- Ritter [1]
Ritter, 1) (lat. Eques, gr. Hippeus), im weitesten Sinne so v.w. Reiter; dann 2) ein Krieger zu Pferd. Wie sich mit der Zeit aus den im Kriege zu Pferde Dienenden in Athen eine eigene Klasse, in Rom ein eigener Stand der Staatsbürger mit gewissen Vorzügen u. Vorrechten bildete (s.u. Athen [Ant.] I. A) a) u. Eques), so auch im Mittelalter in Deutschland u. in Westeuropa. Hier erscheinen schon Anfänge des späteren mittelalterlichen Ritterwesens in den Genossenschaften u. Gefolgen (Comitaten), namentlich in den sagenhaften u. durch die Poesie verherrlichten Rittern des heiligen Graal, den Rittern der Tafelrunde des Königs Artus, den Paladinen Karls des Großen. Die Mitglieder eines Comitats folgten ihrem Comitatsherrn auf seinen Zügen zu Pferd u. genossen für ihren Dienst nicht blos die Gastfreundschaft am Hofe des Herrn, sondern erhielten, bes. nach dem Sturze des Römerreichs, auch Lehen, womit die Verpflichtung zum Dienst des Herrn, welcher bes. in Kriegsdienst bestand, verbunden war. In dem Deutschen Reiche bildete sich dann auch zur Abwehr feindlicher Angriffe ein eigener Kriegerstand gegenüber denen, welche zu Übung friedlicher Künste u. Gewerbe daheim blieben, wofür jene, welche allerdings auf eigene Kosten sich ausrüsteten u. lebten, allerhand Vorrechte u. Freiheiten genossen u. ihre Lehen auch bald erblich erhielten (s. Adel), diese aber die Lasten des Staates zu tragen hatten. Wie in den Romanischen Landen die Einfälle der Sarazenen, so waren in Deutschland die der Magyaren die Hauptveranlassung, daß der dem Kriege die Entscheidung gebende Haupttheil des Heeres die Reiter wurden, ein Umstand, welcher nicht wenig dazu beitrug, das Bewußtsein dieser Krieger von ihrer Bedeutung zu steigern. Zur Ausbildung des Ritterwesens trugen aber bes. die Kreuzzüge bei, in welchen nicht nur die R. wieder als der Kern des Heeres erschienen, sondern auch durch die Verbindung der Romanen u. Germanen von jenen, welche sich am zahlreichsten bei diesen Zügen betheiligten u. in der Cultur weiter vorgeschritten waren, auf die Germanen wesentlich eingewirkt u. bes. von Champagne u. der südlichen Niederlande, dem Sitze der Blüthe des Ritterthums, die Formen des Ritterwesens mitgetheilt wurden. Das bes. vom 11. bis 14. Jahrh. zu seiner Ausbildung gekommene Ritterthum charakterisirte sich durch sein höfisches Leben, eine besondere Art von Literatur (s. Ritterpoesie), durch seine Minne u. seinen Frauendienst, durch seine eigenen Ansichten von Ehre u. Pflichten, durch seine Familieneinrichtungen u. Feste (Turniere); die Hauptgrundlage desselben war die kunstmäßige Waffen- u. christliche Lebensführung. Während das Ritterthum sich von den Andern als Stand immer mehr absonderte, verband es sich öfter mit dem Clerus, woraus die Ritterorden (s.d.) hervorgingen. Seit dem 13. Jahrh. geschah es auch, daß Glieder ritterlicher Geschlechter den Rang erhielten, wenn sie selbst auch nicht Krieger waren, u. als Auszeichnung das Wappen des Geschlechts fortführten, welches vordem nur an Helm u. Schild gehaftet hatte. Im 14. Jahrh. begann der Glanz des Ritterthums zu verbleichen u. im 15. Jahrh. versank dasselbe in Rohheit u. Barbarei, so daß Wegelagerung u. Raub zu den nicht seltenen Beschäftigungen u. Nahrungsquellen der R. gehörten. (Raubritter), weshalb die Kaiser die ernstesten[189] Maßregeln gegen sie ergriffen. Da die Erfindung des Schießpulvers in der Kriegsführung eine große Umwälzung hervorbrachte, indem gegen Geschütze weder die Ritterrüstung die Person, noch die Lage auf Bergen ihre Burgen sicherte, so zogen deshalb, zugleich wegen der mannigfachen Beschwerden u. Unbequemlichkeiten des Aufenthaltes in den Burgen, die R. von den Bergen in die Ebenen herab u. bauten ihre Schlösser neben ihren Unterthanen. Damit endigte eigentlich das Ritterthum. Aber seit dem 16. Jahrh. bildeten die Rittergeschlechter den Ritterstand als Adel im Gegensatz zu dem freien Bürger- u. Bauernstand u. ihre Besitzungen erhielten die Eigenschaft rechter Lehen u. freien Eigenthums, welche sie als Rittergüter (s.d.) frei von Steuern u. Lasten, mit Ausnahme der Stellung sogenannter Ritterpferde (s.d.), erhielten u. als solche Besitzer zugleich den wesentlichsten Theil der Landschaft bildeten. In den Revolutionen, bes. des 19. Jahrh., haben sie die meisten ihrer Vorrechte u. Immunitäten eingebüßt.
Die Erziehung zum R. begann mit dem siebenten Jahre, wo der Knabe (Bube, Junkerlein) männlicher Aufsicht (Bubenzuchtmeister) übergeben wurde, entweder im elterlichen Hause, od. bei einem andern R., jedenfalls mit andern Altersgenossen; Gegenstände der Bildung waren körperliche Übungen, Gesang u. die Elemente der Religion. Mit dem 14. Jahre wurde der Edelknabe wehrhaft gemacht u. zum Knappen (Edelknecht, Junker, Famulus, Armiger, Bachelier) erhoben. Wenigstens jetzt ging er in Dienst zu einem andern R.; seine Dienstleistungen bestanden in der Bedienung des Herrn u. dessen Gemahlin; er begleitete denselben auf der Jagd, auf Reisen, bei Besuchen, wurde zu Verschickungen gebraucht, wartete bei Tafel auf. Die fortgesetzten Waffenübungen aller Art u. Kenntniß der Kriegsführung bereiteten den Knappen zum Stande des Ritters vor, welcher durch den in der Regel im 21. Lebensjahre ertheilten Ritterschlag verliehen wurde u. zugleich die Rechte der Mündigkeit gab. Der feierliche Ritterschlag (Schwertleite) erfolgte also: strenges Fasten, nächtliche Gebetsübungen mit Priester u. Taufpathen in Kirchen od. Kapellen, Abendmahl, Bußübungen, Bad gingen der Ceremonie vorher; dann begab sich der Aufzunehmende, in einfacher, meist weißer Kleidung, mit dem durch eine Binde an dem Halse befestigten Schwert in die Kirche, trat zu dem Altar, wo der Priester das Schwert einsegnete, u. warf sich dann zu den Füßen desjenigen, welcher ihm den Ritterschlag ertheilen sollte (gewöhnlich ein Fürst od. Graf, auf jeden Fall aber ein R.). Dieser fragte, ob er zur Beschützung der Unterdrückten, Wittwen u. Waisen, zur Achtung der Frauen, zur Treue gegen Kirche u. Kaiser, zur Führung eines christlichen u. ritterlichen Lebens stets bereit sein wolle. Nach bejahender Antwort wurde ihm der Cid abgenommen u. sein Verlangen bewil ligt, Hierauf schmückten ihn die befreundeten R. u. Damen zuerst mit den Sporen (wo man mit dem linken den Anfang machte) u. mit dem Panzerhemd, legten ihm den Harnisch, die Armbleche u. Panzerhandschuh an u. gürteten ihm zuletzt das Schwert mit dem Schwertriemen (Cingulum militare), dem Kennzeichen des Ritters, um. So ausgerüstet kniete er wieder vor dem R. nieder, welcher sich von seinem Sitze erhob u. ihm drei Schläge mit dem bloßen flachen Bogen auf die Schulter od. den Hals gab, zur Erinnerung an die Leiden Christi u. an seine Pflichten als christlicher R., zugleich daß dies der letzte Schlag sein sollte, welchen er ungerächt ertragen dürfe. Während des Ritterspruchs sprach der Ertheilende: Im Namen Gottes, des St. Michael u. des St. Georg schlage ich dich zum R.! mitunter wurde auch hinzugesetzt: Sei tapfer, unverzagt u. treu! Der neue R. erhob sich nun u. empfing den Bruderkuß; Helm, Schild u. Lanze wurden ihm überreicht, er bestieg in voller Rüstung das Pferd u. tummelte es unter Lanzenschwingen vor dem Volke u. auf öffentlichen Plätzen, womit Jeder von der neuen Erhebung in Kenntniß gesetzt wurde. Die Feierlichkeit des Ritterschlags wurde in Sälen od. Höfen der Schlösser u. Burgen, auch auf freiem Felde, z.B. nach einer Schlacht, vorgenommen. Vorzüglich geschah der Ritterschlag an hohen Kirchenfesten, Krönungstagen, Siegesfestenn. a. ausgezeichneten Tagen. Im Kriege folgten die R. dem Banner ihrer Lehnsherren; im Frieden gaben die Turniere ihnen Gelegenheit sich auszuzeichnen. Als Belohnung empfingen sie nach Auszeichnungen im Kriege goldene Ketten u. Wappenabzeichen, Helm- u. Schildverzierungen. Oft auch suchte der junge R. die Belehrung u. Erfahrung dadurch, daß er sich aufmachte, von Land zu Land zog, die Höfe u. Turniere besuchte, an Fehden Theil nahm, einzelnen Ungerechtigkeiten steuerte, Waffenbrüderschaften (wobei die Waffen getauscht wurden) einging, sich in den Kampfarten anderer Länder unterrichtete etc. Man nannte solche R. irrende, auch fahrende R. (Paladine). In Frankreich kleideten sich die irrenden R. grün u. hier fand auch zuerst der Gebrauch Statt, daß vornehmlich ein irrender R. bei Turnieren u. sonst gegen einzelne durch ausgezeichnete Gewandtheit der Waffenführung berühmte R. für die Schönheit u. Vorzüge einer von ihm erwählten Dame in die Schranken ritt u. ihr zu Ehren eine Lanze brach. Diese durch die Minnehöfe aufgekommene u. begünstigte Sitte fand auch in Deutschland vielfachen Eingang.
Die Angriffswaffen der R. bestanden in Lanze, Schwert, Streitaxt (Kolben, Keule) od. Streithammer, Dolch (Misericorde); die Schutzwaffen (Rüstung) in Panzerhemd (Brünne, Harnasch, Halsberc), später Panzer, Helm (unter welchem ein Polster [Härsenier]), blecherne Handschuhe, Bein- u. Armschienen u. Schild; die Pferde waren theils durch Behänge von gestricktem Eisen u. Panzerwerk, theils durch Bruststücke von Blech u. durch Seitenstücke von gebranntem Leder gedeckt. Für gewöhnlich trugen die Ritter einen kurzen Rock, bei Festen seidene od. sammetne Wämser u. Mäntel; Knappen waren etwas geringer gekleidet, als die R. Die äußeren Unterscheidungszeichen beruheten hauptsächlich auf den Wappen (s.d.), welche auf dem Schild, theilweise auch auf der Spitze des Helms getragen wurden. Verbrechen od. Niederträchtigkeit zogen Ausstoßung aus der Ritterschaft nach sich. Dem Verurtheilten wurden durch die Herolde Waffen u. Rüstung Stück für Stück abgenommen u. zu seinen Füßen zerbrochen; der Schild, auf welchem das Wappen ausgelöscht war, an dem Schweife einer Mähre hängend durch den Koth geschleppt. Bei schweren Verbrechen, z.B. der beleidigten Majestät, wurde das Wappen durch den Scharfrichter öffentlich zerbrochen. Geringere Vergehen, welche immer noch mit Schande verknüpft waren, schlossen den, welcher sie begangen[190] hatte, von der Tischgesellschaft der R. aus, setzte er sich dennoch hinzu, so wurde vor ihm das Tischtuch zerschnitten u. sein Brod umgekehrt. Ehrlich konnte er sich wieder durch eine tapfere That machen. Auf seiner Burg (s.d.) lebte der R. in Friedenszeiten ein mehr einförmiges Leben, nur die Besuche seiner Genossen, Pilger, irrender R. u. wandernder Sänger, Turniere u. Jagd unterbrachen dasselbe. Bei festlichen Gelegenheiten wurden glänzende Schmausereien gegeben, wobei der Becher eine Hauptrolle spielte. Ein Caplan (Burgpfaffe) hielt den Gottesdienst in der Burgkapelle, fertigte die Urkunden aus, führte die Register über Einnahmen u. Ausgaben, über die Frohnen der Bauern etc., spielte Dame od. Schach mit den Rittern u. wurde mit den Verschickungen beauftragt. Die Frauen beschäftigten sich mit dem Hauswesen, Spinnen, Stickereien etc. Die Töchter erhielten vorwaltend eine Bildung für das Praktische, doch ließen manche R. ihre Töchter auch an einem fremden Hofe od. in einem Kloster erziehen, wo sie lesen u. schreiben lernten, u. Dichtkunst u. Musik trieben. Vor der Zeit des höfischen Lebens ganz auf ihre Gemächer beschränkt, nahmen sie darnach auch an den Männergesellschaften Theil, bewegten sich aber in den engern Grenzen einer sehr strengen Etikette. Im Kriege u. in Fehden ließ der R. seine Burg indem Schutze einer gehörigen Anzahl Mannen unter Anführung des ältesten Knappen od. eines Verwandten. Zu den Kriegszügen der Lehnsherren wurde die streitbare Mannschaft nach Lanzen (s.d. 3) gestellt. Im Schlachtenkampf hielten die R. in mehrfach hinter einander aufgestellten Reihen, u. hinter denselben die Knappen, zu Hülfsleistungen bestimmt. In Gefangenschaft gerathen ward dem R. ritterliche Haft zutheil, d.h. er wurde gegen Abgabe seines Ritterwortes nicht gekettet od. in schmählichem Gefängniß gehalten. Die Bestattungen der R. waren verschieden; die während der Kreuzzüge Gebliebenen u. auch diejenigen, welche einem Kreuzzuge beigewohnt hatten, wurden in voller Rüstung u. mit kreuzweis über einander gelegten Beinen bestattet. War der R. in der Schlacht geblieben, so legte man Banner, Standarte u. Fähnlein auf sein Grab, außerdem nur Eins von diesen Insignien; das Schwert nebst Handschuhen, Schild u. Helm wurden in Kirchen aufgehängt. Wenn der letzte R. eines Geschlechtesbegraben wurde, so wurde das Schild zerbrochen an seinem Grabe aufgehängt. Vgl. J. B. de la Curne de St. Palaye, Das Ritterwesen des Mittelalters (deutsch von Klüber), Nürnb. 1786–90, 3 Bde.; K. Ph. Conz, Über den Geist u. die Geschichte des Ritterwesens, Gotha 1786; I. Kaiser, Geschichte des Ritterwesens, Wien 1804; J. G. Büsching, Ritterzeit u. Ritterwesen, Lpz. 1823, 2 Bde.; Weber, Das Ritterwesen u. die Templer, Johanniter etc., Stuttg. 1822–24, 3 Bde.; Mills, History of chivalry, Lond. 1825, 2 Bde.; James, History of chivalry, ebd. 1830. 3) R. des heiligen Römischen Reichs, so v.w. Reichsritter, s.d.; 4) so v.w. Ordensritter, so z.B.: R. Christi, so v.w. Ritter des Christusordens u. so v.w. Schwertbrüder (s. b.). R. der Apokalypse (R. der Offenbarung Johannis), s. Apokalypse. R. der goldenen Miliz, s.u. Goldner Sporn 2). R. des Deutschen Ordens (R. unsrer lieben Frauen), s. Deutscher Orden. R. des Heiligen Grabes, so v.w. Heiligen Grabesorden 3) u. 4). R. der Heiligen Jungfrau, so v.w. Marianer 2). R. des Ordens vom Schwert (Ritter vom Stillschweigen), s. Cypern (Orden von C.). R. von Burgos. s. Hospitaliter von Burgos. R. von der Bisamkatze, s.u. Genettenorden. R. von der rothen Linde, so v.w. Banda. R. von St. Martin zu Mainz, so v.w. Martinsritter etc.; 5) R. der Rechte (Gelehrte R.), die in den letzten Perioden der Ritterzeit wegen ausgezeichneter Kenntniß in der Rechtsgelehrsamkeit u. in andern Wissenschaften zum Ritter geschlagenen Männer; 6) in der schottischen Freimaurerei, bes. im Tempelherrn- u. den französischen Systemen die Inhaber der Grade vom vierten Grade an aufwärts; 7) R. vom Rosenkreuz, s. Rosenkreuzer u. Philalethen.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.