- Glaube
Glaube, 1) die auf zureichende Gründe gestützte Überzeugung von der Wahrheit dessen, was uns in der Erfahrung nicht gegeben ist od. nicht gegeben sein kann. Die Überzeugung von der Wahrheit dessen, was man wegen Trennung durch Raum u. Zeit nicht selbst erfahren konnte, aber von Andern mitgetheilt erhielt, welche man für gültige Zeugen hält, ist historischer G.; die Überzeugung von der Wahrheit dessen, was überhaupt nicht Object menschlicher Anschauung ist, weil es nicht sinnlich wahrgenommen werden kann, speciell die Überzeugung von dem Dasein höherer Wesen, von denen, durch welche u. zu denen sie Mensch sind, ist religiöser G.; s. Religion. Die Quellen des religiösen G-ns sind in dem Menschen die Vernunft (Vernunftglaube), sofern der Mensch zu dieser Überzeugung durch Nachdenken u. durch Gründe der Vernunft gelangt; od. das Gefühl (Gefühlsglaube), sofern seine Überzeugung mehr aus einem lebendigen Gefühl des Göttlichen hervorgeht; außer ihm die Natur (natürlicher G.), sofern der Mensch zur Überzeugung von dem Übersinnlichen durch das Anschauen der Natur kommt od. sofern sich diese liberzeugung in seinem Bewußtsein auf natürliche Weise entwickelt; od. eine besondere Offenbarung (Offenbarungsglaube, geoffenbarter G.), wo der Mensch auf ganz besondere Weise durch göttliche Veranstaltung von dem Übersinnlichen belehrt wird. Wer nach den Quellen seines religiösen Glaubens nicht fragt, dessen G. ist Autoritätsglaube, auch Köhlerglaube od. blinder G. genannt. Kirchenglaube ist der Inbegriff der Glaubenssätze einer als Kirche öffentlich anerkannten Religionsgesellschaft, im Gegensatz zu den abweichenden Ansichten einzelner Menschen (Ketzer, Häretiker), od. größerer Parteien u. Gemeinden (Secten). In der Bibel wird bes. vom Apostel Paulus der G. als das Grundprincip des ganzen christlichen Lebens bezeichnet u. darum den Gesetzeswerken gegenübergestellt, während Jakobus den bloßen G-n ohne sittliches Leben todten G-n nennt, vielmehr die Verbindung des G-ns u. der Werke verlangt u. in den wahren christlichen Werken das echte Lebenszeichen des G-ns erblickt. Nach dem orthodoxen lutherischen Begriff ist der seligmachende od. rechtfertigende G. (Fides salvifica) die feste Überzeugung, daß der Mensch durch den Tod Jesu mit Gottchersöhnt u. der Vergebung seiner Sünde theilhaft geworden sei u. daß er nur so selig werden könne; dabei werden drei Stücke unterschieden: die Erkenntniß, der Beifall u. die Zuversicht od. das Vertrauen. Die Behauptung einer od. der andern christlichen Partei, in dem Besitz des absolut wahren G-ns zu sein, wird um so unbegründeter sein, je weiter von der Quelle des G-ns, der Heiligen Schrift, sie sich entfernt hat, u. entweder neben, vielleicht gar über die Heilige Schrift eine menschliche Autorität setzt. Als Glaubensrichter, welcher in obschwebenden Zweifeln od. Ungewißheiten im G-n entscheidet, nimmt die Katholische Kirche den Papst, od. den Papst mit dem Cardinalscollegium, od. ein Allgemeines Concil an; die Protestanten gestehen die Befugniß in Glaubenssachen zu entscheiden nur der Bibel zu. Daher gibt es auch in protestantischen Ländern keinen Glaubenszwang, d.h. es wird nicht gefordert, daß alle Landesbewohner der Landeskirche folgen, sondern es herrscht Glaubensfreiheit, d.h. jeder Einzelne kann seine besondere religiöse Überzeugung haben u. (vorausgesetzt, daß sie nicht gegen die allgemeine Sittlichkeit verstößt) aussprechen, auch wohl mit andern Gleichgesinnten zu gemeinschaftlichem Cultus sich verbinden. Vgl.: Vogel, Über die letzten Gründe des menschlichen u. christlichen G-ns, Sulzb. 1806; Weiller, Ideen zur Geschichte der Entwickelung des religiösen G-ns, Münch. 1808; Heinroth, Pisteodicee, Lpz. 1820; Ancillon, Über G. u. Wissen in der Philosophie, Berl. 1824; Krug, Pisteologie, Lpz. 1825; Abaldemus, Über Natur, Forum u. Macht des G-ns, Zerbst 1830; Pfitzner, G. u. Gefühl, Bresl. 1830 Glatz, Philosophische Beleuchtung des Wissens u. des G-ns, Lpz. 1830; Rosenkranz, Der Zweifel am G-n, Halle 1830; Schulz, Die christliche Lehre vom G-n, Lpz. 1834. 2) Das Object des G-ns, von dessen Gewißheit u. Sicherheit man so überzeugt ist, daß man sich dabei beruhigt. 3) Der Inbegriff der Lehren, von deren Wahrheit man überzeugt ist; bes. 4) die drei Glaubensartikel der Christlichen Kirche, welche den Inhalt der drei ersten allgemeinen Symbole ausmachen, im Gegensatz zu den Pflichtgeboten. 5) Als allegorische Person mit Liebe u. Hoffnung verbunden, gewöhnlich als eine weibliche Figur mit dem Kreuz, auch wohl Abendmahlskelch in der Hand, dargestellt; vgl. Fides. 6) Zuverlässigkeit, Treue, welcher man trauen darf.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.