die Bildung religiöser Gesellschaften unter gewissen Bedingungen gestattet u. der Grundsatz ausgesprochen war, daß die Austretenden im Genuß ihrer bürgerlichen Rechte u. Ehren blieben. Den kirchlichen Bewegungen jener Zeit schenkte auch der immittelst (1847) zusammengetretene vereinigte Landtag seine ganze Theilnahme. Bei den Bewegungen des Jahres 1848 hob der Cultusminister Schwerin das zu Anfang 1848 eingesetzte Oberconsistorium wieder auf, empfahl den Consistorien in ihrer Verwaltung die von der Regierung angenommenen [641] Grundsätze der Religionsfreiheit u. der freien Religionsübung u. berief eine Commission zur Berathung einer neuen Verfassung; diese entwarf ein Wahlgesetz für eine Synode, welches Allen, welche den Namen evangelisch für sich ansprechen wollten, Theil an derselben gestattete. Bei den politischen Wirren in Preußen kam diese Synode nicht zu Stande, u. erst nach Errichtung der neuen Verfassung, worin die Selbständigkeit der Kirche als Princip ausgesprochen war, erließ den 15. Jan. 1849 das Ministerium Ladenberg eine Aufforderung an alle evangelischen Provinzialconsistorien u. Facultäten, sowie an vier Professoren des Kirchenrechts, zu Gutachten über die Verfassungsfrage (vgl. Richter, Amtliches Gutachten 1849), übertrug durch königlichen Erlaß vom 26. Jan. 1849 die oberste Verwaltung der inneren evangelischen Kirchensachen an die evangelische Abtheilung des Cultusministeriums zur selbständigen u. collegialischen Bearbeitung, u. 1850 erhielt diese Behörde die Bezeichnung als Evangelischer Oberkirchenrath, zugleich aber wurde sie mit Einführung der Gemeindeordnung in den evangelischen Kirchengemeinden der östlichen Provinzen beauftragt, worin jedoch die beiden Punkte über Bekenntnißschriften u. über die Kirchenzucht sehr angefochten wurden; überhaupt zeigte sich bei dieser Einführung eine große Gleichgültigkeit der Gemeindeglieder. Im Übrigen suchte der Oberkirchenrath durch verschiedene Maßregeln der Kirche zu dienen, z.B. durch ein Gutachten über die Heilighaltung der Sonn- u. Festtage, Besteuerung der Kirchengüter u. Communalabgaben, Innere Mission, Liturgische Gottesdienste, Förderung des Kirchengesangs, Kirchenbauten, Organisirung der Reisepredigt etc. Vorzüglich wichtig war eine 1852 überreichte Denkschrift über die Bedürfnisse der Evangelischen Kirche u. Vergleichungen mit dem, was von der Katholischen Kirche in Anspruch genommen worden war. Auch traf der Oberkirchenrath im Aug. 1852 Vorbereitungen zu einer Kirchenvisitation für das ganze Königreich, an welcher geistliche u. weltliche Mitglieder Theil nehmen sollten. Gleichwohl konnte sich die streng Lutherische Richtung nicht mit dem Kirchenregimente befreunden, u. ihren Bestrebungen war wohl die Cabinetsordre vom 6. März 1852 zuzuschreiben, nach welcher der Oberkirchenrath sowohl die Evangelische Kirche in ihrer Gesammtheit verwalten, als auch das Recht der verschiedenen Confessionen schützen u. pflegen u. aus Gliedern beider Confessionen bestehend, nach Stimmenmehrheit beschließen sollte; wenn aber die Entscheidung nur aus einem der beiden Bekenntnisse geschöpft werden könnte, so sollte die confessionelle Vorfrage nur nach den Stimmen der Mitglieder des betreffenden Bekenntnisses entschieden werden. Besonders Besorgniß erregend schien die Bestimmung, daß die Mitglieder des Oberkirchenraths entweder der Lutherischen od. der Reformirten Confession angehören sollen, u. daß ihnen in Bezug auf Union keine Bedingung vorgeschrieben u. nicht einmal die Abendmahlsgemeinschaft ausdrücklich verbürgt ist. Indeß constituirte sich den 14. Juli 1852 der Oberkirchenrath auf Grund dieser königlichen Ordre. Seine Aufmerksamkeit nahm nicht bloß die Verbreitung des Irvingianismus (s.d.), sondern auch die neuesten Jesuitenmissionen in Preußen in Anspruch, da der Friede der beiden Confessionen, bes. in Oberschlesien, dadurch gestört wurde. Während diese Differenzen über Verfassung u. Union fortdauerten, erregte das Erscheinen der drei Regulative über das Schulwesen 1854 viel Aufsehen, u. der Oberkirchenrath empfahl den Generalsuperintendenten die sorgfältigste Beaufsichtigung des Religionsunterrichts. Zugleich wurden auch Bedenken gegen die Ehescheidungen (s.d.) u. wegen der Trauung der gegen die Aussprüche der Bibel Geschiedenen laut, welche bis 1861 durch die Landesgesetzgebung nicht gelöst, jedoch durch Verordnungen des Oberkirchenraths in der Praxis gemildert wurden. Überhaupt wirkte der Ministerialwechsel 1858 u. die Ansprache des Prinzregenten auch auf die kirchlichen Verhältnisse, worin er das bisher gegen die Union eingehaltene Verfahren als zu weit gegangen bezeichnete, wohlthätig ein, es fanden mehre Personalveränderungen statt; eine Cabinetsordre übertrug die Entscheidung über Wiedertrauung Geschiedener dem Oberkirchenrath unter Empfehlung milderer Auffassung, die Agitationen von acht Kirchenpatronen wurden zur Bestrafung gezogen, die Einführung eines Kirchenvorstandes wurde 1860 angeordnet, gegen die Dissidenten größere Toleranz gezeigt u. nur die Frage, ob kirchliche od. Civilehe, nicht zum Abschluß gebracht. b) In Sachsen waren die Kryptocalvinistischen Streitigkeiten (s. u. Kryptocalvinisten) mit großer Heftigkeit geführt worden, u. deshalb nahm der Kurfürst August, welcher durch Kaspar Peucer zu dem Calvinismus hingezogen wurde, jedoch bald davon wieder zurückkam u. dann harte Strafen über die Calvinisten verhängte, an Aufrichtung der Concordienformel den hauptsächlichsten Antheil, jedoch dauerten unter seinen Nachfolgern Christian I. mit seinem Kanzler Nik. Crell u. Christian II. die Kryptocalvinistischen Streitigkeiten fort, bis in den Visitationsartikeln 1592 der Calvinismus entschieden verworfen wurde. Durch den Übertritt Friedrich Augusts des Starken zur Katholischen Kirche verlor Sachsen die hervorragende Stellung in der P. K., welche es in der Reformation eingenommen hatte, wiewohl die Stände mit der größten Strenge an den Rechten der P. K. festhielten u. das Volk in seiner kirchlichen Anschauung ihnen nachfolgte. Die bischöflichen Rechte des Landesherrn gingen auf das Geheime evangelische Rathscollegium u. seit der Verfassung 1831 auf die Minister in Evangelicis über. Unter dem Ministerium Einsiedel bis 1831 wurde die strengkirchliche Richtung begünstigt. Die Kirchenverfassung, welche seit 1831 beabsichtigt wurde, kam auch 1861 nicht zur Erledigung, indem die Regierung den Entwurf nach dessen Ablehnung in der ersten Kammer zurückzog. Die Stephansche Auswanderung (s.d.) hatte bes. in den Schönburgischen Ländern ihren Herd. c) In Hannover, das im 17. Jahrh. an den Unionsversuchen bes. durch Leibnitz regen Antheil genommen hatte, ist in den letzten Jahrzehnten die streng lutherische Richtung wieder zur Geltung gekommen. d) In Württemberg, wo im 18. Jahrh. J. Albrecht Bengel (s.d.) einen großen Einfluß auf das kirchliche Lebenhatte, waren in neuerer Zeit die verschiedensten kirchlichen Richtungen vertreten, z.B. die Straußische u. die Tübinger Schule mit Bauer, Schwegler, Zeller u. A.; die Neukirchlichen, deren Haupt u. Stifter der Prediger Lindl war; die Swedenborgianer, neuerlich bes. vertreten durch den Reiseprediger G. Werner; die Taufgesinnten; die Kornthaler Gemeinde, welche ihre kirchliche u. bürgerliche Gemeindeverfassung[642] nach dem Vorbilde der Apostolischen Kirche ordnete, die Pregzerianer (s.d.) etc. Durch eine königliche Verordnung vom 25. Januar 1850 wurde die Einführung von Pfarrgemeinderäthen für die Leitung der kirchlichen Geschäfte der Pfarrgemeinde angeordnet; außerdem gibt es Diöcesansynoden. e) In Baiern widerstrebten im 16. Jahrh. die Herzöge, unterstützt von der streng katholischen Universität Ingolstadt, der Reformation mit Entschiedenheit u. behielten diese Stellung im Dreißigjährigen Kriege bei. Mit gleicher Entschiedenheit bekämpften die Regenten im 18. Jahrh. den Illuminatenorden (s.d.), gewährten jedoch der P. K. durch die Verfassung 1818 in einem Anhang das Recht, ihre innern Angelegenheiten selbständig, obschon unter Oberaufsicht des Staats, zu ordnen, u. es wurden in Folge davon 1821 Kirchenälteste u. 1825 Synoden eingeführt, in denen jedoch bei der streng kirchlichen Richtung des Oberconsistoriums vielfache Differenzen zu Tage kamen. Gegen die Kniebeugung (s.d.) der protestantischen Soldaten vor der Hostie brachte nach mehrfachen Beschwerden eine Verordnung von 1845 Erleichterung. Wichtige Verordnungen des Oberconsistoriums über die Ordnung u. Form des Hauptgottesdienstes u. den Agendenkern, über Kirchenzucht, Ordnung des Beichtstuhls, Sicherstellung des geistlichen Amtes u. persönliche Anmeldung der Verlobten 1856 erregten große Aufregung u. wurden durch die Generalsynode 1857 wesentlich gemildert, wie überhaupt seit jener Zeit das Kirchenregiment mit Mäßigung in seinen Maßnahmen auftritt. In der Rheinpfalz, wo bei Einführung der Union die Frage über die Symbole nicht berührt worden war, später aber dieselbe aufgegriffen ward, u. wo der 1848 berathene kirchliche Verfassungsentwurf Vielen so bedenklich erschien, daß von sämmtlichen protestantischen theologischen Facultäten Gutachten eingeholt wurden, welche sich gegen denselben erklärten, erhielten die darüber mit Heftigkeit geführten Kämpfe eine neue Nahrung durch Vorlegung eines Gesangbuchsentwurfs 1857, über dessen definitive Annahme die Generalsynode 1861 zu entscheiden hat. f) In Kurhessen, wo die P. K. gleich Anfangs fürstliche Freunde u. Vertheidiger gefunden u. eine Kirchenordnung von 1657 die kirchlichen Verhältnisse geregelt hatte, wollte die Regierung 1838 unter Beistimmung der Consistorien die Geistlichen bei ihrer Anstellung auf die Heilige Schrift mit gewissenhafter Berücksichtigung der Bekenntnißschriften verpflichten, wogegen die orthodoxe Partei unter Bickell die Bekenntnißschriften ihrer Substanz nach als Richtschnur der Lehre bezeichnete. Indeß ging die Regierung weder auf diese Forderung, noch auf die der liberalen Partei unter Henkel, durch eine Synode die Abschaffung der Symbolischen Bücher u. die Auflösung des Parochialzwangs zu bewirken, ein. Diese entgegengesetzten religiösen Anschauungen dauerten fort, erhielten 1848 eine neue Anregung u. beschäftigten sich unter dem Ministerium Hassenpflug, welches sehr strenge Maßregeln im Sinneder strengkirchlichen Richtung ergriff, mit der Frage, ob in Hessen die Reformirte od. die Lutherische Kirche gelte, welche nach einem Gutachten Richters in Berlin zu Gunsten der Reformirten Kirche entschieden wurde. Nach der Entlassung Hassenpflugs wurde die kirchliche Bewegung ruhiger, obschon derselben Vilmar von Marburg aus durch Flugschriften neue Anregung gab. g) Im Großherzogthum Hessen, das seit längerer Zeit für einen Hauptsitz des Rationalismus, bes. auch wegen der freisinnigen Richtung der theologischen Lehrer bei der Landesuniversität Gießen, galt, kam das 1848 angebahnte Verfassungswerk nicht zu Stande; die kirchenrechtliche Stellung der P. K. beruht auf der Kirchenordnung von 1724 u. auf dem Organisationsedict von 1832; die streng kirchliche Richtung hat ihren Sitz bes. im Odenwalde. h) In Baden, wo mit der Union eine Synodalverfassuug ins Leben trat, wurde 1843 als eine dem Ministerium des Innern untergeordnete Section ein evangelischer Oberkirchenrath errichtet, welcher zugleich die innere Regierung der Evangelischen Kirche nach Maßgabe der Kirchenverfassung selbständig zu verwalten hat, bestehend in 9 weltlichen Mitgliedern. Neben vielfachen Streitigkeiten mit den strengen Lutheranern (s. u. Lutherische Kirche) u. ihrem Prediger Eichhorn brachte die von der Generalsynode 1855 beschlossene u. für 1859 bestimmte Einführung eines Kirchenbuches an die Stelle der Agende von 1836 große Bewegung hervor, indem darin Vieles katholisch gefunden wurde, u. viele bei dem Großherzog eingereichte Adressen hatten die Folge, daß ein Erlaß von 1858 die möglichste Milde hei der Einführung anbefahl. Allein damit war die Bewegung, welche durch eine Menge Flugschriften über den Agendenstreit genährt wurde, nicht geendet, u. die meisten 1859 zusammengetretenen Diöcesansynoden stimmten für eine gänzliche Umarbeitung des Kirchenbuches, zugleich aber auch für Gleichstellung der Laien u. Geistlichen auf den Synoden u. für Wahl des Kirchgemeinderathes auch die Gemeinde. Da zu gleicher Zeit der Abschluß eines Concordates die Gemüther sehr aufregte (s. unter Römisch-Katholische Kirche), so erließ der Großherzog unter dem 7. April 1860 eine Proclamation, worin er unter Anderen die Erklärung gab, daß auch der Evangelisch-Protestantisch unirten Landeskirche auf der Grundlage ihrer Verfassung eine möglichst freie Entwickelung gewährt werden solle. Hierauf erschienen am 22. Mai Gesetzvorlagen über die rechtliche Stellung der Kirchen u. kirchlichen Vereine im Lande, über die Garantie dieser Stellung durch die Verfassung, über die Patronatsrechte u. über die Erziehungsrechte in Bezug auf die Religion der Kinder. Über diese Veröffentlichungen geriethen die kirchlichen Liberalen, welche sich in Durlach, u. die Bekenntnißtreuen, welche sich in Bruchsal versammelt hatten, in einen heftigen literarischen Streit, jedoch die Kammern genehmigten jene Gesetze, u. eine landesherrliche Bekanntmachung vom 9. Octbr. 1860 erklärte, daß die für die Verfassung der P. K. dadurch nöthig werdenden Änderungen einer Generalsynode vorgelegt werden sollten, welche im Juni 1861 vom Großherzog als Landesbischof eröffnet wurde. i) In Oldenburg trat eine constituirende Synode 1849 zusammen u. beschloß eine Kirchenverfassung, in welcher nicht nur eine vollständige Separation der Kirche von dem Staat durchgeführt, sondern auch das Princip der Demokratie auf das kirchliche Gebiet übergetragen worden war. Dieselbe wurde jedoch 1853 wesentlich abgeändert, indem der Großherzog wieder das oberste Kirchenregiment übernahm u. dasselbe mit dem Oberkirchenrath unter Mitwirkung der Landessynode verwaltet, welche aus 12 geistlichen u. 13 weltlichen, von den Kreissynoden gewählten u. fünf[643] von dem Großherzog ernannten Mitgliedern besteht u. ohne deren Beistimmung kein Kirchengesetz erlassen werden darf. Auf dieses Verfassungsgesetz werden die Geistlichen verpflichtet die Ordinationsformel fordert die Lehre nach Anleitung der Augsburger Confession. Die Generalsynoden haben sich zeither mit Anordnung von Festen (Reformationsfest, Erntefest), mit einem Unterrichtsgesetz, mit Eheverlöbnissen u. der Civilehe, mit der Pfarrbesetzung, mit einem Gesangbuchsentwurf etc. beschäftigt. k) In Mecklenburg, wo in dem letzten Jahrzehnt die Vereinsthätigkeit für das Missionswesen, für Verbreitung christlicher Erbauungsschriften etc. viel Theilnahme u. das Synodalwesen Eingang gefunden hatte, trat in Folge einer großherzoglichen Verordnung 1848 eine Kirchencommission zusammen, um alle Angelegenheiten der Kirche, mit Ausnahme der Kirchenhoheitsrechte, zu verwalten u. eine Landessynode vorzubereiten Allein sie berief 1849 eine Conferenz von Vertrauensmännern nach Schwerin, welche statt der Synode eine ständige Oberkirchenbehörde zur Regelung der kirchlichen Verfassungsangelegenheit einzusetzen anrieth. Dies geschah durch einen großherzoglichen Erlaß vom 19. Dec. 1849. Allein dieser Oberkirchenrath führte das Kirchenregiment in ganz streng kirchlicher Richtung u. entließ 1857 den Professor Baumgarten wegen angeblich bedenklicher Äußerungen über Stellen der Schrift u. aus der Prüfungscommission u. 1858 nach einem Erachten des Consistoriums zu Rostock wegen Abweichungen fundamentaler Art an den Symbolischen Büchern u. der Kirchenordnung von seinem Amt als Professor, worüber ein großer literarischer Streit begann. Der Landtag, an welchen die Sache kam, beschloß dieselbe auf steh beruhen zu lassen. 1860 trug ein Landtagsabgeordneter auf Abschaffung des Oberkirchenrathes an. l) In Nassau, welches sich nach Erscheinen der Concordienformel von der Lutherischen zur Reformirten Consession gewendet hatte (1582), war 1817 die Union vollzogen, jedoch waren die Synoden, deren Berufung nach der Unionsacte in nöthigen Fällen stattfinden sollte, noch nicht zusammengetreten, obschon die in dem letzten Jahrzehnt erfolgte Einführung eines neuen Gesangbuches u. einer Agende Veranlassung zu ihrer Mitwirkung zu geben schien. Diese Wünsche erneuerten sich 1848, jedoch kam die beabsichtigte Kirchenverfassung nicht zur Ausführung. Die consfessionelle Richtung hat hier nur wenig Eingang gefunden. Die Beschwerde der Dissidenten über Härten der Regierung ward 1860 in den Kammern lebhaft besprochen. m) In den Sächsischen Herzogthümern wurde die P. K. durch den persönlichen Einfluß der Reformatoren u. ihrer Freunde u. durch die lebhafte Theilnahme der Fürsten daran sehr bald fest gestaltet. Die theologischen Streitigkeiten des 16. Jahrh. wurden gerade hier am lebhaftesten geführt u. dauerten auch nach dem Erscheinen der Corcordienformel noch fort, namentlich unter dem Herzog Friedrich Wilhelm I., welcher zugleich die vormundschaftliche Verwaltung der Kurlande von 1591 bis 1601 führte u. als entschiedener Gegner des Calvinismus denselben durch die härtesten Maßregeln (z.B. Crells Enthauptung) zu unterdrücken suchte. Sehr segensreich wirkte nach dem Dreißigjährigen Krieg Ernst der Fromme. Nach der Theilung der Länder unter seine Söhne hat sich die P. K. selbständig in jeder einzelnen Landeskirche entwickelt. In Weimar wurde, nachdem eine 1849 von den herzoglich sächsischen Regierungen durch Abgeordnete aus dem Geistlichen- u. Laienstande in Meiningen berathene gemeinschaftliche Kirchenverfassung nicht zu Stande gekommen u. an die Stelle der 1849 aufgelösten Oberconsistorien in Weimar u. Eisenach ein aus mehren Geistlichen der verschiedenen Landestheile bestehender Kirchenrath unter dem Präsidium des Cultusministers eingetreten war, 1850 eine Kirchgemeindeordnung provisorisch eingeführt. In Altenburg wurde in Folge der Stephanschen Auswanderung in Sachsen (s. ob.), an welcher auch Unterthanen des Herzogthums Altenburg sich betheiligt hatten, unter dem 13. Nov. 1838 über den Separatismus ein die Geistlichen an das Christlich-Positive in der Predigt ermahnendes, später zur Öffentlichkeit gelangtes Rescript des Consistoriums erlassen, welches mehre Flugschriften veranlaßte, u. über welches 1839 die Bedenken der theologischen Facultäten in Jena, Berlin, Göttingen u. Heidelberg eingeholt u. veröffentlicht wurden. n) In den Anhaltschen Ländern, wo die Reformation bei Fürsten (bes. unter Wolfgang von Kothen u. Georg dem Gottseligen) u. bei dem Volke rasch Eingang fand, neigte man sich mehr den Ansichten Melanchthons zu. Die Bestimmung der Dessauischen Verfassung von 1848, daß volle Glaubens- u. Gewissensfreiheit gewährt, die Stolgebühren beseitigt, ein allgemeiner Religionsunterricht statt des confessionellen ertheilt, das Kirchenpatronat aufgehoben u. die Civilehe eingeführt werde, wurde unter dem Ministerium Goßler verändert, doch blieb die Schule, zur Staatsanstalt erhoben, der speciellen Aufsicht der Kirche entzogen. o) In Lippe, wurden 1854 die Reformirte u. Lutherische Kirche völlig gleichgestellt. Allein unter dem Ministerium Oheimb wurde 1856 eine strenge Verpflichtungsformel auf die Bekenntnißschriften eingeführt u. der langgebrauchte Weerth'sche Katechismus, jedoch unter großem Widerstreben vieler Gemeinden, beseitiget u. der Heidelberger an dessen Stelle gesetzt. p) In den Freien Städten standen sich die verschiedenen Parteien der P. K. ziemlich schroff gegenüber. In Hamburg, wo im 18. Jahrh. Pastor Götze heftig gegen Lessing stritt, suchte 1839 die streng kirchliche Richtung die Verpflichtung auf die Symbolischen Bücher zu schaffen, fand aber bei der Behörde entschiedenen Widerspruch. Durch die neue Verfassung 1860 wird auch die P. K. berührt. In Bremen erregte die Predigt des jüngern Krummacher 1840, welche eine Verfluchung gegen den herrschenden Zeitgeist nach Gal. 1, 8 aussprach, ebenso wie die Berufung des lichtfreundlichen Dulon (s.d.) von Magdeburg eine heftige kirchliche Bewegung, u. der Senat verfügte 1852 auf Grund eines Gutachtens der Heidelberger theologischen Facultät dessen Absetzung. q) In Österreich nebst den Kronländern hatte die P. K. bereits im 16 Jahrh. unter Ferdinand I. u. bes. unter Maximilian Eingang u. in Ungarn, Siebenbürgen u. Böhmen Verbreitung gefunden, auch allmälig trotz mancher Beschränkungen u. Verfolgungen festen Bestand gewonnen, theils durch den Wiener Frieden 1607, wodurch die P. K. in Ungarn u. Siebenbürgen vollkommen ihre Rechte gesichert sah, theils durch den Erzherzog Matthias welcher alle unter Maximilian erlangten Zugeständnisse für Österreich erneuern mußte, theils durch Kaiser Rudolf, welcher für Böhmen[644] den Majestätsbrief ausstellte. Allein im 17. Jahrh. gingen fast alle diese Rechte verloren, entweder durch gewaltsame Verfolgungen, wie 1687 in Ungarn, od. durch Bekehrungssucht der Jesuiten, so daß in manchen Gegenden die P. K. geradezu ganz beseitiget wurde. Auch das Toleranzedict Josephs II. 1781, welches für Ungarn u. Tyrol keine Geltung hatte, gestattete nur einen verborgenen Gottesdienst. Die Bundesacte 1815 brachte der P. K., welche fast in allen österreichischen Ländern Gemeinden zählte, nur beschränkte Erleichterungen, u. ein Theil der Bewohner des Zillerthales (sd.), die auf Grund des Toleranzedictes zur P. K. überzutreten beabsichtigten, zogen 1837 wegen der von den tyroler Ständen gut geheißenen Beschränkung des protestantischen Cultus etwa 400 an der Zahl nach Erdmannsdorf in Schlesien (von denen aber 1838 über 100 wegen der altlutherischen Kämpfe dort u. aus Liebe zur alten Heimath nach Tyrol zurückkehrten). Mit dem Jahre 1848 schien sich die Lage der P. K. in Österreich besser zu gestalten. Das Ministerium bestimmte 1849 über die Akatholiken provisorisch, daß die Bezeichnung akatholisch künftig mit dem Namen Evangelische der Augsburger u. Helvetischen Confession vertauscht werde, daß der Übertritt vom 18. Jahre an unter gewissen Bedingungen Jedermann frei stehe, daß die Abgabe der Gebühren für kirchliche Amtshandlungen an katholische Geistliche, wenn diese dieselben nicht verrichten od. wenn es sich nicht um dingliche Abgaben handelt, aufgehoben sein u. daß die Auszüge aus den Kirchenbüchern dieselbe Rechtsgültigkeit wie bei katholischen Seelsorgern haben sollte etc. Zugleich aber rief das Ministerium 1849 sämmtliche Superintendenten u. die von ihnen erwählten Vertrauensmänner zu einer Versammlung nach Wien, wobei die Fragen über die gemischten Ehen, über das Reverswesen, über die Unterstützung der protestantischen Gemeinden bei der Erhaltung ihrer Cultus- u. Bildungsanstalten u. über eine Synodalverfassung besprochen wurden. Auch sorgte die Regierung 1851 für die Organisation der 1821 begründeten evangelisch-protestantischen Lehranstalt in Wien, die streng abgemessenen Grenzen des Studienplans wurden insofern erweitert, als der Besuch der philologischen, philosophischen u. historischen Collegien gestattet u. das frühere philosophische Zwangsstudium in ein freies Facultätsstudium verwandelt wurde. Durch das Concordat 1855 wurden in der P. K. vielfache Besorgnisse rege gemacht, bes. wegen des nach einem Ordinariatserlaß 1856 verbotenen Begräbnisses evangelischer Personen auf katholischen Friedhöfen, den indeß ein späterer Ministerialerlaß sehr milderte, obschon auch eine Menge Übertritte zur P. K. erfolgten. Am wichtigsten aber war das kaiserliche Patent über die Stellung der P. von 1861, welches in liberaler Weise die Verhältnisse der P. K. ordnete, doch versuchte Tyrol 1861 einen sehr entschiedenen, wiewohl hoffnungslosen Schritt zur Zurückweisung der Gleichstellung der Protestanten mit den Katholischen im Lande. In Ungarn hat sich die P. K. in ganz selbständiger Weise entwickelt. Nachdem bereits auf den Ungarischen Reichstagen 1833 u. 1839 die Sache der P. K. lebhaft verhandelt u. das päpstliche Breve von 1841 über die gemischten Ehen, welches die katholische Kindererziehung sicherte, von demselben bestritten worden war, überließ ein Decret von 1844 diese Kindererziehung der elterlichen Bestimmung. Die Stürme der Revolution 1848 u. deren Besiegung berührte die P. K. Ungarns sehr fühlbar, indem mehre Kirchen zerstört u. Geistliche zur Untersuchung gezogen wurden. Nach der Verordnung des Feldzeugmeisters von Haynau am 10. Febr. 1850 wurden 4 Superintendenten ihres Amtes entsetzt, der Generalinspector u. die Districtsinspectoren u. Curatoren der Kirche u. Schule aus ihrem amtlichen Wirkungskreise entfernt u. an deren Stelle andere Männer ernannt, die Superintendenzen nach Militärdistricten eingetheilt, die General-, Districtual- u. Senioralconvente aufgehoben u. die Localconvente der Gemeinden nur in Gegenwart eines Regierungscommissärs gestattet, überhaupt die Autonomie der Kirche aufgehoben. Jedoch leitete man 1854 eine Reorganisation des kirchlichen Verfassungswesens ein. Auch durch die erhöhten wissenschaftlichen Ansprüche, welche das Schulgesetz von 1853 an die Lehranstalten machte, wurde die P. K. wesentlich berührt, weil wegen mangelnder Geldmittel das Fortbestehen derselben zuweilen in Frage kam. Während in Siebenbürgen seit 1688 volle kirchliche Gleichberechtigung besteht u. 1855 u. 1856 den Protestanten Augsburger Confession eine autonome kirchliche Verfassung gewährt wurde, wiesen die Ungarn den ihnen 1856 angebotenen Verfassungsentwurf zurück, bes. wegen des einzuführenden Oberkirchenrathes, u. hielten zur Prüfung nur eine allgemeine Synode für competent. Dagegen erschien ein neues kaiserl. Patent vom 1. Sept. 1859, welches unter Festhaltung der älteren staatsrechtlichen Grundlagen von 1791 u. 1844 die Verfassung u. Stellung der P. K. u. Schule ordnete, welches aber, obwohl anderwärts mit großem Beifall aufgenommen, in Ungarn den größten Widerspruch erweckte, weil es angeblich die Autonomie der Kirche gefährde u. als octroyirtes Gesetz keine Rechtsbasis habe. Die Regierung, Anfangs energisch gegen die Renitenten vorschreitend, wurde 1860 nachgiebig u. gestattete Convente nach der alten Einrichtung; jedoch blieben auch viele Gemeinden bei dem Septemberpatent. Überhaupt aber trat die kirchliche Frage vor den politischen Interessen 1861 ganz zurück. Vgl. Hundeshagen, Der deutsche Protestantismus, Frankf. 1846, 3. A. 1849.

Was die P. K. B) außerhalb Deutschland anlangt, so besteht a) die in Frankreich (s. über ihr Schicksal unter Hugenotten) aus der Reformirten Confession im Innern des Landes (s. Reformirte Kirche) u. aus der Augsburger Confession, welche hauptsächlich in den ehemals zu Deutschland gehörigen Provinzen ihre Bekenner hat. Jene haben in Montauban, diese in Strasburg ihre theologische Facultät; die Vereinigung derselben zu einer Facultät in Paris scheiterte, u. es ist überhaupt bei den verschiedenen Parteien, von denen die Methodisten u. die Mitglieder der Evangelischen Gesellschaft (s. b.) viel Anhänger haben, zu keinem gemeinschaftlichen kirchlichen Organismus gekommen, während über die Liturgie, über Gesangbücher, über Katechismen, namentlich in dem Elsaß, viele Kämpfe geführt worden sind. Ein kaiserliches Decret von 1859 legt die Errichtung neuer protestantischer Kirchen in die Hand des kaiserlichen Staatsraths. Die P. K. hat viel Fortschritte in Frankreich gemacht, bes. durch die Bemühungen der Evangelischen Gesellschaft u. durch die rege Thätigkeit für gemeinnützige christliche Anstalten. An den neueren Bestrebungen für Innere Mission hat sich bes. die P. K. betheiligt u. mehre Institute, z.B.[645] die Krippen (s.d.), sind erst von hier aus nach Deutschland gekommen. Vgl. Cocquerel, Die Verfolgungen der P-n K. in Frankreich seit Ludwig XIV. bis auf die neuere Zeit, 1846; Gelzer, Protestantische Briefe aus Südfrankreich, 1852; Gieseler, Die P. K. Frankreichs von 1789–1846, Lpz. 1848, 2 Bde. b) In den nordischen Königreichen Schweden, Norwegen u. Dänemark hat die P. K. die Alleinherrschaft zu behaupten gesucht, welche sie seit der Reformation gehabt hat. In Schweden hängt dieselbe aufs genaueste mit dem Staatsorganismus zusammen u. wird auf dem Reichstage durch Bischöfe u. Geistliche vertreten. Allein gegenüber der staatskirchlichen Partei sucht eine andere namentlich auf den skandinavischen Kirchentagen (1859 in Lund) u. auch sonst eine freiere Richtung u. eine größere Duldung gegen Nichtprotestanten durchzusetzen, indem hier auf den Abfall von der Lutherischen Lehre die Strafe der Landesverweisung u. des bürgerlichen Todes gesetzt u. das Conventikelwesen durch strenge Verbote beschränkt war. Nach mehrjährigem Kampfe erschien 1860 ein Gesetz über religiöse Freiheit, welches jene Strafen aufhob u. die Verhältnisse der Dissidenten ordnete. Die Secten Läsare, von N. Haug, Baptisten u. Mormonen (s.d. a.) haben in Schweden u. Norwegen, wo eine streng kirchliche Richtung herrscht, aber in letzterem Lande 1845 von dem Storthing Freiheit für alle Secten gegeben wurde, ziemliche Theilnahme gefunden. In Dänemark, wo im 16. Jahrh. Bugenhagen eine Kirchenordnung unter Einfluß des Königs bearbeitete, entstand 1826 zwischen der freieren Richtung, welche durch Clausen, u. der orthodoxen, welche durch Grundtvig u. Lindberg vertreten wurde, ein heftiger Streit, welcher zu Gunsten der ersteren Richtungentschieden wurde. Dagegen hat die Grundtvigsche Partei wegen ihrer national-dänischen u. antideutschen Tendenz seit 1848 auf dem Reichstage eine sehr einflußreiche Stellung eingenommen u. sich, gegenüber der orthodoxen deutschen Schule unter Monrad, Martensen u. Rudelbach, von den lutherischen Bekenntnissen losgesagt, um auf Grund des apostolischen Symbolums eine Volkskirche zu gründen u. die Verbindung mit dem Staate zu lösen. In Schleswig ist die P. K. theils durch das Tillich'sche Sprachrescript von 1851, theils durch die Entlassung vieler Geistlichen schwer gedrückt worden. c) In Rußland ist die P. K. zwar durch frühere Concessionen od., wie in den Ostseeprovinzen, durch besondere Verträge geschützt, allein sie hat sich den Einflüssen der Centralisation nicht zu entziehen vermocht u. der Russisch-Griechischen Kirche (s.d.) gegenüber viel Verluste gehabt. Obschon sie in den Ostseeprovinzen vertragsmäßig die herrschende u. die Griechische nur die geduldete ist, so wurden auch hier die strengen Gesetze, welche den Übertritt der in der Griechischen Kirche Geborenen zu anderen Confessionen verbieten u. die Kinder aus gemischter Ehe bei Strafe der Griechischen Kirche zuweisen, auch hier in Anwendung gebracht. Die P. K. findet ihre Vertretung bes. in den Synoden u. unter dem jetzigen Kaiser Alexander II. hat sie durch Bildung einer Unterstützungskasse für P. K-n (1858), durch Errichtung von Bildungsanstalten für Volkslehrer nach dem Muster der preußischen Seminare (1860) etc. viel gewonnen. d) In der Türkei, wo die Protestanten bisher viel Unbilden zu erdulden hatten, ist denselben in einem großherrlichen Ferman im Nov. 1851, durch Englands u. Preußens Vermittlung, u. bes. durch den Hat-Humavum 1859 Confessionsfreiheit u. Gleichberechtigung gewährt u. ihnen gestattet worden, sich aus ihrer Mitte einen Vorsteher zu wählen, welcher die Gemeinderegister, Geburts- u. Todtenlisten führen, alle geschäftliche Beziehungen mit der Pforte wegen Verheirathung, Pässen etc. besorgen, auch im Falle, daß die Protestanten dennoch gegen des Sultans ausdrücklichen Willen ferner belästiget werden, sich mit Beschwerden an die Hohe Pforte wenden solle etc. In Folge dieser Begünstigungen des Protestantismus gingen viel Armenier in Kleinasien zur P-n K. über, für welche außer den englischen auch noch nordamerikanische Missionäre werben. Doch hat bei den Verfolgungen in Syrien 1860 auch die P. K. viel gelitten. e) In specifisch katholischen Ländern hat die P. K. in den einzelnen daselbst geduldeten Gemeinden manche Anfechtungen gehabt. Jedoch ist in den italienischen Ländern in Folge der neueren politischen Veränderungen die P. K. in eine bei weitem bessere Lage gekommen als früher u. bat namentlich in Norditalien bedeutende Fortschritte gemacht. In Belgien blühen mehre protestantische Gemeinden bes. durch die Bemühungen der Evangelischen Gesellschaft u. finden in der jährlichen Synode einen Vereinigungspunkt. Dagegen hat sich in Spanien die alte Intoleranz bis in die Gegenwart erhalten u. es gilt dort selbst das geheime Zugethansein zur protestantischen Lehre für ein Criminalverbrechen, welches nach den Landesgesetzen gestraft wird. f) In den Erdtheilen außer Europa hat die P. K. bes. in Nordamerika einen bedeutenden Aufschwung genommen, u. die einzelnen Gemeinden haben trotz ihrer weiten Entfernung von einander doch durch Synoden nähere Verbindungen unterhalten. Doch ist das Parteiwesen auch hier sehr bemerkbar, u. es stehen sich seit 1853 die altlutherische Buffalosynode u. die Missourisynode, bes. über die verschiedene Auffassung des geistlichen Amtes, sehr feindselig gegenüber. Die als Schiedsrichter angerufene lutherische Conferenz in Leipzig hat sich 1853 gegen die Missourisynode erklärt. Außerdem haben in dem letzten Jahrzehnt der Spiritualismus u. die Revivals (s.d.) viel Anhänger gefunden. Die wichtigsten Synoden sind die zu Gottysbury in Pennsylvanien mit einem Seminar daselbst u. die pennsylvanische (gemäßigt lutherisch). Ein deutsch-evangelischer Kirchenverein seit 1841 sucht die Union zu fördern. In Südamerika wurde 1852 eine deutsch-evangelische Kirche in Buenos-Ayres eingeweiht. In Afrika gibt es eine größere protestantische Gemeinde in Algier u. in Australien auf der Victoriacolonie bei Melburne.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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