Kryptocalvinisten

Kryptocalvinisten

Kryptocalvinisten, Lutheraner, welche heimlich der Lehre Calvins, namentlich vom Abendmahl, huldigten. Es entbrannte darüber im 16. Jahrh. ein heftiger Streit (Kryptocalvinistischer Streit). Schon Melanchthon wurde bei seiner, zur Zwinglischen sich hinneigenden Ansicht vom Abendmahl, gegenüber der streng lutherischen Lehre, des Kryptocalvinismus beschuldigt u. heftig angefeindet. Den Streit begann der Prediger Westphal in Hamburg 1552 gegen die Reformirten in u. außerhalb Deutschlands mit der Verketzerung der reformirten Abendmahlslehre; fortgesetzt wurde er in Beschränkung auf die deutsche Protestantische Kirche in Bremen von Heshusius u. Sim. Musäus seit 1556, gegen welche Hardenberg (s.d.) u. Daniel von Büren im Sinne u. unter Zuziehung Melanchthons die der Calvinischen Lehre sich nähernde Ansicht vertraten; beide Parteien blieben hier eine Zeit lang nebeneinander, bis Hardenberg seines Dienstes entlassen wurde, was kurz darauf auch Heshusius widerfuhr. In der Rheinpfalz setzte Heshusius, von welchem der Unterschied zwischen der Augustana variata u. non variata (s.u. Augsburgische Confession) in der Kirche herstammt, u. Klebitz seit 1558 den Streit fort; in Württemberg waren die Theologen unter Brentz streng lutherisch u. erweiterten den Streit durch die Ubiquitätslehre (s.d.). Herzog Christoph von Württemberg suchte zwar die Uneinigkeit zwischen den beiden Protestantischen Kirchen in Deutschland zu vermitteln u. auch dieselben den Reformirten in England u. Frankreich zu nähern, was ihm auch 1561 auf dem Fürstentage zu Naumburg durch die Anerkennung der Augustana variata gelang; da aber der Herzog Joh. Friedrich von Sachsen u. der Markgraf Johann von Brandenburg damit nicht zufrieden waren, so sagte sich der Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz von dem Streite los u. führte eine gemischte Lehre, im Geiste Melanchthons, durch die staatskirchliche Aufstellung des Heidelberger Katechismus (s.d.) 1563 in seinem Lande ein. In Kursachsen unternahmen die Wittenberger u. Leipziger Theologen auch eine solche Vermischung in der Lehre; unter Kaspar Peucer, Melanchthons Schwiegersohn, Cracow, Schütz u. Stößel sprachen sich G. Major, P. Eber, Paul Crell, dann K. Cruciger, Pezel, Moller u. And. in ihren Schriften in dieser Sache seit 1559, so in der bekannten Katechesis, den Fraustücken, dem Stereoma etc. im Sinne Melanchthons aus (daher die kursächsischen Theologen Philippisten in diesem Streite genannt wurden) u. verlangten Erhebung Melanchthons zum Normaltheologen neben Luther, welche beide erst in diesem Streite von den Kämpfenden in Disharmonie mit einander gebracht worden wären, u. Ausgleichung beider mit Calvin, wenigstens in der Abendmahlslehre. Während indessen die thüringischen Theologen in Jena, bes. Flacius, dann Wigand, Cölestrin, Tim. Kirchner n.And. den Kursächsischen entgegentraten, u. in Kursachsen selbst deshalb verschiedene Bewegungen entstanden u. das Altenburger Gespräch 1568 zwischen den Wittenberger u. Jenaischen Theologen ohne Erfolg geblieben war, so ließ der Kurfürst August von Sachsen 7.–10. Oct. 1571 seine Theologen in Dresden zusammenkommen, welche zwar ihr Glaubensbekenntniß (Consensus Dresdensis) in den Lutherischen Ausdrücken ablegten, aber in dem Systeme Calvins fortlehrten. In Folge des Erscheinens der Schrift Exegesis perspicua et ferme integra controversiae de sacra coena, 1574, welche zwar nicht von den Philippisten verfaßt war, aber doch deren Begünstigung des Calvinismus dem Kurfürsten klar machte, suchte derselbe die K. mit Gewalt zu unterdrücken, indem er die Häupter derselben absetzen od. verhaften u. endlich in der Concordienformel (s.d.) von 1580 einen allgemeinen Lehrtypus aufstellen ließ, u. es gelang ihm somit dem Calvinismus in Sachsen ein Ende zu machen. Als aber nach seinem Tode 1586 sein Sohn Christian I. folgte, so wußte der Kanzler Nikolaus Crell nebst Pierius u. Salmuth es dahin zu bringen, daß der Kurfürst unbewußt, bes. durch Abschaffung des Exorcismus u. durch Einführung eines Calvinistischen Katechismus, den K. förderte. Da inzwischen nach dem Tode Christians I., bei der Minderjährigkeit von dessen Sohne Christian II., der Herzog Friedrich Wilhelm von Sachsen-Weimar die vormundschaftliche Regierung übernahm, so wurden die Hauptführer des erneuten Calvinismus, od. Alle, welche nicht widerriefen, ihrer Ämter entsetzt, mit Gefängniß belegt od. verwiesen, Crell sogar 1601 hingerichtet, u. dann, um den Calvinismus völlig zu unterdrücken, 1592 die Visitationsartikel, deren Hauptverfasser Äg. Hunniés war, aufgesetzt, welche alle Kirchen- u. Staatsbeamten beschwören mußten. Vgl. Löscher, Histor. motuum, 1723; Heppe, Geschichte des deutschen Protestantismus, 1852 f., 2 Bde.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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