- Priester
Priester, 1) (hebr. Chohanim, gr. Hiereis, lat. Sacerdotes), Diener der Religion zur Pflege[591] u. Verwaltung des Cultus. Ursprünglich waren die Familienhäupter die P. ihres Familiengottesdienstes, wie bei den Hebräern. Indem sich die Religionsverfassung mit der Familienverfassung weiter ausbildete, nahm auch das Priesterthum bestimmtere Gestalt an. Bei mehrern Völkern, z.B. in Griechenland, entstand es dadurch, daß die königliche Gewalt, welche mit der Priesterwürde verbunden war, abgeschafft u. denen, welche jene bekleidet hatten, od. deren Kindern die priesterliche Würde gelassen wurde; bei anderen Völkern übertrugen die Könige die priesterlichen Geschäfte Stellvertretern, wie Romulus u. Numa, u. wie es in Peru u. Mexico u. im Orient geschah; anderwärts entstand das Priesterthum dadurch, daß nach der Aufnahme von Familien- od. Stammgöttern in den Nationalcultus die bisherigen Diener derselben zu öffentlichen Dienern erhoben wurden, so z.B. in Athen bei den P-n der Demeter; endlich bildete sich ein Priesterstand dadurch, daß die Gesetzgeber u. Staatenstifter ganze Stämme aus dem Volke od. einzelne Familien zu erblichen Priestern erhoben, so bei den Hebräern die Familie Aarons u. der Stamm Levi. Daher wurden auch P. nur von P-n gewählt od. aus dem Geschlecht derselben, bei andern Völkern aus dem ganzen Volke, bei noch andern aber von den Königen od. den Edlen des Volkes. Erblich scheint das Priesterthum nur bei solchen Völkern zu sein, welche entweder, wie in Japan u. Peru, die P. für göttlichen Ursprungs hielten; od. wo die Priesternachkommen von regierenden Priesterfamilien od. von denen waren, welche den Dienst gewisser Götter eingeführt hatten, wie die Eumolpiden; od. wo die Gesetzgeber frühzeitig einen Priesterstamm auserwählt hatten. Da die P. im Besitz der Kenntniß der göttlichen Dinge, der Sühnungen u. Weihungen, der Weissage u. Zauberei, sogleich der Rechtskunde u. Arzneiwissenschaft waren, so übten sie als Berather der Fürsten u. Obrigkeiten, namentlich in despotischen u. demokratischen Staaten, einen großen Einfluß auf das öffentliche Leben aus. Bei den Hebräern verordnete sie Moses zu Darbringern der Opfer u. Gebete, zu den Mittlern zwischen Gott u. dem Volke u. zu den Verkündigern der Gnade Gottes. Sie waren aus dem Geschlechte Aarons des Stammes Levi; u. erhielten nach der Eroberung des Gelobten Landes statt einer Landesportion die 13, nahe bei Jerusalem in den Stämmen Juda, Simeon u. Benjamin liegenden Städte (Priesterstädte): Ain, Bethsemes, Debir, Estemoa, Hebron, Holon, Jathir, Juta, Libna, Almon, Anathoth, Geba u. Gibeon (s.d. a.). Nach dem Exil wohnten die Priester meist in Jerusalem. Um zum Priesteramte zugelassen zu werden, mußte der Competent 30 Jahre alt, ohne Leibesgebrechen, von legitimer Abstammung u. unbescholtenem Lebenswandel sein. Die P. wurden zu ihrem Amte durch Lustrationen u. Opfer eingeweiht. Ihre Kleidung während des heiligen Amtes bestand in Beinkleidern, weißem Leibrock, buntgewirktem Gürtel, Turban od. Kopfband, alles von Byssos. P. durften keine Geschwächte, keine Geschiedene u. keine Gebrechliche heirathen. Zum Zwecke des Tempeldienstes waren die P. in 24 Klassen abgetheilt, deren jede ihre Vorsteher u. den Cultus eine Woche lang zu besorgen hatte. Die einzelnen Geschäfte wurden täglich durchs Loos vertheilt u. bestanden: im Tempel im Anzünden des Räucherwerks, dem Reinigen der Lampen, des goldenen Leuchters u. Füllen derselben mit Öl, der wöchentlichen Belegung des goldenen Tisches mit den Schaubroden; außer dem Tempel im Vorhof: in der Darbringung der täglichen Morgen- u. Abendopfer, der Handleistung bei den Schlacht- u. Brandopfern, dem Blasen auf der silbernen Trompete, der Beschauung der Unreinen, bes. Aussätzigen, u. ihrer Reinsprechung u. der Bewachung des innern Tempels. Auch hatten sie das Volk in den Gesetzen zu unterrichten u. in Streitigkeiten Antworten zu ertheilen. Ihren Unterhalt zogen sie aus den Opferdeputaten, den Erstlingen, dem Zehnten, dem Lösegeld der Erstgeburt, der Verbannten od. der Gelübde. Nach Jesu u. der Apostel Lehre sollte jeder Christ ein P. u. die Christenheit ein königliches Priesterthum u. das Volk Gottes bilden, daher auch in der ersten christlichen Zeit kein Priesterstand in der Kirche war; aber schon im 2. Jahrh. wurde dadurch, daß man die christlichen Kirchenbeamten mit den mosaischen P-n verglich, der Grund zu der nachmaligen Hierarchie, einem Priesterthum in der Kirche im mosaischen Sinne, gelegt, wodurch das allgemeine Priesterthum aufhörte u. ein Unterschied zwischen Clerus u. Laien gemacht wurde, s. u. Geistlichkeit 2); 2) in der Katholischen Kirche der Geistliche, welcher das Amt der Messe verwaltet; 3) (Missionspriester), in der Katholischen Kirche Geistliche, welche in besonderen klösterlichen Instituten zu Missionaren gebildet werden, in klösterlichen Vereinen für die Missionszwecke leben u. namentlich Seminarien für Missionszöglinge bilden u. dieselben unterrichten; so P. der Mission, so v.w. Lazaristen; P. der christlichen Lehre in Frankreich, P. des Oratoriums in Frankreich, P. des Seminars der auswärtigen Missionen, s. u. Mission 2) A).
Pierer's Lexicon. 1857–1865.