- Weimar [1]
Weimar, 1) deutsches Großherzogthum, s. Sachsen-Weimar-Eisenach; 2) Theil desselben, den Stock des Ganzen bildend, 44,06 QM. mit (1861) 194,108 Ew. in den 2 Kreisen W. u. Neustadt. 3) Kreis darin, umfaßt, einschließlich der Exclaven Ilmenau (1,56 QM., 2928 Ew.) u. Allstedt im Preußischen (2,2 QM., 7171 Ew.), einen Flächengehalt von 32,68 QM. mit 140,772 Ew. (1861) u. wird in 13 Ämter getheilt; 4) Amt desselben u. 5) Landeshauptstadt darin, an der Ilm u. der Thüringischen Eisenbahn, ist Sitz der obersten Landesbehörden, der Hofämter, eines Rent- u. Forstamts, einer Bank, durch den Aufenthalt der Koryphäen der Deutschen Literatur unter dem Herzog Karl August eine der denkwürdigsten Städte Deutschlands. Das Residenzschloß (in seiner früheren Gestalt bis 1651 Hornstein, dann Wilhelmsburg, jetzt Karlsburg genannt) ist 1790 bis 1803 unter Goethes oberster Leitung gebaut u. hat im Innern Fresken von Neher, Preller u. Jäger zu Dichtungen Goethes, Schillers, Herders, Wielands, die Originalcartons zu Leonardo's da Vinci Abendmahl etc., zu ihm gehören noch die dabei befindlichen Gebäude des Fürstenhauses, des Rothen, Grünen u. Gelben Schlosses; daran schließt sich der Park mit dem Römischen Hause u. mit dem sogenannten Tempelherrenhause mit Goethes Colossalstatue aus Marmor von Steinhäuser. Jenseit der Ilm in der Nähe des Parkes ist Goethes Gartenhaus. Auf dem Fürstenplatz beim Schloß ist 1857 der Grundstein zum Karl-August Denkmal gelegt worden. Andere Plätze sind der Marktplatz mit neuem Rathhaus, im Gothischen Styl 1841 von Heß erbaut, u. dem ehemaligen Wohnhause Lucas Cranachs; der Goetheplatz, wo dessen Wohnhaus (mit seinen Sammlungen) steht; Schillers Wohnhaus befindet sich in der Schillerstraße (Esplanade); der Theaterplatz mit dem ehernen Doppelstandbild Goethes u. Schillers nach Rietschels Entwurf 1857 aufgestellt, dabei Wielands Haus; der Frauenplan mit Wielands Statue von Gasser (seit 1857), der Töpfermarkt bei der Stadtkirche mit Herders Standbild von Schaller (seit 1850). In der Stadtkirche (um 1400 erbaut) sind Denkmäler weimarischer Fürsten (darunter das Grab des Herzogs Bernhard, des Helden im Dreißigjährigen Kriege), das Grab Herders u. Cranachs Altargemälde die Kreuzigung; bei der Jakobskirche (Hofkirche) befinden sich die Grabmäler von Luc. Cranach, Musäus u. Bode; eine Griechische Kirche ist beim Schloß. Auf dem neuen Friedhofe steht die Fürstengruft mit den Särgen Karl Augusts u. seiner Gemahlin Luise, sowie denen von Schiller u. Goethe; das Mausoleum der Großfürstin Maria Paulowna; auf diesem Friedhofe liegen auch noch begraben der Componist Hummel, der Satiriker Joh. Falk, der berühmte Schauspieler P. A. Wolff, Goethes Freund I. P. Eckermann u. A. Eine Kunstsammlung befindet sich im Palais beim Theater (bes. reich an Kupferstichen u. Handzeichnungen, darunter namentlich Carstens Zeichnungen); ein Museum, worein die Odysseefresken von Preller kommen, wird eben erbaut; die Bibliothek im Grünen Schlosse mit etwa 180,000 Bänden, 8000 Landkarten u. gegen 500 alten Stammbüchern, Gemälden u. Marmorbüsten Goethes (von David u. Trippel), Schillers (von Dannecker), Herders (von Trippel), Wielands (von Kauffmann) u. A.; Sächsisches-Münz- u. Medaillencabinet, Gesammtarchiv für die Ernestinischen Lande, Theater (dessen oberste Leitung jetzt Dingelstedt hat). Außerdem gibt es ein Kunstinstitut, Zeichnenschule, Gymnasium, Schullehrerseminar, Real- u. Bürgerschule, Industrieschule, Waisenhaus mit der Falk'schen Erziehungsanstalt für verwahrloste Kinder, Zuchthaus, Bibelgesellschaft, Freimaurerloge Amalia; Buch-, Kupfer- u. Steindruckereien, Kaserne. Die Fabriken u. der Handel sind unbedeutend. Im Jahr 1861 zählte W. 13,887 Ew. Am Ende des Parks liegt das Dorf Oberweimar (s.d.) u. unweit davon das großherzogliche Lustschloß Belvedere, sowie Schloß u. Park Tieffurt (s.d.) u. die Sommerresidenz Ettersburg. – Die Stadt W. soll von Poppo, Grafen der Soravischen Mark, 880 gebaut sein. Seit dem Ende des 10. Jahrh. war W. Sitz der Grafen von W., eines Seitenzweigs der Grafen von Orlamünde. Diese Grafen residirten auf dem Hornstein, auf der Stelle des jetzigen Schlosses, welcher 1290 mit der Stadt abbrannte. Mit dem Aussterben der Grafen[33] von Orlamünde 1376 gelangte W. an die Landgrafen von Thüringen; mit. Thüringen kam W. 1440 an Sachsen, 1483 auf die Ernestinische Landesportion u. wurde in der Theilung Johann Wilhelms mit seinen Neffen, den Kindern Johann Friedrichs des Mittleren, 1572 Residenz. Im August 1560 hier Colloquium zwischen Flacius u. Strigel wegen der Synergistischen Streitigkeiten (s.u. Synergismus). 1618 brannte das Schloß ab. Wilhelm Ernst stiftete das Gymnasium; sein Nachfolger, Ernst August, wollte W. zur Festung machen u. errichtete zwischen Belvedere u. W. das Fort Falkenburg, aber seine Nachfolger gaben diesen Plan auf. Bes. that Karl August, unterwelchem sich das 1774 wieder abgebrannte Schloß erhob, viel zur Verschönerung der Stadt. Die von ihm dahin berufenen Koryphäen Deutscher Literatur, Goethe, Schiller, Herder u. der bereits durch Karl Augusts Mutter, die Herzogin Anna Amalie, dahin berufene Wieland erwarben W. mit Recht den Namen eines Deutschen Athen. Am 21. März 1825 brannte das Schauspielhaus ab. Vgl. C. Gräbner, Die Großherzogliche Hauptstadt W., Weim. 1836; Biedenfeld, Führer durch W. u. Umgebung, ebd. 1851; Derselbe, Ein Tag in W., ebd. 1851; Schöll, W-s Merkwürdigkeiten einst u. jetzt, ebd. 1857.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.