- Pfalzgraf
Pfalzgraf (Comes palatinus), 1) ursprünglich der einer Pfalz vorgesetzte Beamte. Der P. war der oberste Beamte in den verschiedenen Pfalzen der fränkischen u. deutschen Könige u. zugleich Richter über einen gewissen Bezirk; der vornehmste war der P. in Aachen. Später waren nicht nur in den kaiserlichen Pfalzen, sondern auch in den Landgrafschaften u. Grafschaften P-en. Zu den Zeiten der Sächsischen Kaiser war ihr Ansehen sehr groß, sie saßen statt des Kaisers im Reichsrathe, verwalteten den kaiserlichen Fiscus, die Praedia salica, das Reichspatrimonium u. die Regalien, erhoben auch zuweilen Zoll u. Gefälle, ja lange durfte kein Herzog, Land- od. Markgraf ohne einen P-en befragt zu haben etwas Wichtiges in Rechtssachen unternehmen. Es gab zur Zeit der Sächsischen Kaiser P-en in Sachsen, Kärnten, Burgund, am Rhein, in Schwaben, Hennegau, Holland, Seeland, Pfirt, Kyburg, Namur u. Zütphen. Die P-en zogen wie der Kaiser umher u. sprachen Recht. Da es zweierlei Recht in Deutschland gab, das Fränkische u. das Sächsische, so wurden auch zwei P-en bes. wichtig, der am Rhein, welcher in den Ländern Fränkischen Rechts, u. der in Sachsen, welcher in denen Sächsischen Rechts Gericht hielt. Die P-en wurden mit Ländereien belehnt u. machten diese u. ihr Amt nach u. nach erblich. Am reichsten waren die P-en am Rhein u. in Sachsen bedacht, u. so kam es, daß, während die anderen nach u. nach erloschen, diese Beamten mächtige Fürsten wurden. Namentlich gehörten die Pfalzgrafen am Rhein zu den angesehensten Großen; 2) (Hofpfalzgraf, Hofgraf, Comes palatinus caesareus, Comes sacri lateranensis palatii, Comes altae curiae caesareae et imperialis consistorii), spätere kaiserliche Richter bis zur Errichtung der Reichsgerichte, worauf mit dem Titel P-en blos die Ausübung gewisser kaiserlicher Reservatrechte verbunden war. Der Inbegriff dieser Rechte hieß Comitiv, u. zwar gab das Kleine Comitiv das Recht uneheliche Kinder (mit Ausnahme der Fürsten-, Grafen u. Freiherrenkinder) zu legitimiren-, Minderjährige, Kirchen u. Gemeinden, welche verkürzt worden, in den vorigen Stand zu setzen, Baccalaureen, Licentiaten u. Doctoren der Rechte u. der Medicin (welche Doctoren zum Unterschied von den auf Universitäten creirten Doctores bullati genannt wurden), wie auch Magister der Philosophie zu creiren, Poeten zu krönen, Notarien zu machen, bürgerliche Wappen zu verleihen, Vormünder u. Curatoren, Adoptionen, Entlaß aus väterlicher Gewalt zu bestätigen, Dispensationen Alters halber zu ertheilen u. den Minderjährigen Veräußerungen ihrer Güter u. Vergleiche über Alimente zu bestätigen; das Große Comitiv gab das Recht Edelleute u. Ritter zu creiren, adelige Wappen zu ertheilen, gewöhnliche P-en zu ernennen etc. Die Würde eines P-en wurde nun Anfangs nur Großen u. angesehenen Corporationen, jenen auf Lebenszeit, diesen auf immer ertheilt; so erhielt der Graf Berthold von Henneberg 1310 mit der Fürstenwürde auch die Pfalzgrafenwürde, u. fast alle Universitäten, auch einzelne Stadträthe, wie der Leipziger, wurden mit dem Rechte die Comitive zu ertheilen begnadigt; auch erhielten gewisse Fürstenstämme, z.B. das Haus Hohenlohe, die Pfalzgrafenwürde für immer; später aber wurden bes. bürgerliche Gelehrte, vornehmlich Rechtskundige, zu P-en mit Kleinem Comitive ernannt. Zuletzt war die gewöhnliche Pfalzgrafenstelle käuflich, aber auch, da die meisten durch das Comitiv erlangten Rechte durch die Landesgesetze der einzelnen Staaten beschränkt worden waren, von geringer Erheblichkeit. Mit Errichtung des Rheinbundes u. der Auflösung des Deutschen Reiches erloschen die P-en ganz.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.