- Gießen
Gießen) Kreis in der großherzoglich hessischen Provinz Ober-Hessen; zählt in 49 Ortschaften 47,000 Ew.; 2) Hauptstadt von Ober-Hessen u. des Kreises, Hauptstation der Main-Wesereisenbahn, Sitz der Provinzialkreisbehörde, eines Hofgerichts, Stadt- u. Landgerichts etc.; liegt am Einfluß der Wiesel in die Lahn, über welche seit 1806 eine steinerne Brücke führt, war sonst fest, doch sind die Wälle abgetragen u. in Gärten verwandelt. G. hat ein altes Schloß (jetzt Kanzleigebäude) u. Zeughaus (jetzt Magazin), 2 Kirchen (wovon 1 katholisch) u. 1 Hospitalkapelle, die vormalige Kaserne wird jetzt zum Theil als Bibliothek, zum Theil als Klinik benutzt. Hier die 1607 von dem Landgraf Ludwig V. gestiftete Universität, jetzt mit 45 Lehrern u. (1858) 360 Studenten (Großherzog Ludwig I. errichtete auch eine katholische Facultät, aber die Studirenden der katholischen Theologie sind seit 1851 in Mainz), neues Universitätsgebäude, darin Sammlung physikalischer Instrumente, Mineralogische, Zoologische u. andere Sammlungen, Bibliothek, außerdem Klinicum, Chemisches Laboratorium, neues Anatomiegebäude, Geburtshülfliche Anstalt, Botanischer Garten (schon 200 Jahre gegründet, jetzt sehr erweitert), Forstbotanischer Garten für die Forstlehranstalt, Reitschule, Philologisches Seminar, Stipendlenanstalt, ein Gymnasium u. eine Realschule, mehrere Elementarschulen, Oberhessische Gesellschaft für Natur- u. Heilkunde, bedeutende Bierbrauereien, Fabriken in Tabak, Wollen- u. Baumwollenzeugen, 3 Buchhandlungen, 2 Buchdruckereien u. 4 Steindruckereien, auf Actien gebautes Gesellschaftshaus; Freimaurerloge: Ludewig zur Treue; 9000 Ew. Dabei liegt der Buschische Garten, die ehemalige Deutsch-Ordens-Commende Schiffenberg, jetzt Staatsdomäne u. die Badenburg, Lustgärten, u. die romantischen Ruinen der Staussenberg u. die im preußischen Kreis Wetzlar gelegenen Gleiberg u. Vetzberg. Bei G. finden sich Lager trefflichen Braunsteins u. viele Eisensteingruben. Vgl. Duller, G. u. seine Umgebungen, 3. Aufl. 1851; Nebel, Geschichte der Universität G., Marb. 1828._– G. soll im 13. Jahrh. aus den drei Dörfern Seltars, Astheim u. Kroppbach entstanden sein. Nebst der Umgegend gehörte es den Grafen von Gleiberg, dann dem Pfalzgrafen Rudolf von Tübingen u. seit 1265 den Landgrafen von Hessen. Frühzeitig mit Mauern umgeben, wurde die Stadt 1327 von dem Mainzer Erzbischof gestürmt u. zerstört, 1530 vom Landgrafen Philipp befestigt, 1547 aber auf Befehl Kaiser Karls V. geschleift; doch begann jener 1560 den Festungsbau wieder, welchen Landgraf Ludwig IV vollendete. Nach dessen Tod kam G. an Landgraf Ludwig V. von Hessen-Darmstadt, der hier 1602 die Universität gründete u. die lutherischen Theologen, denen man in Marburg den Aufenthalt verweigerte, nach G. zog; doch wurde sie 1625 wieder mit der zu Marburg vereinigt, u. erst 1650 bekam G. unter Landgraf Georg II. seine eigene Universität wieder. Im September 1796 hier Niederlage Jourdan's durch die Österreicher, s. Französischer Revolutionskrieg.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.