Bibelgesellschaften

Bibelgesellschaften

Bibelgesellschaften, Vereine, deren Aufgabe ist, Bibeln für einen geringen Preis od. auch umsonst zu verbreiten. Das nach der Bekanntmachung der Bibel, bes. nach der Reformation unter den Protestanten sich regende Verlangen nach näherer Kenntniß derselben. u. Erbauung daraus erlosch schon im 17. Jahrh. unter äußeren Drangsalen u. bei Mangel an Förderung von Seiten der theils ganz ungebildeten, theils im Dogmatismus erstarrten Geistlichen fast ganz wieder. Erst Spener u. Francke nebst ihrer Schule suchten den Eifer für die Bibel wieder anzufachen u. die Bibelanstalten von Canstein in Halle u. Seiler in Erlangen, denen auch bald mehrere Buchhandlungen folgten, sorgten für wohlfeile Bibelausgaben, ohne indeß auch das Bedürfniß der Armen ganz befriedigen zu können. A) In Großbritannien u. vorzüglich in England bildete sich schon 1780 eine Bibelsocietät für Arme u. Seefahrer; aber den eigentlichen Anstoß der dortigen großartigen B. gab der Prediger Charles, der 1800 aus Wales nach London kam, um Abhülfe des Mangels an wälischen Bibeln zu suchen, u. auch 20,000 Exemplare erhielt. Durch weitere Erkundigungen auf den Mangel an Bibeln in fast allen Ländern aufmerksam gemacht, gründeten viele Mitglieder der 1795 gestifteten Missionsgesellsch. in Verbindung mit Anderen 1804 die [728] Britische u. ausländische B. (The British and foreign Biblesociety) zu London. Ihr Zweck war u. ist, erst den Armen in Großbritannien, dann nach Kräften allen Völkern der Erde, ganz umsonst od. für einen geringen Preis die Bibel zu verschaffen. Das Unternehmen fand große Theilnahme, obgleich mehrere Hohe Geistliche der Bischöflichen Kirche demselben abgeneigt waren. In Großbritannien, seinen auswärtigen Besitzungen u. anderen Ländern, so in den angängigen Gegenden Asiens, Afrikas, Amerikas u. SIndiens, wie in den cultivirten Ländern Europas, entstanden Hülfs- u. Zweiggesellschaften u. kleine Bibelvereine, deren Mitglieder wöchentlich wenigstens 1 Penny gaben. Die Bibel ist durch diese Englischen B. in die meisten bekannten Sprachen der Erde übersetzt; den Katholiken wird sie in den von ihnen anerkannten katholischen Übersetzungen gegeben. 1825 faßte sie den Beschluß, die Apokryphen nicht mit zu vertheilen, wodurch eine Zeitlang ihr Verhältnis zu den auswärtigen Gesellschaften, bes. weiche die ganze Bibel verlangten, gestört wurde. 1831 sonderten sich durch den verworfenen Antrag, alle, welche nicht an den drei einigen Gott glaubten, aus der Gesellschaft zu weisen, eine Trinitarische B. ab, welche aber, innerlich uneins, sich bald nur auf die Anhänger Irvings beschrankte. Die Londoner B. ist noch immer die bedeutendste u. ausgedehnteste, die es bis jetzt gibt; sie hat in dem Mutterlande 3217 u. in den Colonien 525 Filialanstalten. 1847 hatte sie 1,124,067 Bibeln verbreitet (837,361 im Innern Englands u. 285.706 durch Vermittelung anderer Gesellschaften); bis 1845 waren überhaupt 6,087,008 Bibeln u. 9,877,962 Neue Testamente, bis 1850 zusammen über 23 Millionen Exemplare in Umlauf gesetzt. Ihre Jahreseinnahme, deren Quellen Schenkungen, Subscriptionen, Legate etc. sind, betrug 1847 gegen 700,000 Thlr., 1848 nur 671,531 Thlr., 1853, die größte Einnahme: 11/2 Mill. Thaler. Gesammtausgabe bis 1845: 21,256,886 Thlr., bis 1849: 381 Mill. Thlr. Ihrer Bibelverbreitung stand fast überall die Thür offen, u. selbst Rußland blieb ihr nicht ganz verschlossen, nur in den specifisch-römischen Ländern, Spanien, Portugal u. Italien, blieb ihre Wirksamkeit ausgeschlossen, weil man sich da streng an das päpstliche Verbot hält. In Deutschland hat sie 3 Depots: in Köln, Frankfurt a. M. u. Breslau. B) In Deutschland: a) die Preußische Haupt-B, in Berlin, die seit 2. Aug. 1814 gegründet ist u. 1855 mit 100 Zweiggesellschaften in Verbindung stand, verbreitete z.B. 1849: 34,927 Bibeln u. 13,575 Neue Testamente; im Ganzen bis 1855: 1,998,617 Bibeln. Durch eine Ministerialverordnung vom 9. Juni 1849 erhielten die B. in Preußen die Erlaubniß zur Colportage der Bibeln; b) die Sächsische Haupt-B. in Dresden mit 32 Zweigvereinen, gegründet 1813, verbreitete 1850: 6374 Bibeln, im Ganzen bis dahin: 200,585, mit 388 wendischen Bibeln u. 438 N. T. Auch Hier besteht das Institut her Bibelcolporteure; c) in Baiern leitet der 1823 gegründete Centralbibelverein für die Protestantische Kirche Landes zu Nürnberg die Bibelverbreitung in Verbindung mit 86 Hülfsvereinen; bis 1850 hatte er 126,274 Bibeln, 34,371 N. T. u. 1725 Pfalter vertheilt; d) die B-gesellschaft zu Stuttgart in Württemberg verbreitete von 1812–1846 330,000 Bibeln, u. da es im Lande ungefähr 300,000 protestantische Familien gibt, so entstand bei der Jahresversammlung 1846 die Frage über Auflösung der Gesellschaft, indem ihre Aufgabe erfüllt vorliege, es wurde aber wegen des Bedürfnisses Ausland das Fortbestehen beschlossen; e) die Schleswig-Holsteinsche Landes-B. zu Schleswig, seit 1826 bestehend, vertheilte bis 1850: 130,296 Bibeln; sie erhielt Anfangs von der Britischen Gesellschaft Unterstützungen zur Anlegung einer eigenen Druckerei, trennte sich aber später, ebenso wie f) die Oberhessische in Marburg von ihr, als man in England grundsätzlich die Apokryphischen Bücher aus den Bibeln wegließ; g) die Freien Städte haben alle B.: die B. zu Hamburg, seit 1817 u. mit den Vereinen zu Bergedorf, Eppendorf, Ham u. Steinbeck verbunden, hat bis 1850 an 95,000, die zu Lübeck bis 1349 über 14,600 Bibeln verbreitet; h) im Herzogthum Altenburg besteht eine B. seit 1853 zu Altenburg, mit welcher sich 1856 auch die 1825 zu Schmölln gegründete vereinigte, C) In den Niederlanden wirkte die Niederländische B. in Amsterdam in Verbindung mit 80 Abtheilungen für die Verbreitung der Bibel theils im Mutterlande, theils auf der Insel Java, D) In der Schweiz erfreut sich die frühzeitig gestiftete B. in Basel immer noch einer regen Theilnahme, 1849 vertheilte sie 4959 Bibeln, E) In Frankreich gibt es B. in Paris (seit 1818, vertheilte 1849: 2201 Bibel u. 4429 N. T.), Bordeaux, Colmar (gestiftet 1820, gab 1848: 2205 Bibeln u. 4145 N. T. aus), Straßburg (ein Zweig der Londoner, gegründet 1816, veranstaltete 1837–1839 einen dritten Abdruck der ganzen Bibel) u. anderwärts. F) In Rußland legte die Britische Gesellschaft den Grund zur Bibelverbreitung, Anfangs (1806 u. 1807) nur für die am Kaspischen Meere für die Tataren gegründeten Missionsstationen; später (1810–1812) für Finnland u. Esthland; 1812 bewilligte der Kaiser für die Finnische B. bedeutende Kronzehnten u. gab die Erlaubniß zu Collecten in den finnischen Besitzungen. Daraus entstand die Russische B. in Petersburg, welche 1813 die kaiserliche Genehmigung erhielt. Die Griechische, die Katholische, die Lutherische, die Reformirte u. Armenische Kirche waren bei der Gesellschaft repräsentirt, um die Bibel in dem ganzen Russischen Reiche zu verbreiten. Die Gesellschaft übernahm sofort von dem Heiligen Synod der Griechischen Kirche, welche das alleinige Recht des Druckes u. der Herausgabe der Bibeln in Rußland hat, die vorräthigen Exemplare zur Vertheilung, stiftete noch. 1813 eine Hülfsgesellschaft in Moskau u. ließ die Bibel in die verschiedenen Sprachen übersetzen; 1815 traten die Griechen bei u. die Zahl der Hülfsgesellschaften wuchs in dem Maße, daß deren nach sechsjährigem Bestehen (im Jahre 1819–20) schon 180 u. 1826 289 waren. Die Gesellschaft hatte eine Jahreseinnahme von beinahe 400,000 Rubeln, die Gesammtzahl der von ihr in 32 Exemplare erreichte die Höhe von 411,000. Das Erscheinen der Bibelübersetzung in das Neu-Russische u. die Landvolk erweckte aber das Mißtrauen der Geistlichen, u. dies trug dazu am meisten bei, daß 1826 die B. durch einen kaiserlichen Befehl aufgehoben wurde. Sie[729] hatte bis dahin an 800,000 Bibeln verbreitet. An ihrer Stelle wurde die Russisch-Protestantische B. in Petersburg gegründet, die seitdem über 200,000 Bibeln ausgegeben hat. In einigen kurländischen Dörfern werden für das Gesinde sogenannte Inventarien- od. eiserne Bibeln in den Häusern niedergelegt. G) In den drei Skandinavischen Königreichen bestehen sehr thätige B.; die Dänische in Kopenhagen hat Hülfsgesellschaften in Island u. in Westindien, u. vertheilte 1849267 Bibeln u. 3670 N. T.; von den Schwedischen verbreitete die in Stockholm bis 1850 über 45,000, die in Gothenburg an 113,000. H) In der Türkei nimmt seit 1855 die Bibelverbreitung durch die Engländer u. Amerikaner einen großartigen Aufschwung. I) In Nordamerika hatte die Haupt-B., mit mehr als 1000 Töchtergesellschaften, 1848 über 700,000 Bibeln verbreitet. In Canada besteht eine Hülfsgesellschaft. Die Anzahl der Bibeln, welche von den in Europa bestehenden B. bis 1850 vertheilt worden waren, belief sich auf 36 Mill. in 81 verschiedenen Sprachen u. Dialekten. Die B. fanden auch ihre Gegner, schon in Ungarn u. 1822 in Österreich wurden die B. verboten, bes. aber unternahm die päpstliche Regierung ernste Schritte gegen dieselbe. Nachdem bereits Gregor XVI. in einem Rundschreiben am 8. Mai 1844 gegen die Gesellschaften zur Verbreitung der Bibel sich entschieden ausgesprochen u. die früheren Verordnungen über das Lesen der Bibel eingeschärft hatte, wiederholte Pius IX. in dem Rundschreiben vom 9. Nov. 1846 seine mißbilligende Erklärung gegen dieselben. Gleichwohl war die Zahl der Bibeln, welche die Britische B. namentlich in Italien verbreitete, zunächst größer als vorher, u. auch nachher erkaltete der Eifer ihrer Agenten nicht, die bes. in Piemont gute Geschäfte machten.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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