Alter [1]

Alter [1]

Alter, 1) die Zahl der seit der Geburt verflossenen Jahre. Das A. zeigt gewisse Abschnitte, wo die Entwickelung des Lebens eine andere Richtung nimmt u. mit gewissen Erscheinungen (Alterserscheinungen) einhergeht; 2) (Lebensalter), die Perioden, in denen sich das Leben in ausgezeichnet abweichender Art darstellt: A) In physiologischer Hinsicht unterscheidet man nach der Annahme im gemeinen Leben 4 A.: Kindes-, Jugend-, männliches (u. Frauen-) u. Greisenalter. Pythagoras stellte das Leben den Jahreszeiten gleich u. maß jedem A. 20 Jahre zu; er betrachtete das Leben mit 80 Jahren als geschlossen, u. darüber hinaus als Zugabe des Greisenalters. Die einfachste Eintheilung ist die in kindliches u. erwachsenes Lebens-A., schärfer die Eintheilung in Lebens-A. des Wachsthums, des kräftigen u. des hinfällig werdenden Lebens. Im gemeinen Leben achtet man am meisten auf die Abschnitte nach Jahrzehnten; doch bedarf die Kindheit u. die frühere Jugend von 10–20 Jahren Unterabtheilungen. Eine sehr alte Eintheilung des Lebens-A-s ist die nach Stufenjahren (s.d.), nach 7- od. (ungewöhnlicher) 9jährigen sich gleichen Perioden. Genau genommen kann auch die Embryonenperiode nicht ausgeschlossen bleiben. In der Geschlechtsentwickelung u. der Bestimmung beider Geschlechter weichen die Fortrückungen der Lebens-A. im männlichen u. weiblichen Geschlechte von einander ab. Letzteres tritt früher in das Geschlechtsleben ein u. früher aus demselben aus. Das Greien-A. (Matronen-A.) hat bei ihm daher eine längere Dauer. Bei Annahme von Stufenjahren u. deren Hälften kommt man dem Gange der Natur näher, wenn man beim männlichen Geschlecht die Abtheilung der Stufenjahre durch 9, bei dem weiblichen die durch 7 u. die Halb schieden bei der zu Grunde legt. Demnach wären a) beim männlichen Geschlecht: 41/2 Jahre Andeutung der Knabennatur; 9 Jahre, ausgebildeter Knabe; 131/2 Jahre, Eintritt in die Pubertät; 18 Jahre, offene Zeichen der Pubertät; 221/2 Jahre, junger Mann, Zeitpunkt der Volljährigkeit; 27 Jahre, Eintritt in die Zenithsperiode des Geschlechts; 311/2 Jahre, Zenith der Männlichkeit; 36 Jahre, beste Jahre des Mannes; 401/2 Jahre, Zenithsperiode der Gattung: 45 Jahre, noch gute Jahre, doch die letzten im vollkommenen Geschlecht, Hagestolziat; 491/2 Jahre, Austritt aus den Jahren der jugendlichen Kraft; 54 Jahre, Zeit der Ehrenämter u. des Wohlstandes; 581/2 Jahre, Herannahen des Greisen-A-s, Liebe für das Beständige; 63 Jahre, männliches Senium, Höhe der Verständigkeit, Liebe zu den Enkeln; b) beim weiblichen Geschlecht: 31/2 Jahre, Andeutung der Mädchennatur; 7 Jahre, ausgebildetes Mädchen, als Kind; 101/2 Jahre, Vorahnungen der weibl. Natur; 14 Jahre, Krise der eintretenden Fruchtbarkeit; 171/2 Jahre, Vorgefühl der Mutterschaft; 21 Jahre, Zeitpunkt der treuen Liebe, im Gegensatz bisheriger Flatterhaftigkeit; 241/2 Jahre, Zenith der Weiblichkeit: 28 Jahre, beste Jahre des Weibes, als Gattin u. Mutter; 311/2 Jahre, erfahrene, verständige, dabei noch liebenswürdige Frau; 35 Jahre, letzte im Geschlecht des Weibes vollkommene Zeit, alte Jungfrauschaft; 381/2 Jahre, ältlich werdende Frau, Würde statt früherer Schönheit; 42 Jahre, Achtung u. Wohlstand als Ersatz für die verlorenen Vortheile der Jugend; 451/2 Jahre, Überschreiten des weiblichen Charakters in männlichen; 49 Jahre, weibliches Senium, Krise der scheidenden Weiblichkeit, Freude an Schwiegersöhnen u. Enkeln. Vgl. Lebensdauer. B) In rechtlicher Beziehung. Alle Rechte berücksichtigen die Verschiedenheit des A-s, stimmen meist in den Begriffen, nicht aber in der Annahme der A-sperioden überein, auf welche Klima u. Cultur vielfachen Einfluß äußern. Das in der Hauptsache auch hierin bei uns geltende römische Recht theilt die Menschen ein nach der Großjährigkeit (Aetas major od. Aetas legitima) mit erfülltem 25. Lebensjahre (in Bern, Österreich, Oldenburg u. Preußen mit dem 24., nach deutschem, badischem, baierischem, frankfurter, hannöverschem, sächsischem, württembergischem, englischem u. französischem Rechte mit dem 21., bei Fürsten u. hohem Adel auch wohl dem 20. od. 18. Lebensjahre), wo der Mann befugt ist, jede Rechtshandlung des bürgerlichen Lebens vorzunehmen, sofern nicht das Gesetz eine Ausnahme, vorzüglich durch die väterliche Gewalt, macht; od. nach der Minderjährigkeit (Aetas minor). In frühester Zeit in Rom unbekannt, ist die Großjährigkeit durch die Lex Plaetoria (Laetoria), nach deren Termine auch Lex quinavicenaria genannt, um 570 v. Chr. eingeführt. Die Bestimmungen des ältesten deutschen Rechtes sind unbekannt doch wurde hier, wie auch früher in Rom, zugleich die körperliche Reise berücksichtigt, was mit zunehmender Allgemeinheit der Gesetze u. verfeinertem Anstande wegfiel. Durch das Hinzufügen des deutschen Jahr u. Tag bildete sich die Lehnsmündigkeit von 13 Jahren 6 Wochen 3 Tagen; die Eidesmündigkeit tritt, jetzt noch, im 14. Jahre schon ein, dagegen ist die Wählbarkeit zu Landtagen, Ämtern etc. meist auf einen späteren Zeitpunkt, als der allgemeinen Großjährigkeit, festgesetzt. Die Minderjährigen (Minores) stehen nach römischem Recht entweder im A. der Unmündigkeit (Aetas prima), od. der Mündigkeit (Aetas secunda), deren erster Abschnitt, Pubertas minus plena, beim Jüngling mit vollendetem 14., bei der Jungfrau mit dem 12. Jahre; der 2. Abschnitt, Pubertas plena, bei jenem mit dem 18., bei dieser mit dem 14. Jahre beginnt. Minderjährige stehen stets unter elterlicher od. fremder A-vormundschaft u. Rechtsverbindlichkeiten derselben können nur durch Einwilligung des Vormundes herbeigeführt werden. Die vom Landesherrn mittelst Rescriptes (Majorennitätsrescript) ausgesprochene Erklärung, daß ein noch nicht Volljähriger so angesehen werden soll, als wäre er dies, heißt Jahrgebung (Majorennitätserklärung, Veniaaetatis). Nach römischem Recht mußten dazu männliche Personen das 20., weibliche das 18. Lebensjahr (Aetas firmata) erreicht haben, u. zur Erreichung der Venia aetatis jenes A. u. ihren guten Ruf urkundlich u. durch Zeugen nachweisen. Die Jahrgebung ist eine unvollkommene, wenn der für großjährig Erklärte die Verfügung über sein Vermögen nur soweit hat, als auch sein Vormund ohne obrigkeitliches Decret handeln kann; eine vollkommene, wenn er ohne dasselbe verfügen kann. Der Venia aetatis steht dann die durch das A. erlangte Großjährigkeit (Aetas perfecta) gegenüber. Unmündige unter 7 Jahren heißen Kinder[364] (Infantes), deren Handlungen ohne alle rechtliche Bedeutung sind, nachher Infantia majores, u. zwar im Anfang Infantiae proximi, später aber Pubertati proximi. Das Greisen-A. (Senectus) wird meist. mit dem 60. Jahre angenommen u. rechtlich vielfach berücksichtigt. Im Strafrecht gilt die Jugend ebenso als Milderungsgrund, wie die Altersschwäche, u. bei der Unmündigkeit tritt meist Straflosigkeit ein, wenn nicht besondere Bosheit den Beweis liefert, daß das Kind des Verbrecherischen seiner Handlungsweise sich bewußt gewesen sei (Malitia supplet aetatem). Selbst in England kann ein Kind unter 7 Jahren nicht am Leben gestraft werden, wohl aber vom 14. Jahre an, obschon auch bereits in früherem A. der Fall eingetreten ist. In Frankreich u. Preußen wird bei einem Verbrecher unter 16 Jahren untersucht, ob er ohne Beurtheilungskraft (Discernement) gehandelt hat, u. er wird solchen Falles losgesprochen u. für seine Erziehung bei seinen Eltern od. in einem Arbeitshause gesorgt, im entgegengesetzten Falle aber milder bestraft. 2) Die jedem organischen Wesen von der Natur bestimmte Lebenszeit, s. Lebensdauer; 3) im engsten Sinne das höhere od. Greisenalter, s. Greis.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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